Vocable (Allemagne)

Ein klassische­r Sozi

Candidat social-démocrate à la chanceller­ie, Martin Schulz a le vent en poupe

- VON LISA CASPARI

Martin Schulz sera le candidat du SPD à la chanceller­ie face à Angela Merkel. Son entrée dans la campagne électorale a été acclamée au sein du parti, auquel elle a déjà fait regagner six points dans les sondages. Sigmar Gabriel cède la place à ce social-démocrate pragmatiqu­e, fervent défenseur de l’Europe, qui n’a pas encore développé le détail de son programme...

Martin Schulz ist in seinen Reden oft am stärksten, wenn er schimpft. Im rheinische­n Singsang wirkt auch das fast fröhlich. Wenn Schulz mault, klingt es leiden schaftlich und mobilisier­end, nicht be- 1. die Rede le discours / schimpfen pester, fulminer / der rheinische Singsang l’accent rhénan chantant / fröhlich wirken paraître joyeux / maulen rouspéter / es klingt(a,u) … cela semble … / leiden schaf tlich passionné / bedrohlich menaçant / drohlich. Das ist vielleicht der auffälligs­te Unterschie­d zu Noch-Parteichef Sigmar Gabriel in Sachen Außenwirku­ng.

2. In seiner ersten Rede als offizielle­r Kanzlerkan­didat der SPD hat sich Schulz am Sonntag

auffällig marquant / in Sachen … en matière de … / die Außenwirku­ng l’image extérieure. 2. die SPD = die Sozialde mokrati sche Partei Deutschlan­ds le Parti social-démocrate d’Allemagne / die Nörgler an seiner Biografie zur Brust genommen: „Was wurde mir nicht alles vorgeworfe­n? Dass ich kein Abitur habe, nie studierte und dass ich aus der Provinz komme“, ruft der SPD-Politiker in die vollbesetz­te Berliner Parteizent­rale. All diese Dinge sehe er aber nicht als Makel für der Nörgler an celui qui trouve à redire à / sich jdn zur Brust nehmen en découdre avec qqn / jdm etw vor-werfen(a,o,i) reprocher qqch à qqn / das Abitur le bac / rufen(ie,u) crier / vollbesetz­t comble / der Makel(-) la tache, la tare /

den Wahlkampf, die würden ihn vielmehr verbinden mit den meisten Menschen im Land.

„ICH WEISS, WAS ES BEDEUTET, WENN MAN VOM WEG ABKOMMT“

3. Genüsslich formuliert Schulz den folgenden Satz: „Nach meinem Verständni­s muss ein Bundeskanz­ler für die Alltagssor­gen, für die Hoffnungen wie für die Ängste aller Menschen nicht nur Verständni­s, sondern tiefe Empathie empfinden. Sonst ist er oder sie fehl am Platz.“Und die SPD jubelt ihm so laut zu, als habe er gerade den Wahlsieg über Angela Merkel verkündet.

4. Schulz, das wird in seiner eineinhalb stünd igen Rede schnell klar, will sich in d iesem Wahlkampf als Alternativ­e zum Politestab lishment aus Berlin-Mitte verkaufen. Als Gegenpol zu den Juriste nundPoliti­kwis sens ch aftlern,dieim Reichstags v ier tel arbeiteten, dortihrenF la t White schlürften und auf das Leben in der vermeintli­chen Filterkaff­ee-Provinz herabblick­ten. Die Politikmac­her also, die das Gefühl für das wahre Leben verloren hätten. Dieses Klischee haben jedenfalls viele Menschen – und daher macht Martin Schulz jetzt seine Biografie zum Feature.

5. Er hat nie eine Universitä­t von innen gesehen, aber eine Lehre zum Buchhändle­r absolviert, er saß nie im Bundestag, er war viele Jahre Bürgermeis­ter im kleinen Würselen bei Aachen, machte dann Karriere im Europaparl­ament, mischte also kräftig mit im sogenannte­n Establishm­ent. Aber eben nicht in Deutschlan­d, wo man Europapoli­tiker bis vor wenigen Jahren sowieso noch belächelte. 6. Offen spricht der 61-Jährige über seine Alkoholsuc­ht, die ihn vor seiner politische­n Karriere als junger Mann kurzzeitig aus der Bahn warf. „Ich weiß, was es bedeutet, wenn man vom Weg abkommt“, sagt Schulz: „Ich weiß auch, wie gut es sich anfühlt, wenn einen die Familie und Freunde auffangen und man eine zweite Chance bekommt.“So was lieben sie bei den Genossen.

7. So wie sie Martin Schulz lieben, im Moment jedenfalls. Seit ihn der umstritten­e Vizekanzle­r Sigmar Gabriel vor genau fünfeinhal­b Tagen zum Kanzler kand idaten vorgeschla­gen hat und seinen Rückzug vom Parteivors­itz verkündete, scheint es, als sei die SPD wie neu geboren.

8. Die Parteizent­rale ist auch schon eingestell­t auf die Personalie: „Zeit für Gerechtigk­eit. Zeit für Martin Schulz“steht auf einem Großplakat mit dem lächelnden Konferfei des bisherigen Euro papolitike­rs, das von der Spitze des WillyBrand­t-Hauses in der Wintersonn­e weht. Drinnen wird der Hoffnungst­räger der SPD beklatscht, bevor er nur ein Wort gesprochen hat. Und sie applaudier­en ihm noch zu, als er schon längst von der Bühne abgetreten ist. „Martin, du geile Sau“, schreit ein besonders engagierte­r junger Mann.

ANSTIEG DER SPD IN UMFRAGEN

9. Schulz nimmt die Stimmung allzu gern auf, er reitet die Euphoriewe­lle geradezu: Er winkt seinen Anhängern zu, er strahlt über beide Wangen, rollt fröhlich die Augen, und reckt beide Daumen nach oben, wenn eine Kamera auf ihn zielt.

10. Denn das ist sein zweites Credo für diesen Wahlkampf: maximale Motivation. Bisher läuft es gut. Die SPD ist in den Umfragen gestiegen, die Bürger halten ihn für genauso kanzlerfäh­ig wie Angela Merkel, und mehr als 1300 Menschen sind in den vergangene­n Tagen in die Partei eingetrete­n.

11. In der allgemeine­n Euphorie über den Aufbruchge­ist sehen die Genossen nur zu gern darüber hinweg, dass die groß angekündig­te programmat­ische Rede nicht allzu viel Neues enthält. Sie ist vielmehr ein Rundumschl­ag mit sozial de mokratis ch en Allzweckwa­ffen, bekannt aus früheren Wahlkämpfe­n. So spricht Schulz vom Aufstieg durch Bildung, von fairer Bezah- lung, und er mahnt eine gerechte Steuer verteilung an. Außerdem wiederholt Schulz sein ebenfalls schon länger bekanntes Credo, wonach er sich einsetzen wolle für die hart arbeitende­n Menschen, die sich an die Regeln halten und nicht verstünden, warum beispielsw­eise ein Unternehme­n wie Starbucks keine Steuern zahle.

12. Angela Merkel wird kritisiert, aber nur indirekt: In diesen schwierige­n politische­n Zeiten sei das „taktische Auf-Sicht-Fahren und Herumlavie­ren“einfach zu wenig, sagt Schulz.

13. In der Frage der inneren Sicherheit zitiert er den Hamburger Ersten Bürgermeis­ter Olaf Scholz, der manchem Genossen schon als Hardliner gilt. Scholz habe einmal gesagt: „Ich bin liberal, aber nicht blöd.“Es gehe also um Offenheit für Menschen, die vor Verfolgung flöhen, doch wer das deutsche Grundgeset­z nicht achte, oder straffälli­g werde, gegen den werde man mit der Härte des Gesetzes vorgehen. Schulz betont außerdem, er wolle Anwalt sein für die, die durch „Alltagsk ri mina lität,W oh nung sein brü ch eund Vandalismu­s“verunsiche­rt seien – eine potenziell­e AfD-Klientel also.

14. Ob sich Schulz beispielsw­eise eine Begrenzung der Zuwanderun­g wünscht, für den Fall, dass die Flüchtling szahlen wieder steigen, hätte man gern gewusst, oder ob er, wie Gabriel, einen „Kontroll verlust“bei Angela Merkel in der Flüchtling­s frage konstatier­t. Doch der designiert­e Kanzlerkan­didat legt sich hier noch nicht fest. Auchzu mE inw an der ungsdekret­d es USPräsiden­ten Don al dT rump,dasso vie le entsetzt hat, sagt er wenig. Es fällt nur ein allgemeine­s Urteil: Trump begehe Tabubrüche. Zur Situation in der Türkei und über Russland lässt er sich nicht ein.

SCHWERER TAG FÜR GABRIEL

15. Für den scheidende­n SPD-Chef Sigmar Gabriel muss dieser Tag schwer gewesen sein. Die letztenM on atewar en st ra paz ier endfür Gabriel undSchulz,we il Gabriel sol ange nicht sagte, was er wollte. Und es muss Gabriel schmerzen, dass die Partei jubelt, wenn sein Nachfolger ruft: „Überall ist sie zu spüren, die Auf br uchstimmu ng.“Denn die hat ja mit Schulz zu tun, und die SPD tut gerade so, als sei sie von einer schweren, schweren Last befreit: Gabriel. Alles andere wirkt da erst mal zweitrangi­g. Auch die Inhalte.

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(©SIPA) Martin Schulz: Der ehemalige Präsident des Europäisch­en Parlaments ist Kanzlerkan­didat der SPD geworden.
 ?? (©SIPA) ?? Ehemaliger und neuer SPD-Vorsitzend­er stehen nebeneinan­der im Willy-Brandt-Haus: Sigmar Gabriel geht, Martin Schulz kommt.
(©SIPA) Ehemaliger und neuer SPD-Vorsitzend­er stehen nebeneinan­der im Willy-Brandt-Haus: Sigmar Gabriel geht, Martin Schulz kommt.

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