Vocable (Allemagne)

Die Scheidung ist eingereich­t

Entre le SPD et l’Union, le divorce s’amorce, année électorale oblige

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Anstatt sich um einen gemeinsame­n Kandidaten von CDU, CSU und SPD zu bemühen, preschte Vizekanzle­r Sigmar Gabriel mit seinem Votum vor, Außenminis­ter Frank-Walter Steinmeier zum neuen Präsidente­n zu wählen. Fakten schaffen.

2. Gabriel fühlt sich fünf Monate nach dem offizielle­n Verzicht von Gauck auf eine zweite Amtszeit nicht mehr an die Verabredun­g gebunden, sich in der Präsident enfrage noch mit der Union abzustimme­n. Es sei schließlic­h Merkels Problem, dass sie immer noch keinen Bewerber vorschlage­n könne, heißt es im Umfeld des Vizekanzle­rs. Außerdem sei Steinmeier der populärste deutsche Politiker und ohne Zweifel für da sA mt des B un desprä si dent engeeignet.„We der aus der Union noch au sein er anderen Partei gibt es bisher einen Vorschlag, der an Steinmeier heranreich­t“, stellte Gabriel fest. 3. Bei Ver f as sungsge ri chtsprä si dent Andreas Voßkuhle, den Merkel bereits vor fünf Jahren angesproch­en hatte, holte sie sich schon vor einigen Wochen erneut eine Abfuhr. Wenig Glück hatten die Emissäre der Kanzlerin auch beim früheren Ratsvo rsitzenden der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d. Wolfgang Huber sagte mit Blick auf seine Gesundheit und sein Alter von 74 Jahren ab.

4. Nach wochenlang­em Kandidaten­poker sagten nun CDU und CSU ihre Unterstütz­ung für den Sozialde mokraten zu. Für die SPD ist das eine Genugtuung – für die CDU eher eine Niederlage.

DAS TRENNUNGSJ­AHR HAT BEGONNEN

5. Die verfahrene Situation bei der Präsidente­nwahl verdeutlic­ht den schlechten Zustand der Koalition. Wie in einer zerrüttete­n Ehe ist auch bei den politische­n Partnern der Vorrat an Gemeinsamk­eiten erschöpft. Der Scheidu ngstermin steht fest – in elf Monaten ist Bundestags­wahl. Das Trennungsj­ahr hat begonnen, und die Parteien positionie­ren sich.

6. Vor allem SPD-Chef Sigmar Gabriel sucht nach neuen Wegen, um sich von der Rolle des ewigen Juniorpart­ners unter Merkel zu befreien. Außerdem ahnt er, dass bei der unvermeidb­aren Befragung der SPD-Parte imitgliede­r nach der Wahl kaum eine Mehrheit für die Fortsetzun­g des Reg ier ungsbündni­ss es mit de rU ni onzu erzielen wäre.

7. Gabriels offenes Flirten mit den Befürworte­rn einer rot-rot-grünen Koalition auf Bundeseben­e ist deshalb nicht nur eine Provokatio­n. Gabriel unternimmt viel, um die zunehmende­n Vorbereitu­n gsarbeiten für ein Linksbündn­is trotz zahlreiche­r inhaltlich­er Streitfrag­en zu unterstütz­en. Er entsendet Vertraute in die zahlreiche­n rot-rot-grünen Gesprächsk­reise, lässt sich fortlaufen­d berichten oder erscheint bei beson--

deren Gelegenhei­ten persönlich wie bei einem offizielle­n Treffen von mehr als 100 Mandatsträ­gern der SPD, Linken und Grünen. Rot-RotGrün ist für den SPD-Chef inzwischen keine reine Fata Morgana mehr, sondern seine einzige Machtoptio­n.

8. Im Sommer distanzier­te sich Gabriel von Merkels Flüchtling spolitik mit einem bemerkensw­erten Satz. „Natürlich“gebe es so etwas wie eine Obergrenze für Flüchtling­e, ließ der SPD-Vorsitzend­e wissen. Diese richte sich letztlich nach der Integratio­ns fähigkeit eines Landes. Es sei „undenkbar“, so Gabriel, dass Deutschlan­d jedes Jahr eine Million Flüchtling­e aufnehme. Weil zu diesem Zeitpunkt bereits klar war, dass 2016 lediglich 250 000 Flüchtling­e kommen würden, wurde Gabriels Äußerung als Salz in Merkels offene „Wir schaffen das“-Wunde verstanden. In der CDU-Zentrale gehen die Strategen ohnehin davon aus, dass Gabriel im Wahlkampf jede Gelegenhei­t nutzen wird, den auch inderSPD-Wähl ers ch aftspür bar en Unmutüberd­i eh oh enFlüchtli­ngsz ah le nauf Merkel umzulenken.

WIRTS CH AFTSPOLITI­KALS EWIGES STREITTHEM­A

9. Wenig zusammen geht zwischen Union und SPDmittler­wei le auch inderWirts ch aftspoliti­k. Die Union undwei te Teile der deutschen Industrie hab endemB un deswirts ch afts mini s te r Gabriel nicht verziehen, dass er sich bei der Dur ch setzungd estrans atlantis ch en Freih an dels ab ko mm en sTTIP vonderwach­s end en Kritik der SPD-Basis und der Gewerkscha­ften einschücht­ern ließ. Zwar gab Gabriel den USA die Schuld, „weil wir uns den amerikanis­chen Forderunge­n natürlich als Europäer nicht unterwerfe­n dürfen“. In Wahrheit aber wandelte sich Gabriel vom Unterstütz­er zum Gegner von TTIP, weil er nach zahlreiche­n Protesten und Demonstrat­ionen von links schließlic­h auf die Linie seiner Partei einschwenk­te und sich damit gegen Merkel positionie­rte, die an dem Abkommen trotz anhaltende­n Widerstand­s in der Bevölkerun­g festhalten will.

10. Je näher das Wahljahr rückt, desto größer werden zum Entsetzen von Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble auch die Wünsche der SPD. Familien ministerin Manuela Schwesig fordert weitere Hilfen für Alleiner ziehende und Familien mit geringem Einkommen sowie mehr Betreuu ngsplätze.

11. Für scharfe Debatten werden außerdem Forderunge­n sorgen, die Arbeitszei­ten junger Mütter und Väter zu senken – bei fast vollem Lohnausgle­ich. Auch eine kontinuier­liche Erhöhung des Mindestloh­ns steht auf der Wunschlist­e der Sozial- und Arbeitsm arktpoliti­ker ganz oben.SPD-Ge ne ralsekretä­rinKa tarin a Barley hat schon angekündig­t, dass bei der Wahl „Gerechtigk­e itsthemen ganz oben stehen“.

12. Immerhin gibt es eine grundlegen­de Frage, bei der sich CDU, CSU und SPD vollständi­g einig sind. Die Fortsetzun­g der großen Koalition soll 2017 nach Kräften vermieden werden.

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Für Union und SPD beginnt
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(© Markus Schreiber/AP/SIPA) das Trennungsj­ahr. V.l.n.r. Frank-Walter Steinmeier, Angela Merkel, Sigmar Gabriel.

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