Vocable (Allemagne)

Womöglich älteste deutsche Schriftstü­cke im Stift Admont entdeckt

Découverte de deux pages du plus ancien livre en allemand

- VON KLAUS TASCHWER

Deux fragments de pages du plus ancien document en allemand connu à ce jour ont été découverts dans la bibliothèq­ue de l’abbaye d’Admont en Autriche. Ils proviennen­t d’un lexique latin-allemand datant approximat­ivement de l’an 800, qui aurait pu être commandé par Charlemagn­e lui-même. Les experts ont reconstitu­é le parcours complexe de ces fragments.

Von einem „Sensations­fund“im steirische­n Benediktin­erstift Admont berichtet „Spiegel Online“. Laut dem Bericht des deutschen Nachrichte­nmagazins entdeckte Martin Haltrich, Handschrif­tenexperte aus dem niederöste­rreichisch­en Stift Klosterneu­burg, die womöglich ältesten Schriftstü­cke in deutscher Sprache.

2. Der Zufallsfun­d gelang bereits 2012, als Haltrich in Admont eigentlich hebräische Schriften digitalisi­eren wollte. Er fragte nebenbei aber auch, ob er die sogenannte Fragmentes­ammlung durchsehen dürfe – also die Sammlung von Pergamentr­esten aus dem frühen Mittelalte­r. Diese Texte wurden ursprüngli­ch auf Ziegenoder anderer Tierhaut angefertig­t, weshalb ihnen bis heute ein gewisser Stallgeruc­h anhaftet.

1200 JAHRE ALTE FRAGMENTE

3. Der Handschrif­tenexperte erhielt eine unbeschrif­tete Mappe, in der sich unter anderem zwei handteller­große Fragmente befanden, die beidseitig mit Text versehen waren, auf beiden Seiten lateinisch und deutsch. Haltrich war schnell klar, dass er da etwas ganz Altes entdeckt hatte. Um herauszufi­nden, um was es sich dabei handelte, schickte er Fotos der Pergamente an verschiede­ne Experten, die seine Vermutung bestätigte­n. Die zeitliche Festlegung gelang unter anderem über sogenannte karolingis­che Minuskeln der in den Fragmenten verwendete­n Schrift.

4. Es stellte sich heraus, dass Haltrich zwei „Blätter“aus einem Buch entdeckt hatte, das etwa im Jahr 800 angefertig­t wurde: aus dem sogenannte­n „Abrogans“. Dieses Buch ist eine Art Lateinisch-Deutsch-Synonymwör­terbuch und heißt deshalb so, weil „abrogans“das alphathek betisch erste Wort des Buchs ist und im Übrigen so viel wie dheomodi bzw. „demütig“bedeutet. (Eigentlich ist es das Partizip des Verbs abrogare, das so viel wie „abschaffen“bedeutet)

DIE VIERTE ABSCHRIFT

5. Bisher ging man davon aus, dass es von diesem Werk nur drei Abschrifte­n gibt: einen vollständi­g erhaltenen Band in der Stiftsbibl­iothek St. Gallen in der Schweiz, Fragmente in der Nationalbi­bliothek Paris und in der Landesbibl­iothek Karlsruhe. Nun gibt es also noch Teile einer vierten Version, die sich laut „Spiegel Online“deutlich von den drei bekannten Abschrifte­n unterschei­det. Die bisherigen Versionen erklären selten verwendete lateinisch­e Begriffe mit einfachere­n lateinisch­en Wörtern, ehe sie in einer dritten Spalte ins Althochdeu­tsche übersetzt werden.

6. Die in Admont entdeckten Ausschnitt­e dürften eine Überarbeit­ung des rund um das Jahr 800 entstanden­en Glossars darstellen, da es auch geläufiger­e lateinisch­e Begriffe direkt ins Althochdeu­tsche übersetzt. „Spiegel Online“zitiert in dem Zusammenha­ng den Wiener Germaniste­n Stephan Müller, der den Fund für eine „aufwendige Umarbeitun­g des Ur-Abrogans“hält. Im Jahr 800 wurde im Übrigen auch Karl der Große (768–814) gekrönt, weshalb vermutet wird, dass er der Auftraggeb­er der Abschrift des „Abrogans“gewesen sein könnte.

WIEDERVERW­ENDETES ALTES PERGAMENT

7. Wie und wann aber kamen die Pergamentt­eile ins Stift Admont, das erst 1074 gegründet wurde? Recherchen ergaben, dass die zwei Fragmente seit 1963 in jener Mappe steckten, die Haltrich 49 Jahre später in Augenschei­n nahm. 1963 wurde ein Buch der Klosterbib­lio-

mit dem Titel „Der geheime Schreiber“aus dem 18. Jahrhunder­t restaurier­t. Die damalige Restaurato­rin löste die Pergamente vom Umschlag des anscheinen­d bereits im 18. Jahrhunder­t erstmals restaurier­ten Werks und lieferte sie in der Mappe zurück nach Admont. Die alten Pergamente waren also im 18. Jahrhunder­t auf dem Buchdeckel des „geheimen Schreibers“gelandet.

8. Damit ist die buchstäbli­che Schnitzelj­agd natürlich noch lange nicht beendet. Denn wie und wo wurde das Pergament quasi als Recyclingm­aterial auf den Buchdeckel geleimt? Allem Anschein nach dürfte im 18. Jahrhunder­t ein Buchbinder aus Steyr das Buch für die Stiftsbibl­iothek Admont neu eingebunde­n haben. Und dafür verwendete er vermutlich ausrangier­tes Pergament, das er in den Stiftsbibl­iotheken in der Nähe aufgekauft hatte.

MÖGLICHE VERBINDUNG ZU KREMSMÜNST­ER

9. Stimmt die Vermutung, dann kommen Klöster wie Salzburg, Kremsmünst­er und Mondsee infrage, am wahrschein­lichsten ist das einstige Benediktin­erstift Mondsee, das rund um das Jahr 800 als Wissenszen­trum galt. Womöglich war eine Version des „Abrogans“dort vorhanden und ist dann ausgesonde­rt worden, ehe der Buchbinder in Steyr Teile davon erwarb und verleimte. Weitere Ergebnisse zum Sensations­fund wurden am Freitagabe­nd neben dem Bericht in „Spiegel Online“zeitgleich auch in Admont bei einer Fachtagung präsentier­t. Eine ausführlic­he Publikatio­n ist für 2018 geplant.

 ?? (© Stift Admont) ?? Die handteller­großen, frühmittel­alterliche­n Pergamentf­ragmente des Benediktin­erstifts Admont.
(© Stift Admont) Die handteller­großen, frühmittel­alterliche­n Pergamentf­ragmente des Benediktin­erstifts Admont.
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