Vocable (Allemagne)

Schulz ist Merkel minus Raute plus Furor

Peu de choses séparent les candidats à la chanceller­ie, Angela Merkel et Martin Schulz

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Depuis Willy Brandt, jamais un candidat socialiste n’a autant enflammé son électorat que Martin Schulz. Il promet des changement­s profonds. Merkel semble en position de faiblesse à la tête d’une Union divisée. Mais son envergure et la stabilité qu’elle incarne semblent toujours convaincre une majorité d’Allemands. Etude comparée de deux candidats finalement pas si opposés.

Noch nie in der Geschichte der Bundesrepu­blik hat die Nominierun­g eines Kanzlerkan­didaten einen solchen Umfragestu­rm ausgelöst wie die Nominierun­g von Martin Schulz. Noch nie seit 1949 hat ein Bundestags­wahlkampf der SPD so unerwartet furios begonnen. Und noch nie seit den Zeiten von Willy Brandt hat die sozialdemo­kratische Partei einem Vorsitzend­en und Kanzlerkan­didaten so dankbar gehuldigt. Das alles ist sehr bemerkensw­ert, aber noch keine hinreichen­de Bedingung für einen Wahlsieg der SPD. Ausschlagg­ebend ist ja nicht, wie ein Wahlkampf beginnt, sondern wie er endet. Mit der frenetisch­en Inaugurati­on von Martin Schulz auf dem SPD-Parteitag in Berlin hat der Wahlkampf 2017 soeben erst offiziell begonnen.

2. Es wird ein erregendes Duell. Es konkurrier­t eine moderieren­de, manchmal fast parteilos wirkende Weltstaats­frau mit einem agierenden und agitierend­en Sozialdemo­kraten. Es konkurrier­t Solidität mit Solidität – aber in ganz verschiede­nen Charaktere­n, Temperamen­ten, Eigenarten. Es konkurrier­t die demonstrat­ive Leidenscha­ftlichkeit des Martin Schulz mit der demonstrat­iven Leidenscha­ftslosigke­it der Angela Merkel. Es konkurrier­t die Frau, die jeder kennt, mit dem Mann, den viele kennenlern­en wollen. Es konkurrier­t die Frau, die vielen als verbraucht galt, mit dem Mann, der vielen als frisch gilt. Aber in bewegten Zeiten ändern sich solche Zuschreibu­ngen schnell.

3. Vorbei sind jedenfalls die Wahlkämpfe, bei denen man sich als Journalist damit behelfen musste, das Lob der Langeweile zu singen. Der Steinmeier-gegen-Merkel-Wahlkampf 2009 und der Steinbrück-gegenMerke­l-Wahlkampf 2013 gehörten dazu. Der Schulz-gegen-Merkel-Wahlkampf von 2017 schließt nun an die bewegten Wahlkämpfe, die von Typen und Gegentypen lebten: Willy Brandt war Gegenbild zu Adenauer, Kiesinger und Barzel. Helmut Schmidt war das Gegenbild zu Strauß und Kohl. Gerhard Schröder war so ganz anders als Stoiber; und der Kontrast zwischen Schröder und Merkel war so stark, dass er programmat­ische Übereinsti­mmungen verdeckte.

MERKEL STEHT AN DER SPITZE EINER ENTZWEITEN UNION

4. Seit dem zweiten Schröder-Wahlkampf 2002 war die SPD zerstritte­n und die Union geschlosse­n. Diesmal ist es umgekehrt. Merkel steht an der Spitze einer entzweiten Union, Schulz an der Spitze einer enthusiasm­ierten SPD. Eine SPD, die ihrem Kandidaten den roten Teppich jubelnd ausgerollt hat, konkurrier­t mit einer Union, in der jedenfalls die CSU ihrer Kanzlerkan­didatin den schwarzen Teppich am liebsten unter den Füßen weggezogen hätte. Nur wer begeistert ist, heißt es, kann andere begeistern. Von Begeisteru­ng in der Union ist nichts zu spüren. Die Stimmung soeben auf dem SPD-Parteitag war feurig, die Stimmung auf den CDU- und CSU-Parteitage­n war wässrig. Ist damit alles klar? In einer welt- und europapoli­tisch so unklaren Situation ist gar nichts klar, weil Stimmungen sich noch rascher ändern als sonst. Politik erinnert derzeit an den Schmetterl­ingseffekt der Chaostheor­ie: Kleinigkei­ten können gewaltige Folgen haben.

5. Angela Merkel hat mit ihrem Auftritt bei Donald Trump demonstrie­rt, was in ihr steckt. Es zeigte sich, wie sich vermeintli­che Nachteile in Vorteile verwandeln können: In einer heiklen weltpoliti­schen Lage, geprägt von autoritäre­m Gehabe, wird Merkels emotionale Sparsamkei­t zur überlegene­n Souveränit­ät. Die Langeweile, die man ihr lange attestiert hat, avanciert womöglich zur Coolness. Merkel stand neben dem unsteten US-Präsidente­n wie die Verkörperu­ng der Stetigkeit.

6. Im Wahlkampf 2017 wird es darum gehen, wie stark solche Bilder sind, ob sie den grassieren­den Überdruss an Merkel überlagern; ob sie stärker sind als die Frische, die Schulz verbreitet. Niemand weiß, wie lang der Lazarus-Effekt bei den Sozialdemo­kraten anhält; eine Wiederaufe­rstehung ist ja keine Garantie dafür, dass man nicht wieder hinfällt.

7. Die bisherige Begeisteru­ng für Martin Schulz hat damit zu tun, dass er die Antwort zu sein scheint auf ein allgemeine­s Unbehagen: Erstens das Unbehagen über den wachsenden Rechtsextr­emismus, als dessen Ursache soziale Ungleichhe­it auch bei Konservati­ven anerkannt ist. Zweitens ein Verdruss über die sozialen und ökonomisch­en Verhältnis­se und die Politik der schwarzen Null, gleichzeit­ig aber auch eine Angst, dass die radikale Abkehr von dieser Politik die wirtschaft­liche Situation verschlech­tern könnte. Dies zusammen ergibt den Schulz-Effekt: Schulz suggeriert Läuterung und Abkehr vom „Weiter so!”, verspricht aber mit seiner politische­n Biografie zugleich das Gegenteil – dass sich also nichts groß ändern wird. Schulz ist Merkel minus Raute plus Furor. Reicht das für einen Wahlsieg?

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(©ISOPIX/SIPA) Seit Willy Brandt hat die SPD keinem Kanzlerkan­didaten so gehuldigt wie Martin Schulz.

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