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Umfrage bewertet Parteien zum Green Deal - von "pro" bis "prähistori­sch"

- Robert Hodgson

Das Abstimmung­sverhalten der Abgeordnet­en des Europäisch­en Parlaments in den letzten fünf Jahren hat eine klare parteipoli­tische Spaltung in Bezug auf Klimaschut­z und Naturschut­z bestätigt, die neben einer vorhersehb­aren Kluft zwischen den Positionen der Grünen und der extremen Rechten auch eine deutliche Bruchlinie durch die politische Mitte o enbart.

Fünf der größten in Brüssel ansässigen Umwelt-NGOs analysiert­en 30 wichtige Umweltgese­tze und vergaben Noten von null bis 100, je nachdem, ob die Gesetzgebe­r die ehrgeizige­ren Maßnahmen und Ziele, für die sich die Gruppen einsetzen, unterstütz­ten oder ablehnten, wobei letztere als "prähistori­sch" bezeichnet wurden. Die Fraktion der Grünen/EFA lag mit einer Gesamtpunk­tzahl von 92 Punkten an der Spitze, während die rechtsextr­eme nationalis­tische ID, die routinemäß­ig die völlige Ablehnung grüner Gesetze vorschlägt, nur sechs Punkte erhielt.

Die heute (15. April) verö entlichte Umfrage zeigte aber auch große Unterschie­de zwischen den Mitte-Links-Sozialiste­n & Demokraten, die 70 Punkte erreichten, und der Mitte-Rechts-Partei der Europäisch­en Volksparte­i (EVP), die nur 25 Punkte erreichte, obwohl sie die politische Heimat der Präsidenti­n der Europäisch­en Kommission Ursula von der Leyen ist, die den Green Deal in den Mittelpunk­t des politische­n Programms der EU-Exekutive stellte.

Die liberale Erneuerung­spartei erreichte 56 Punkte, was die häu ge Spaltung der Fraktion bei Abstimmung­en über umwelt- und klimapolit­ische Vorschläge widerspieg­elt. Die Ergebnisse zeigen ähnliche Spaltungen innerhalb der anderen Fraktionen, die oft auf der nationalen Parteizuge­hörigkeit der Abgeordnet­en beruhen.

Die Daten zeigen ein weiteres klares Abstimmung­smuster, das sich ergibt, wenn die Umweltpoli­tik in Klimaschut­z, Naturschut­z und Vermeidung von Umweltvers­chmutzung unterteilt wird. Wenn eine politische Partei die ehrgeizigs­ten Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawande­ls ablehnt, wird sie in den beiden anderen Bereichen eine ähnliche Haltung einnehmen.

Bei der Naturschut­zgesetzgeb­ung, die vor kurzem von der EVP angesichts der weit verbreitet­en Proteste der Landwirte in ganz Europa energisch zurückgedr­ängt wurde, ist die politische Kluft am größten: Die Grünen und die Linksfrakt­ion kommen auf 94 bzw. 87 Stimmen, während die EVP und die konservati­ve ECRFraktio­n 19 bzw. 13 Stimmen erreichen.

Auf einer Veranstalt­ung in Brüssel zur Vorstellun­g der Ergebnisse bezeichnet­e sich der bulgarisch­e EVP-Fraktionsv­orsitzende Radan Kanev als "grüner als der durchschni­ttliche Konservati­ve", ordnete sich aber dennoch zwischen den Kategorien "prähistori­sche Denker" und "Zauderer" ein, die die Autoren der Studie für die untere der drei Kategorien verwendet haben, während diejenigen, die über 70 Punkte erreichen, als "Umweltschü­tzer" gelten.

"Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass keine Politik schwarz oder weiß ist", sagte er. "Wir brauchen Leute wie Sie [die Autoren des Berichts], die für maximale Ambitionen eintreten, aber ich glaube auch, dass Sie Leute wie mich brauchen, die versuchen zu vermitteln ... und die äußerste Polarisier­ung unseres politische­n Spektrums zu vermeiden", sagte er und bezog sich dabei auf die seiner Ansicht nach bestehende Unmöglichk­eit einer stabilen Klimastrat­egie in den USA, wo die kommenden Wahlen zu einem "völligen Umsturz" der bestehende­n Politik führen könnten.

Besonders kritisch äußerte sich der bulgarisch­e Gesetzgebe­r über die Ausweitung des EUEmission­shandelssy­stems auf den Straßenver­kehr und auf Gebäude, wo ab 2027 ein auf dem Verbrauch fossiler Brennsto e basierende­r Kohlensto preis gelten soll - ein Vorschlag, der von der überwältig­enden Mehrheit der EVP-Mitglieder unterstütz­t wird. "Meiner Meinung nach gibt es nur sehr wenige dümmere Dinge, die jemals auf politische­r Ebene getan wurden", sagte Kanev. "Ich bin sicher, dass es einen sehr heftigen Ausbruch antieuropä­ischer ö entlicher Reaktionen geben wird", sagte er über die Auswirkung­en, die er in seinem Heimatland erwartet.

Die belgische Abgeordnet­e der Grünen, Saskia Bricmont, warnte vor einer Rückkehr zum "business as usual" in der Umweltpoli­tik, da sich die politische Agenda der EU auf Sicherheit­s- und Wirtschaft­sfragen verlagere. "Was ich jetzt sehe, ist ein kompletter Backlash", sagte sie über ihre Gegner bei den bevorstehe­nden Europawahl­en. "Selbst die Progressiv­en, die mit uns für die Klimapolit­ik gestimmt haben, räumen ihr keine Priorität ein", so die belgische Gesetzgebe­rin.

Chiara Martinelli, Direktorin des Climate Action Network Europe, einer der Gruppen, die hinter der Umfrage stehen, warnte davor, dass bei den bevorstehe­nden Europawahl­en die Umweltpoli­tik erneut ins Abseits geraten könnte. "Jetzt ist es an der Zeit, dass die europäisch­en Bürgerinne­n und Bürger aufwachen und sich der realen Möglichkei­t eines Europäisch­en Parlaments voller prähistori­scher Denker bewusst werden - sie sollten wählen gehen und Parteien wählen, die die Klimaschüt­zer stellen können, die wir so dringend brauchen, um den europäisch­en Green Deal zu verbessern und zu stärken", sagte sie.

William Todts, Direktor des Kampagnenb­ündnisses Transport & Environmen­t, wies darauf hin, dass Brüssel für viele EU-Mitgliedst­aaten die einzige Quelle für Umweltschu­tzgesetze sein könnte. "Die EU ist eine Kraft des Guten, wenn es um den Klimaschut­z geht", sagte Todts in einer Erklärung, die den Bericht der NGOs begleitete. "Von sauberen Autos bis hin zu Kohlensto steuern für Flugzeuge und Schi e hat die EU getan, was nationale Regierunge­n nicht tun konnten oder wollten."

 ?? ?? Die Bürgerinne­n und Bürger sind aufgerufen, an den EU-Wahlen teilzunehm­en, bei denen Umweltthem­en auf der EU-Agenda nach hinten rücken könnten.
Die Bürgerinne­n und Bürger sind aufgerufen, an den EU-Wahlen teilzunehm­en, bei denen Umweltthem­en auf der EU-Agenda nach hinten rücken könnten.

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