Was ist gut und was ist böse?
Mariette Rissenbeek nous parle du Festival du film allemand de Paris
Cela fait maintenant 15 ans que Mariette Rissenbeek, directrice générale de German Films, organise le Festival du cinéma allemand de Paris, qui se tiendra cette année du 4 ou 10 octobre. Elle évoque avec nous les attentes du public, les tendances.
Vocable: Mariette Rissenbeek, seit wann leiten Sie das Deutsche Filmfestival in Paris? Mariette Rissenbeek: German Films organisiert seit 22 Jahren das Deutsche Filmfestival in Paris. Ich selbst bin jetzt seit 15 Jahren bei German Films und auch für dieses Festival verantwortlich.
2. Vocable: Welchen Unterschied sehen Sie zwischen dem französischen und dem deutschen Kino? Rissenbeek: Das ist eine gute Frage. Über die Jahre hat man in Deutschland sehr unterschiedliche französische Filme im Kino gesehen. Das reicht von Komödien und Unterhaltungsfilmen, die ein großes deutsches Publikum anziehen, bis hin zu sehr anspruchsvollen Filmen von Regisseuren wie Michael Haneke oder François Ozon. Bei deutschen Filmen in Frankreich ist es ähnlich. Wobei deutsche Autorenfilme, die im Ausland erfolgreich sind, oft historische Geschichten thematisieren. Das deutsche Publikum dagegen interessiert sich weniger für deutsche Geschichte auf der Kinoleinwand. In Deutschland sind vor allem Komödien sehr erfolgreich. Im Grunde wird also in Deutschland und in Frankreich die gleiche Art von Filmen gezeigt. Tendenziell reisen die französischen Komödien vielleicht etwas leichter ins Ausland als die deutschen Komödien.
3. Vocable: Letztes Jahr gab es viele Filme mit starken Frauenfiguren: „Paula”, „Grüße aus Fukushima”, „Das Tagebuch der Anne Frank”, „Wild”. Was ist dieses Jahr der thematische Schwerpunkt? Rissenbeek: Wenn ich sehe, welche Filme wir im Programm haben, würde ich den Schwerpunkt als Frage formulieren: Was ist gut und was ist böse? Und: Wo ist die Trennlinie zwischen Gut und Böse unscharf? So zum Beispiel im Film „Western“von Valeska Grisebach, der in Cannes lief. Der Film erzählt von deutschen Bauarbeitern, die nach Bulgarien geschickt werden. Wir konnten auch „Der Hauptmann“für unser Festival gewinnen, einen Film, der seine Weltpremiere in Toronto feierte. Der Film lotet aus, inwieweit Deutsche im Zweiten Weltkrieg böse waren. Und in „Nebel im August“geht es um Euthanasie im Dritten Reich.
4. Vocable: Die Thematik Gut / Böse erinnert an den TV-Film „Terror“von Lars Eidinger. Hier soll das Publikum nach einer Gerichtsverhandlung selbst entscheiden, ob die Hauptperson schuldig oder unschuldig ist. Rissenbeek: Genau. Es soll ein Attentat mit einem Flugzeug auf ein Stadion verübt werden. Der Pilot trifft die persönliche Entscheidung, das Flugzeug abzuschießen, weil er damit 40.000 Menschen im Stadion das Leben rettet. Aber er tötet die 200 Passagiere im Flugzeug. Auf den ersten Blick scheint das so klar zu sein: Wenn man 40.000 Leben rettet, ist der Tod von 200 Menschen gerechtfertigt... Aber es ist natürlich ein ethisches Dilemma. Kann man Menschenleben gegeneinander aufrechnen? Ist es nicht vielmehr
so, dass jedes einzelne Menschenleben zählt? Diesen Konflikt behandelt der Film.
5. Vocable: Und wie endet der Film? Rissenbeek: Das entscheidet das Publikum. Es gibt zwei Enden. Es gibt ein Ende, wo der Richter ihn für schuldig befindet und es gibt ein Ende, wo der Richter ihn für unschuldig befindet. In beiden Fällen gibt es eine Urteilsbegründung und beide klingen schlüssig.
6. Vocable: Welche weiteren Filme werden dieses Jahr gezeigt? Rissenbeek: Wir haben auch noch den tollen Berlinale-Wettbewerbsbeitrag „Helle Nächte“von Thomas Arslan, eine Vater-SohnGeschichte. Ein Vater sucht die Annäherung an seinen Sohn. Das ist sehr schön inszeniert und der junge Darsteller Tristan Göbel spielt ausgezeichnet. Außerdem zeigen wir noch einen anderen Berlinale-Film, „In Zeiten des abnehmenden Lichts“, der in der ehemaligen DDR kurz vor der Wende spielt. Auch ein Film, der sich mit Fragen auseinandersetzt wie: „Was darf der Staat? Was darf er nicht? Wo sind die Grenzen? Wer ist gut und wer ist böse?“. Er ist mit tollen Schauspielern besetzt wie Bruno Ganz oder Alexander Fehling. Im Programm ist auch „Marija“von Michael Koch. Dieser Film lief letztes Jahr in Locarno im Wettbewerb. Eine junge Frau, eine Ukrainerin, hält sich in Berlin mit Putzjobs über Wasser. Sie rutscht in gefährliche Situationen, weiß sich aber zu wehren und geht gestärkt aus den Gefahren hervor. „Drei Zinnen“ist eine Vater-Stiefsohn-Geschichte. In einer Patchwork-Familie versucht der neue Freund einer Frau deren Sohn für sich zu gewinnen, der Sohn ist ihm aber abgeneigt und sucht die Nähe seines leiblichen Vaters. Solche Themen beschäftigen vor allem junge Regisseure und Regisseurinnen.
7. Vocable: Nach welchen Kriterien suchen Sie die Filme für das Festival aus? Rissenbeek: Zunächst stellen wir eine Auswahl von ungefähr 40 Filmen zusammen. Das müssen Filme sein, die entweder in Deutschland im Kino erfolgreich waren oder sehr gute Kritiken in internationalen Zeitungen hatten oder schon bei einem ausländischen Festival gezeigt wurden. Aus diesen 40 Filmen, die diesen Kriterien entsprechen, sucht eine französische Jury die zehn Filme aus, die wir dann zeigen. Diese Jury kann ganz frei entscheiden, nach welchen Kriterien sie die Filme auswählt.