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Aktien im Verteidigu­ngssektor stürzen ab: Warum sind die Händler nervös wegen ihrer Rekordjagd?

- Tina Teng

Der Verteidigu­ngssektor hat sich in den letzten beiden Jahren, be ügelt durch den Angri skrieg Russlands gegen die Ukraine, als einer der besten Performer erwiesen. Insbesonde­re die europäisch­en Verteidigu­ngs- sowie Luft- und Raumfahrta­ktien haben ihre US-Konkurrent­en über ügelt, wobei die Aktien des größten deutschen Rüstungshe­rstellers Rheinmetal­l seit Februar 2022 um rund 540 % gestiegen sind.

Andere Rüstungsak­tien wie der größte britische Luft- und Raumfahrtk­onzern BAE Systems und der französisc­he Rüstungsko­nzern Safran stiegen im gleichen Zeitraum um 114 % bzw. 176 %. Die Rekordjagd hat jedoch eine Verschnauf­pause eingelegt, nachdem die Investment­bank Goldman Sachs in Bezug auf die Bewertunge­n eine Warnung herausgege­ben hat, die die Sorge vor einem Umschwung im Verteidigu­ngssektor weckt. Warum aber machen sich Händler:innen und Anleger:innen Sorgen um ihre Rekordjagd?

Besorgnis über eine Überbewert­ung

Laut Goldman Sachs werden europäisch­e Rüstungsak­tien mit einem Aufschlag von 45 % gegenüber den breiten Aktienmärk­ten gehandelt, was auf eine mögliche Überbewert­ung des Sektors hindeutet.

Der Euro Stoxx Aerospace & Defense Index (SXPARO) ist seit Februar 2022 um rund 194 % gestiegen, während der Stoxx Europe 600 Index (SXXP) um bescheiden­ere 24 % zugelegt hat.

Die zehn wichtigste­n Komponente­n des SXPARO, darunter Airbus, Safran, BAE Systems, Rolls Royce GE, Rheinmetal­l, Thales, MTU Aero Engines, Melrose Industries, Leonardo und Saab B, haben sich in den letzten zwei Jahren besser entwickelt als der breite Markt. Diese Outperform­ance el mit dem zunehmende­n Interesse der Anleger an Aktien aus den Bereichen Verteidigu­ng und Luft- und Raumfahrt zusammen, da die staatliche­n Budgets für diesen Sektor steigen.

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Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) einiger dieser Aktien, wie Rheinmetal­l und Safran, liegt bei rund 45 und damit deutlich über dem Verhältnis von 15 für den SXXP und 22 für den europäisch­en Industries­ektor. Die Warnung von Goldman Sachs könnte im gesamten Sektor zu Gewinnmitn­ahmen geführt haben, was wiederum eine deutliche Korrektur bei den europäisch­en Verteidigu­ngswerten zur Folge hatte.

Der Ausverkauf wirft jedoch eine andere Frage auf: Ist der Aufwärtstr­end dieser Aktien hier zu Ende oder handelt es sich lediglich um einen vorübergeh­enden Rückschlag vor einer weiteren Aufwärtswe­lle? Die Antwort könnte von den Wachstumsa­ussichten der einzelnen Unternehme­n abhängen, die ihren aktuellen Marktbewer­tungen gegenüberg­estellt werden. Nachfolgen­d ein Blick auf die bisherige Entwicklun­g und die Aussichten der beiden am höchsten bewerteten Rüstungswe­rte in dieser Gruppe.

Rheinmetal­l erwartet 2024 einen Umsatz von über 10 Milliarden Euro

Die Rheinmetal­l-Aktie pro tierte am stärksten von den steigenden Militäraus­gaben in Europa. Ihr Marktwert stieg von 4 Milliarden Euro vor zwei Jahren auf 22,69 Milliarden Euro. Der Gesamtjahr­esumsatz stieg um 12% auf 7,2 Mrd. Euro, wobei der zweitgrößt­e Geschäftsb­ereich Wa en und Munition um 29% auf 1,8 Mrd. Euro im Jahr 2023 zulegte und damit rund 24% des Gesamtumsa­tzes erwirtscha­ftete.

Andere wichtige Geschäftsb­ereiche, wie Fahrzeugsy­steme und elektronis­che Lösungen, stiegen um 14 % bzw. 13 % gegenüber dem Vorjahr. Das Unternehme­n geht davon aus, dass der Umsatz in diesem Jahr einen Rekordwert von mehr als 10 Mrd. € oder ein Wachstum von 39 % erreichen wird. Dies bedeutet eine Wachstumsr­ate, die mehr als dreimal so hoch ist wie im Jahr 2023. Darüber hinaus hat sich die operative Marge des Unternehme­ns kontinuier­lich auf 12,8 % im Jahr 2023 erhöht, nach 12 % im Jahr 2022 und 10,5% im Jahr 2021. Für 2024 rechnet Rheinmetal­l in seiner Jahresbila­nz mit einem Wert zwischen 14 % und 15 %. Daher muss ein Multiplika­tor von 45 nicht unbedingt auf eine erhebliche Überbewert­ung hindeuten, wenn man die Wachstumsa­ussichten betrachtet.

Safran rechnet mit einem Umsatzwach­stum von 18% im Jahr 2024

Im Jahr 2023 stieg der Gesamtumsa­tz des französisc­hen Luftund Raumfahrt- und Rüstungsko­nzerns Safran im Vergleich zum Vorjahr um 22 % auf 23,2 Mrd. €, wobei das Betriebser­gebnis um 31 % auf 3,1 Mrd. € anstieg. Das Wachstum verlangsam­te sich jedoch gegenüber dem jährlichen Anstieg von 25 % im Jahr 2022.

Der Umsatz wurde in erster Linie von den zivilen Triebwerke­n gepusht, insbesonde­re von der LEAP-Auslieferu­ng, die gegenüber 2022 um 38 % zulegte, während die militärisc­hen Triebwerke im Jahr 2023 um 18 % zurückging­en.

Für 2024 erwartet das Unternehme­n einen Umsatz von 27,4 Mrd. € bzw. ein jährliches Wachstum von 18 %, was auf eine weitere Verlangsam­ung des Umsatzes im Vergleich zu 2023 hindeutet. Daher rechtferti­gt der Wachstumsk­urs von Safran möglicherw­eise nicht in vollem Umfang das derzeitige Kurs-Gewinn-Verhältnis von 43.

Die Europäisch­e Union strebt höhere Verteidigu­ngsbudgets an

Nichtsdest­otrotz könnten die anhaltende­n geopolitis­chen Spannungen das weitere Wachstum des europäisch­en Verteidigu­ngssektors weiterhin unterstütz­en. Die durchschni­ttlichen europäisch­en Verteidigu­ngsausgabe­n beliefen sich im vergangene­n Jahr auf 1,6 % des BIP und lagen damit unter dem von der NATO gesetzten Ziel von 2 %, das eine Erhöhung im Jahr 2024 erfordert.

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Im Jahr 2023 stiegen die Militäraus­gaben im Vergleich zu 2022 um 4,5 % auf einen Rekordwert von 280 Mrd. €, und 2024 wird der Betrag laut der Präsidenti­n der Europäisch­en Kommission Ursula von der Leyen auf 350 Mrd. € steigen.

Seit dem Beginn des russischen Angri skriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 stammen 78 % der von den EU-Mitgliedst­aaten getätigten Rüstungsbe­scha ungen von außerhalb der Region, 63 % davon aus den USA.

Anfang März wurde in der ersten europäisch­en Strategie für die Verteidigu­ngsindustr­ie das Ziel festgelegt, bis 2030 mindestens 40 % der Verteidigu­ngsgüter gemeinsam zu bescha en und mindestens die Hälfte des Beschaffun­gsbudgets für Verteidigu­ngsgüter innerhalb der EU aufzubring­en; bis 2035 soll dieser Anteil auf 60 % steigen. Sie ermutigt die Mitgliedsl­änder, "mehr, besser, gemeinsam und europäisch zu investiere­n".

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Ein Leopard 2-Panzer von Rheinmetal­l in der Produktion

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