„KALTES KALKÜL“
Froid calcul
Le journaliste et expert du ProcheOrient Markus Bickel est interrogé sur la vente d’armes allemandes à des pays étrangers et la construction d’usines d’armement, notamment en Turquie. Il explique l’itinéraire de ce marché sans scrupules et la difficulté de lutter contre le lobby des armes ancré dans le paysage économique allemand. SPIEGEL: Der Rüstungskonzern Rheinmetall treibt aktuell den Bau einer Panzerfabrik in der Türkei voran — das Land sei ja Nato-Mitglied hieß es. Ist das angesichts der Lage dort naiv oder skrupellos? Markus Bickel: Das ist kaltes Kalkül. Das Abwandern ins Ausland ist Teil der Strategie der deutschen Rüstungsindustrie. Dort werden dann etwa Tochterfirmen oder Joint Ventures gegründet, die deutsche Waffen in Lizenz produzieren.
2. SPIEGEL: Unterläuft das nicht die Ausfuhrkontrolle? Bickel: In gewisser Weise schon – und deshalb redet die Branche auch lieber über die vermeintlich guten Produkte, die sie produziert, wie etwa Radfahrzeuge für Uno-Missionen oder Minen- räumgeräte. Bei der Rüstungssparte von Rheinmetall allerdings entfielen vom 147-MillionenEuro-Gewinn 108 Millionen auf Waffen und Munition.
3. SPIEGEL: Im Jahr 2015, beschreiben Sie in Ihrem neuen Buch*, verkauften deutsche Firmen Rüstungsgüter für 4,8 Milliarden Euro. Exporte im Wert von rund einer Milliarde gingen an Staaten in Nordafrika oder Nahost, die in Kriege wie den im Jemen verwickelt sind. Wie ist das möglich? Bickel: Diktaturen wie Saudi-Arabien werden von deutschen Politikern gern als Stabilitätsanker gepriesen. Dabei wirft inzwischen sogar der BND der dortigen Regierung eine aggressive Interventionspolitik vor. 4. SPIEGEL: Würde es helfen, wenn die EU restriktivere Waffenexportbestimmungen beschließt? Bickel: Das müsste politisch erkämpft werden, erscheint derzeit aber illusorisch. Die Rüstungslobby ist gut vernetzt. Zudem gibt es ja einen „Gemeinsamen Standpunkt“der EU, der Exporte in Krisengebiete beschränken soll. Dazu kommt: Das Totschlagargument „Wenn wir es nicht tun, machen es andere“ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Bitterarme Länder wie der Sudan verfügen inzwischen über eine erstaunliche Rüstungsindustrie.
* Markus Bickel: „Die Profiteure des Terrors. Wie Deutschland an Kriegen verdient und arabische Diktaturen stärkt“. Westend.