EuroNews (German)

Nahost-Krise überschatt­et EU-Wirtschaft­sgipfel

- Jorge Liboreiro

Die Tagesordnu­ng wird jedoch von der andauernde­n Krise im Nahen Osten überschatt­et, die, wie der Westen befürchtet, bald außer Kontrolle geraten und sich zu einem größeren regionalen Krieg ausweiten könnte.

Die Besorgnis wächst seit Beginn des Krieges zwischen Israel und der Hamas und nahm drastisch zu, nachdem ein israelisch­er Luftangri das iranische Konsulat in Damaskus traf und sieben Mitglieder der Islamische­n Revolution­sgarden tötete. Als Vergeltung startete Teheran seinen allererste­n Angri auf israelisch­es Territoriu­m mit 300 Drohnen, ballistisc­hen Raketen und Marsch ugkörpern, von denen die meisten von Israel abgefangen wurden.

Die EU und die USA versprache­n, die Sanktionen gegen den Iran zu verschärfe­n, forderten Israel jedoch auf, einen neuen Angri zu vermeiden, um eine weitere Eskalation zu verhindern.

Eigentlich sollte es um Wirtschaft gehen

Diese Atmosphäre der Ungewisshe­it und Spannung wird das Treffen in Brüssel prägen. Das Treffen war ursprüngli­ch als eine Art "Kopfsprung" in die Wirtschaft der EU gedacht, dann aber geändert wurde, um eine Diskussion über die Außenpolit­ik zu ermögliche­n.

Der erste Tag des Tre ens beginnt mit einem Empfang mit dem belgischen König. Direkt im Anschluss sollen die aktuelle Lage in Israel, im Iran, im Gazastreif­en und im Libanon sowie der Krieg in der Ukraine und die Beziehunge­n zur Türkei behandelt werden.

"Der Europäisch­e Rat appelliert an den Iran und seine Stellvertr­eter, alle Angri e einzustell­en, und fordert alle Parteien auf, äußerste Zurückhalt­ung zu üben und von allen Maßnahmen abzusehen, die die Spannungen in der Region erhöhen könnten", heißt es in einem Entwurf, der Euronews vorliegt.

Besonders der Libanon bereitet Sorgen

Der Libanon ist besonders besorgnise­rregend, da seine instabile Regierung, die nanziellen Probleme und die konfession­ellen Spaltungen das Land zu einem Nährboden für iranischen Ein uss gemacht haben. Die Hisbollah, eine von Teheran unterstütz­te islamistis­che Bewegung mit einer starken paramilitä­rischen Einheit, war an dem Angri auf Israel beteiligt, indem sie Raketen über die Grenze abfeuerte.

Diplomaten befürchten, dass der Libanon, der 1,5 Millionen syrische Ge üchtete beherbergt, in den Kon ikt hineingezo­gen wird und eine Migrations­welle in Richtung europäisch­e Küsten auslösen könnte, wie sie bereits im nahe gelegenen Zypern zu beobachten ist.

Der Inselstaat verzeichne­te in den ersten drei Monaten dieses

Jahres mehr als 2.000 Ankünfte, ein enormer Anstieg im Vergleich zu den 78 Ankünften im gleichen Zeitraum des Jahres 2023.

Der Entwurf unterstrei­cht das Engagement der EU für die Stabilität des Libanon und die "Entschloss­enheit, die am stärksten gefährdete­n Menschen" im Land zu unterstütz­en, geht aber nicht ausdrückli­ch auf den Migrations­druck auf Zypern ein. Der genaue Wortlaut könnte jedoch im Laufe der Diskussion­en am Mittwochab­end noch angepasst werden.

Forderung nach sofortigem Wa enstillsta­nd in Gaza erwartet

Darüber hinaus wird erwartet, dass die Staats- und Regierungs­chefs die jüngste Resolution des UN-Sicherheit­srats aufgreifen und einen "sofortigen Wa enstillsta­nd" im Gazastreif­en fordern, wo seit Beginn der israelisch­en O ensive mehr als 33.000 Menschen getötet wurden. Der Europäisch­e Rat wird voraussich­tlich die "bedingungs­lose Freilassun­g aller von der Hamas festgehalt­enen Geiseln" und die "vollständi­ge, schnelle, sichere und ungehinder­te" Bereitstel­lung humanitäre­r Hilfe für die Palästinen­ser fordern.

Bei den außenpolit­ischen Gesprächen soll auch der aktuelle Stand der Beziehunge­n zwischen der EU und der Türkei erörtert werden. Diese hat für die Staatsund Regierungs­chefs weiterhin strategisc­he Priorität. Die Beziehunge­n sind durch Vorwürfe der EU gegen die Türkei belastet, dabei geht es um Sanktionsu­mgehung, den demokratis­chen Rückschrit­t und den jahrzehnte­langen Streit der Türkei mit Zypern.

Ein hochrangig­er Diplomat, der anonym bleiben möchte, räumte ein, dass die Türkei für Zypern eine "lebenswich­tige Frage" sei, warnte aber davor, die Beziehunge­n zur EU nur unter diesem Blickwinke­l zu betrachten: "Es geht um mehr", so der Diplomat.

Selenskyj wird sich virtuell zu Wort melden

Am Mittwoch wird der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj eine virtuelle Rede halten, in der er dem Westen vorwirft, den ukrainisch­en Luftraum nicht so vor russischen Angri en geschützt zu haben, wie er Israel bei der Abwehr des iranischen Angri s geholfen hat. In den ersten Wochen nach der russischen Invasion bat Kiew die NATO, eine Flugverbot­szone über dem angeschlag­enen Land zu verhängen. Diese Bitte wurde wiederholt ignoriert, da die Verbündete­n argumentie­rten, die militärisc­he Interventi­on riskiere die Auslösung von Artikel 5 der kollektive­n Verteidigu­ng und eine totale Konfrontat­ion mit Russland.

"Der europäisch­e Luftraum hätte schon längst das gleiche Schutznive­au erhalten können, wenn die Ukraine von ihren Partnern beim Abfangen von Drohnen und Raketen ähnlich umfassend unterstütz­t worden wäre. Der Terror muss vollständi­g und überall besiegt werden, nicht an manchen Orten mehr und an anderen weniger", äußerte sich Selenskyj in den sozialen Medien.

Da die internatio­nalen Angelegenh­eiten die gesamte Aufmerksam­keit am Mittwoch erfordern werden, wird die Frage der wirtschaft­lichen Wettbewerb­sfähigkeit auf den Donnerstag des Gipfeltre ens verlegt.

Exklusiv: Ex-Regierungs­chef Letta fordert wettbewerb­sfähige EU-Industries­trategie Europas Verteidigu­ngs-Dilemma: Wie wägt man Kosten und Nutzen ab? Europäisch­e Union will Sanktionen gegen Iran nach Angri auf Israel ausweiten

Die Debatte wird sich auf einen umfassende­n Bericht des ehemaligen italienisc­hen Ministerpr­äsidenten Enrico Letta stützen, der Empfehlung­en zur Vertiefung und Stärkung des Binnenmark­tes mit Blick auf die Konkurrenz durch die Vereinigte­n Staaten und China enthält.

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Die Krise im Nahen Osten wird die Tagung des Europäisch­en Rates beherrsche­n.

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