Das Heute der Vergangenheit
« Le Temps des immortelles » de Karsten Dümmel, avant pendant et après la Stasi
Dans son nouveau roman “Le Temps des immortelles”, Karsten Dümmel éveille des associations entre rêves et contraintes dans l’Allemagne de l’Est des années 70. Il dessine une réalité entre hier, aujourd’hui et demain, entre le journal intime de son héros et les rapports de la Stasi. En filigrane apparaît une existence sous surveillance pleine de cruauté.
Das Leben des Schriftstellers, Bürgerrechtlers und lange Jahre als Entwicklungshelfer in Afrika tätigen Karsten Dümmel böte Stoff für mehrere Romane. Seine Jugend verlebt er im erzgebirgischen Schlema, später in Gera. Sein Engagement in kirchlichen und staatskritischen Freundeskreisen führt wiederholt zu Studienablehnungen. Er stellt einen Ausreiseantrag, den er bis zu seinem Freikauf in die Bundesrepublik 1988 sechsundfünfzig Mal erneuert. Die Staatssicherheit antwortet mit Zersetzungsmaßnahmen, darunter mit Arbeitsplatzbindung als Fensterputzer und „Stadtarrest“.
2. Einige dieser Abgründe durchziehen Dümmels 2007 erschienenen, in drei Sprachen über- setzten Roman „Nachtstaub und Klopfzeichen“. Es ist ein Roman über die Suche eines jungen Paares nach seinem selbstbestimmten Glück.
MEISTERSCHAFT DER SPRACHE
3. In seinem zweiten Roman geht er jetzt den Spuren von Arno K. aus Ostberlin nach. Der arbeitet als Schichtelektriker in einem DDRStahlwerk. In seiner Hinterhofwohnung notiert er in Tagebüchern die täglichen Begebenheiten. Und er sucht Öffentlichkeit für seine eindrucksvolle, parabelhafte Prosa wie jene, in der eine seltsame Gestalt den Ich-Erzähler höflich, aber bestimmt am Betreten eines Lichtspieltheaters hindert. Es sei geschlossen: „Halt! Hier geht es nicht weiter. Hier ist nichts zu sehen.“Doch als der kauzige Alte ein vermeintliches Erkennungszeichen entdeckt, steht dem Fremden die Tür zu ihrem Geheimbund offen: „Sie sind ein Vertrauter? Dann ist das freilich etwas anderes. Etwas völlig anderes. Dann werden Sie sicherlich längst erwartet...“Die Stasi tritt auf den Plan: Die Vorgangsperson sei im Freundeskreis zu isolieren und die Veröffentlichung seiner Texte mit allem Mitteln zu verhindern.
4. Der Roman überspannt in 33 kurzen Kapiteln fünfzig Jahre in drei Zeitebenen – dem „Gestern“, „Heute“und „Morgen“. Dabei sind das „Gestern“vor allem Arnos unbeschwerte Ferienaufenthalte in Mecklenburg bei der lebenslustigen Großmutter, die als Findelkind bei Zigeunern aufwuchs und heimlich Wahrsagerei betreibt. Im „Morgen“begibt sich Arnos Tochter auf die Suche nach ihrem Vater, den sie nur aus Erzählungen der Mutter kennt. Im „Heute“der 1970er Jahre findet Arno einen ihm heimlich zugesteckten Zettel: Haussuchung heute. Er verbrennt seine Tagebücher im Küchenherd. 5. Doch zuvor liest der Leser mit ihm den Beginn seiner großen Liebe mit Marie-Sophie, der Tochter eines französischen Diplomaten, die als Studentin in Westberlin lebt. Sie besucht Arno, so oft sie kann. Ihre Ansichtskarten aus Paris und Venedig, ihre Briefe aus Afrika eröffnen ihm Welten. Er erfährt von ihrer Schwangerschaft und lebt im Glück, bis Marie-Sophie alle Tagesvisa in die DDR verweigert werden und keine Post mehr ankommt. Arnos Verzweiflung verbucht die Staatssicherheit als Erfolg, und er verschwindet hinter den Mauern der Psychiatrie. 6. „Strohblumenzeit“ist nun nicht mehr nur die wunderbare Zeit der Strohblumenernte bei der Großmutter. „Strohblumenzeit“wird jetzt zu simuliertem Leben jenseits des Lebens. Die besondere Faszination des Romans liegt in der Meisterschaft seiner Sprache, im Wechselspiel zwischen Offizialsprache und der Poesie um die Erinnerungsräume und das Miteinander. Bewusst wird das „Heute“in der DDR nicht auserzählt. Mit diesem stilistischen Kunstgriff bringt der Autor seine Leser dazu, ihr eigenes Kopfkino einzuschalten.