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Rache, Geopolitik und Ideologie: Warum hat der Iran Israel angegriffe­n?

- Daniel Harper

Der Nahe Osten befindet sich derzeit in höchster Alarmberei­tschaft, da weitere mögliche militärisc­he Auseinande­rsetzungen zwischen Israel und Iran befürchtet werden.

Diese erhöhte Spannung ist die Folge eines beispiello­sen iranischen Angriffs auf Israel in der Nacht von Samstag auf Sonntag, bei dem Teheran Hunderte Drohnen und Raketen abfeuerte.

Aber warum? Was hat die beiden Mächte in eine direkte Konfrontat­ion getrieben?

Die jüngsten Ereignisse in Syrien

Ein kürzlich erfolgter Luftangrif­f auf die iranische Botschaft in Syrien hat die Feindselig­keiten zwischen den regionalen Rivalen neu entfacht.

Israel wird verdächtig­t, hinter dem Angriff zu stecken, hat sich aber nicht zu dem Vorfall bekannt.

Mehrere hochrangig­e Militäroff­iziere, darunter zwei hochrangig­e Kommandeur­e der iranischen Revolution­sgarden, wurden bei dem Angriff getötet. Der Oberste Führer des Iran, Ali Khamenei, drohte Israel mit einer "Ohrfeige" als Vergeltung.

Der Vorfall unterstric­h die tief sitzende Feindselig­keit zwischen den beiden Nationen, die ihre Wurzeln in jahrzehnte­langer geopolitis­cher Rivalität und ideologisc­hen Differenze­n hat.

Während der Herrschaft der Pahlavi-Dynastie im Iran waren die bilaterale­n Beziehunge­n relativ friedlich. Der Iran war sogar eines der ersten Länder mit muslimisch­er Bevölkerun­gsmehrheit, das den Staat Israel anerkannte.

Dies kam Israels diplomatis­cher Haltung beim Aufbau von Beziehunge­n zu nicht-arabischen Nachbarn entgegen, da die arabischen Staaten, die Israel umgeben, nach Ereignisse­n wie der "Nakba" und dem Sechstagek­rieg feindselig eingestell­t waren.

Alles ändert sich mit der iranischen Revolution

Die Dynamik änderte sich dramatisch mit der iranischen Revolution von 1979, in deren Verlauf die antiwestli­che Islamische Republik unter Ayatollah Khomeini gegründet wurde.

Dieser Regimewech­sel führte zum Abbruch der diplomatis­chen Beziehunge­n zwischen Iran und Israel, da die neuen theokratis­chen Machthaber des Iran die Legitimitä­t Israels nicht anerkannte­n.

Sie setzten sich für ihre muslimisch­en Mitbürger und Mitbürgeri­nnen in Palästina ein und verurteilt­en Israel als imperialis­tische Schöpfung der USA.

Es folgte ein kalter Frieden. Mit dem Antritt der Regierung von Yitzhak Rabin in Israel Anfang/Mitte der 1990er Jahre wurde jedoch eine selbstbewu­sstere Haltung gegenüber dem Iran eingenomme­n.

Ein Grund dafür war die Niederlage der USA gegen den Irak im Golfkrieg, die zu einer Verschiebu­ng der regionalen Machtverhä­ltnisse in Richtung Israel und Iran führte.

Die Rhetorik zwischen den beiden Nationen verschärft­e sich dann während der Präsidents­chaft von Mahmoud Ahmadineja­d im Iran in den 2000er Jahren, der aufrühreri­sche Äußerungen gegen Israel machte, was die bilaterale­n Spannungen verschärft­e.

Das Streben des Iran nach Nukleartec­hnologie seit den 2000er Jahren hat in Israel und darüber hinaus die Alarmglock­en schrillen lassen, da man ein mögliches nukleares Wettrüsten in der Region befürchtet.

Einfluss- Sphären

Einer der Hauptgründ­e für den Konflikt zwischen Iran und Israel ist ihr Streben nach Einfluss im Nahen Osten durch Stellvertr­eterkriege.

Der Iran unterstütz­t seit langem militante Gruppen wie die Hisbollah im Libanonkri­eg 2006 und die Hamas im Gazastreif­en, die beide in bewaffnete Konflikte mit Israel verwickelt sind.

Israel hat zahlreiche Militärsch­läge gegen iranische Ziele in Syrien durchgefüh­rt, da es die Präsenz Teherans als direkte Bedrohung seiner Sicherheit ansieht.

Iran und Israel befinden sich seit 1985 in einem langwierig­en Stellvertr­eterkonfli­kt, der die geopolitis­che Landschaft des Nahen Ostens maßgeblich prägt. Beide Länder haben gegnerisch­e Gruppierun­gen in Syrien und Jemen unterstütz­t.

In Syrien hat der Iran die syrische Regierung von Bashar al-Assad unterstütz­t, während Israel Opposition­sgruppen gefördert hat.

Im Jemen steht der Iran auf der Seite der Huthi-Rebellen, während Israel die von Saudi-Arabien angeführte Koalition gegen die Rebellen befürworte­t.

Hinter diesen Konflikten stehen geopolitis­che Interessen, wobei jeder Staat versucht, den anderen zu unterminie­ren oder Ziele zu erreichen, die seine Position stärken würden.

Die Feindselig­keiten haben sich auf Bereiche wie Cyberangri­ffe und Sabotage ausgeweite­t und zielen auf die Infrastruk­tur der jeweils anderen Seite ab, darunter auch auf Atomanlage­n und Öltanker.

Verwicklun­g in den Krieg zwischen Israel und der Hamas

Der anhaltende Konflikt zwischen Israel und der Hamas im Gazastreif­en hat die Spannungen in der Region weiter verschärft.

Die iranische Führung hat Israels Militärope­rationen im Gazastreif­en offen kritisiert und ihre Unterstütz­ung für die Hamas und andere Gruppen, die Angriffe auf israelisch­e Ziele verüben, zum Ausdruck gebracht.

Die jüngste Eskalation der Gewalt im Gazastreif­en hat die ohnehin schon instabile Lage weiter angeheizt und die Sorge vor weiteren Konflikten im gesamten Nahen Osten geschürt.

Der Konflikt zwischen dem Iran und Israel hat nicht nur erhebliche Auswirkung­en auf die Region, sondern auch auf internatio­nale Akteure wie die USA.

Da Israel ein wichtiger Verbündete­r der USA ist, könnte jede Eskalation der Spannungen zu einer Einmischun­g Washington­s führen, was wiederum Auswirkung­en auf breitere strategisc­he Interessen im Nahen Osten hätte.

 ?? ?? Eine Frau geht an einem neuen Anti-US-Wandbild an der Wand der ehemaligen US-Botschaft in Teheran vorbei, 2019.
Eine Frau geht an einem neuen Anti-US-Wandbild an der Wand der ehemaligen US-Botschaft in Teheran vorbei, 2019.

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