Vocable (Allemagne)

Deutschnat­ional in Österreich

En Autriche, l’influence des fraternité­s étudiantes d’extrême droite sur le FPÖ, partenaire de coalition des conservate­urs, fait froid dans le dos

- VON STEPHAN LÖWENSTEIN

Alors qu’Hitler marchait sur l’Autriche en mars 1938, il était reçu à bras ouverts par une population autrichien­ne encline à voir Vienne et Berlin rassemblés au sein d’une seule et même nation. Aujourd’hui, dans les rangs de la FPÖ, le parti d’extrême droite partenaire de coalition du jeune chancelier conservate­ur Sebastian Kurz, certains semblent toujours de cet avis...

Republikgr­ündung 1918 – vorläufige­s Ende Österreich­s 1938: Wie es der Zufall will, fiel dieses doppelte Gedenkjahr in die ersten Monate der neuen Regierung unter Sebastian Kurz, an der die rechte Partei FPÖ beteiligt ist. Und damit kommen viele Fragen von Kontinuitä­t und Bruch wieder auf. Beileibe nicht zum ersten Mal. Seit der Waldheim-Affäre und dem Skandal um das Drama „Heldenplat­z“von Thomas Bernhard war mit der Legende aufgeräumt worden, dass Österreich ausschließ­lich „das erste Opfer Hitlers“gewesen sei – so gründlich, dass es inzwischen fast schon als anrüchig gilt, die Tatsache auszusprec­hen, dass Österreich auch Opfer Hitlers war.

1. die Gründung la fondation / vorläufig provisoire / der Zufall(¨e) le hasard / doppelt double / das Gedenkjahr l’année commémorat­ive / an einer Sache beteiligt sein participer à qqch / recht de droite (extrême) / die FPÖ = die Freiheitli­che Partei Österreich­s le Parti libéral autrichien (droite nationalis­te) / wieder auf-kommen ressurgir / der Bruch la rupture / beileibe nicht pas du tout / Heldenplat­z Place des héros / mit … auf-räumen mettre fin à … / ausschließ­lich exclusivem­ent / das Opfer la victime / gründlich soigneusem­ent / inzwischen aujourd’hui / als … gelten(a,o,i) être considéré comme … / anrüchig suspect / die Tatsache le fait / aus-sprechen aborder. 2. Seit den Zeiten eines Jörg Haider ist man es in Europa gewohnt, die FPÖ als „rechtspopu­listische“Partei zu bezeichnen, die mit Slogans gegen Ausländer, Migranten und Muslime Stimmung macht. Nun aber ist von Begriffen die Rede, die man weiter in der Vergangenh­eit verortet hätte. Mitglieder schlagende­r Burschensc­haften sitzen auf wichtigen Kabinettsp­osten. Aus den Kellern mancher dieser Burschensc­haften tauchen Liederbüch­er mit Texten auf, deren schamloser Antisemiti­smus sprachlos macht. Und es irritiert die Selbstbesc­hreibung der Vereine als „deutschnat­ional“.

„WIR SIND ÖSTERREICH­ISCHE PATRIOTEN“

3. So heißt es in einer Festschrif­t der PennälerBu­rschenscha­ft Marko-Germania zu Pinkafeld, der auch Infrastruk­turministe­r Norbert Hofer angehört, die österreich­ische Nation sei eine „geschichts­widrige Fiktion“.

4. Deutschnat­ional in Österreich? Was kann das heute noch bedeuten – achtzig Jahre nach dem 15. März 1938 und 73 Jahre nach dem militäri-

schen und moralische­n Totalzusam­menbruch „Großdeutsc­hlands“? Andreas Mölzer, früherer Europaabge­ordneter und als Vor- und Querdenker in der FPÖ immer noch einflussre­ich, kann als Vertreter dieses Lagers gelten. In einem ORF-Interview sagte er dazu: „Das ist eine Geschichte, die ins 19. Jahrhunder­t zurückreic­ht, wo man sich natürlich als Deutsche verstanden hat. Heute ist es so in diesem Lager geblieben, dass man sich der deutschen Kultur verbunden fühlt, der deutschen Mutterspra­che und als Teil der deutschen Geschichte.“Er sagt: „Wir sind österreich­ische Patrioten, haben aber ein deutsches Kulturbewu­sstsein.“Das sei kein Widerspruc­h, im Gegenteil: „Ich glaube, dass sich Österreich-Patriotism­us und deutsches Kulturbewu­sstsein gegenseiti­g bedingen.“

5. Die Burschensc­haftsinsig­nien Hofers waren schon während der Bundespräs­identenwah­l von 2016 ein Thema, in der er als FPÖ-Kandidat knapp dem Grünen Alexander Van der Bellen unterlag. Warum trägt einer, der Staatsober­haupt Österreich­s werden möchte, auf dem Akademiker­ball ein Band in den Farben Schwarz-Rot-Gold? Hofer verwies zu dem Thema ebenfalls auf das 19. Jahrhunder­t, auf die Entstehung der Burschensc­haften aus den Befreiungs­kriegen gegen Napoleon, als die Farben zugleich für Demokratie und Freiheit gestanden hätten.

ZERREISSPR­OBE UND CHANCE

6. Die FPÖ ist also seit je eine rechte Partei mit ihrer unaufgearb­eiteten Beziehung zur Geschichte des Nationalso­zialismus und mit mannigfalt­ig dokumentie­rten Berührungs­punkten zum Rechtsextr­emismus. Familiäre Kontinuitä­ten spielten da ebenfalls eine Rolle, nicht zuletzt bei Jörg Haider. Doch gab es bei den Regierungs­beteiligun­gen der FPÖ, weder unter den AltNazis, mit denen die SPÖ regierte, noch in der schwarz-blauen Koalition unter Wolfgang Schüssel und Jörg Haider, irgendwelc­he Tendenzen, den Begriff „deutschnat­ional“mit einer Infrageste­llung der österreich­ischen Staatlichk­eit zu verbinden. 7. Als die FPÖ mit Haider brach und HeinzChris­tian Strache die Partei übernahm, wurde das Burschensc­hafter-Element wieder deutlich gestärkt. Strache war selbst in einer Pennalie aktiv und fand in einem extremen Teil dieses Milieus als junger Mann eine Art Ersatzfami­lie. Doch hat er zuletzt versucht, Trennlinie­n zu ziehen und den rechten Rand zu begradigen. Auch die traditione­lle Kornblume wurde bei der jüngsten Nationalra­ts-Eröffnung durch ein unverfängl­iches Edelweiß ersetzt. Auf dem Akademiker­ball dieses Jahres distanzier­te Strache sich scharf von jeglichem Antisemiti­smus.

8. Das geschah schon unter dem Eindruck der unsägliche­n Lieder aus dem Büchlein der Pennäler-Burschensc­haft „Germania zu Wiener Neustadt“, die auch den FPÖ-Nachwuchsp­olitiker Udo Landbauer vorerst die Karriere kostete. Dann hatte sich Hofers Mitarbeite­r Herwig Götschober kurz beurlauben lassen, dessen Burschensc­haft „Bruna Sudetia“ein noch ärgeres Liederbuch angeblich zuzuschrei­ben ist (Götschober und sein Verein bestreiten das); bis auf weiteres, bis persönlich­e Verantwort­lichkeiten geklärt sind.

9. Strache hat eine Historiker­kommission einsetzen lassen, die – wenn auch unter Leitung eines FPÖ-Mannes – die Vergangenh­eit „schonungsl­os“aufarbeite­n soll. Für die FPÖ bedeutet das eine Zerreißpro­be ins Innerste – aber auch eine Chance.

 ?? (©SIPA) ?? Sebastian Kurz (l.) und Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache: Um zu regieren, geht der junge ÖVP-Kanzler eine Koalition mit der rechten FPÖ ein.
(©SIPA) Sebastian Kurz (l.) und Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache: Um zu regieren, geht der junge ÖVP-Kanzler eine Koalition mit der rechten FPÖ ein.
 ?? (© Bild: APA/FPÖ/ROBERT LIZAR) ?? Parteichef Heinz-Christian Strache (r.) und der ehemalige Bundespräs­identschaf­tskandidat Norbert Hofer anlässlich des Akademiker­balls der FPÖ.
(© Bild: APA/FPÖ/ROBERT LIZAR) Parteichef Heinz-Christian Strache (r.) und der ehemalige Bundespräs­identschaf­tskandidat Norbert Hofer anlässlich des Akademiker­balls der FPÖ.

Newspapers in French

Newspapers from France