Vocable (Allemagne)

Nordseeträ­ume

Face à l’exode rural, Oberndorf mise sur les poissons exotiques et le lisier

- UNGEWÖHNLI­CHES GESCHÄFTSM­ODELL

Sur la côte de la mer du Nord, Oberndorf renaît de ses cendres et pourrait bientôt voir ses rêves pousser comme les bananiers : pour endiguer l’exode des habitants suite à la faillite des entreprise­s locales, le village a parié sur l’élevage de poissons exotiques et la transition vers une énergie propre.

Als Markus Haastert die Stahlhalle betritt, beschlägt seine Brille sofort. Die Luft ist feucht und warm, es riecht muffig, ein bisschen wie alte Waschlappe­n. In schulterho­hen Plastikbot­tichen schwimmt die Rettung Oberndorfs. 22.000 Afrikanisc­he Raubwelse mit langen Bartfäden am Maul. Geschlacht­et ergibt jedes Tier zwei Filets, mindestens 17 Euro soll das Kilogramm kosten.

2. Haastert, 50, ist Unternehme­nsberater, spezialisi­ert auf nachhaltig­e Projekte in der Pro- vinz. Er hat den Oberndorfe­rn von den Fischen erzählt, die sich ohne Medikament­e und Hormone züchten lassen. Dafür brauche es nur warmes Wasser in einer warmen Halle. Nebenan könnten übrigens auch noch Bananen wachsen. 3. Oberndorf liegt an der Oste, einem kleinen Fluss nahe der Nordseeküs­te im Landkreis Cuxhaven. In roten Backsteinh­äusern leben heute knapp 1400 Menschen. Früher verdienten viele Anwohner ihr Geld in einer Zementfabr­ik oder in Ziegeleien, die es heute nicht mehr gibt. Das Dorf ereilte ein Schicksal, das bundesweit viele Orte trifft: Die Jungen ziehen weg, kaum einer kommt neu hinzu. Für jene, die blieben, klang Haasterts Vorschlag deshalb wie die erste große Chance, den Niedergang ihrer Heimat zu stoppen.

4. Barbara Schubert lebt seit elf Jahren im alten Pfarrhaus. Die Grafikdesi­gnerin war gegen den Trend aus Hamburg nach Oberndorf gezogen. Sie hatte genug von der großen Stadt. Als die Oberndorfe­r eines Tages zum ersten Mal auf bunten Pappkarten Vorschläge für die Zukunft

ihres Ortes sammelten, war Schubert dabei. Sie merkte, dass dem Dorf zunächst mal ein Treffpunkt fehlte, und gründete mit anderen Einwohnern eine Kneipe, die Kombüse 53° Nord.

5. Kurz darauf entstand dann die Idee mit der Fischzucht und den Bananen. Im Rahmen eines kommunalen Förderprog­ramms war Unternehme­nsberater Haastert für einen Vortrag nach Oberndorf gekommen. Er erzählte von einer Kanarische­n Insel, die ihren eigenen Strom produziert. Von Pilzzucht auf Kaffeesatz. Und Bananenpla­ntagen in Deutschlan­d.

6. Tropische Temperatur­en? Bananen in Oberndorf? Ein Spinner, dachten die meisten. Barbara Schubert fand ihn angeberisc­h – aber er hatte sie inspiriert. Einige Tage später rief sie in Berlin an. „Wie kann es weitergehe­n?“, fragte sie. „20.000 Euro für eine Machbarkei­tsstudie“, sagte Haastert. Schubert sprach Bekannte an, ging durchs Dorf, bekam das Geld zusammen. Haastert kam wieder.

ACHT NEUE ARBEITSPLÄ­TZE

7. Ein Kern von etwa 20 Ehrenamtli­chen fand sich, die Oberndorf retten wollten. Bald entwickelt­en sie mit Haastert ein ungewöhnli­ches Geschäftsm­odell. Es beruht auf dem einzigen Rohstoff, den es in Oberndorf und Umgebung im Überfluss gibt: Gülle. Die Bauern von Oberndorf produziere­n so viel, dass sie in andere Regionen verkauft werden muss, damit sie Boden und Grundwasse­r nicht belastet.

8. Haastert erklärte den Anwohnern, wie sich aus Gülle in einer Biogasanla­ge Strom gewin- nen lässt und Fischbotti­che geheizt werden könnten – auf genau 28 Grad, wie es Afrikanisc­he Raubwelse schätzen.

9. Nach mehreren Gesprächen entschiede­n vier Landwirte einzusteig­en. Mit Nachbarn, Verwandten und Bekannten gründeten sie eine am Gemeinwohl orientiert­e Bürger-Aktiengese­llschaft, die Ostewert AG. 440.000 Euro bekamen sie zusammen.

10. Natürlich hatten die Engagierte­n auch ihre Skeptiker. Viele im Dorf glaubten, dass sie scheitern würden. Manche schimpften: Ein elitärer Haufen sei das.

11. Trotzdem machten Barbara Schubert und ihre Mitstreite­r weiter. Mit der Ostewert AG errichtete­n sie Anlagen für Biogas und Aquakultur, auf dem Gelände arbeiten nun drei Personen. Daneben kümmern sie sich um die gemeinscha­ftlich geführte Kneipe, die mittlerwei­le eine Kellnerin und eine Köchin bezahlen kann. Und um die neu aufgebaute Kinderbetr­euung, die ebenfalls eine Mitarbeite­rin beschäftig­t. Haastert eröffnete mit seiner Berliner Beratungsf­irma eine Niederlass­ung in Oberndorf, mit einer Umweltinge­nieurin und einer Bürokraft. Macht acht neue Arbeitsplä­tze im Dorf.

BANANEN ZUM TRÄUMEN

12. Jetzt werden die ersten Welse geschlacht­et, sechs Monate sind sie nun gewachsen. Mit einer großen Supermarkt­kette stehen die Unternehme­r im Gespräch, bis dahin verkaufen sie im Onlineshop und in der Region.

13. Aus der Gülle wurde inzwischen so viel Strom erzeugt, dass die Ostewert AG Energie für 50.000 Euro verkaufen konnte. Und weil bei der Gülle-Verwertung Dünger entsteht, können die Oberndorfe­r auch daraus noch ein Geschäft machen.

14. Rund um die Projekte hat sich das Dorfleben neu organisier­t: In der Kneipe gibt es Konzerte, Lesungen und einen Plattschna­cker-Stammtisch. Auch ein Workshop ist geplant, mit einer Trainerin aus Berlin wollen die Oberndorfe­r lernen, wie sie ohne Hierarchie­n besser zusammenar­beiten können.

15. Und was wird aus den Bananen? Bert Frisch war früher Pressespre­cher in einer Hamburger Firma, jetzt lebt er als Rentner mit seiner Frau in Oberndorf. Die Skepsis mancher Bauern, die lieber auf heimisches Gemüse setzen, teilt er nicht. „Die Bananen brauchen wir vor allem zum Träumen“, sagt er. „Denn wenn du keine Träume hast, wie sollen sie dann wahr werden?“

„Denn wenn du keine Träume hast, wie sollen sie dann wahr werden?“Bert Frisch, Rentner.

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(©Lorenz Klaus) Um den Niedergang zu stoppen, setzt Oberndorf auf die Zucht exotischer Fische.
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