Klimts Frauen verraten uns die Wahrheit über die Männer
Faut-il voir dans la féminité déclinée par Klimt la domination ou la faillite des hommes ?
La beauté féminine joue un rôle central dans l’oeuvre de Gustav Klimt. Entre femme fragile et femme fatale, le maître de la Sécession a déployé tout au long de son oeuvre une palette de féminité haute en couleur, soulignant parfois la domination des hommes, mais surtout une certaine crise de la virilité propre à son époque. A l’occasion de l’ouverture de l’«Atelier des Lumières» à Paris, immergez-vous tout entier dans l’univers bigarré du maître viennois.
Kein anderer moderner Künstler hat weibliche Schönheit so gefeiert wie Gustav Klimt. Seine Frauenbilder, vor allem „Judith I“und „Judith II“sowie das „Bildnis Adele Bloch-Bauer I“sind zu Sinnbildern der Weiblichkeit in der modernen Kunst und zugleich massenmediale Werbeträger geworden: sinnlichlasziv und ikonenhaft starr, wie sie sind. Klimts Berühmtheit lässt leicht vergessen, dass dieser vor hundert Jahren gestorbene Künstler von Anfang an umstritten war.
2. Mit typischer Wiener Häme hiess es von seinem Bloch-Bauer-Porträt, das 2006 für 135 Millionen Dollar versteigert wurde: „Mehr Blech als Bloch“, was sich auf die üppige Goldglanzdekoration des auch als „Goldene Adele“bekannten Werks bezog. Tatsächlich war Klimt von seiner Ausbildung her Dekorateur und Kunstgewerbler.
3. Da er in seinem Burgtheater-Bild die Zelebritäten der feinen Wiener Gesellschaft gemalt hatte, erhielt er zunehmend Porträtaufträge. Es war der Beginn einer künstlerisch und finanziell fruchtbaren Allianz Klimts mit Herrscherhaus, Adel und Grossbourgeoisie. Klimts Kunst war Repräsentationskunst – und sollte staatstragender Identitätsbildung dienen.
„DAS WEIB IST NATUR“
4. Das Secessionspalais war eine seltsame Mischung aus Funktionsgebäude und Tempel, gekrönt von einer goldenen Lorbeerkuppel. Zur Eröffnung der ersten Secessionsausstellung am 6. April 1898 erschien seine kaiserliche Majestät höchstpersönlich, nachdem die führenden Secessionsmitglieder ihn „ehrfurchtsvoll“um die „allergnädigste Huld“eines Besuchs gebeten hatten.
5. Die Schau wurde künstlerisch und finanziell ein Erfolg. Sie war die erste einer langen Reihe glanzvoller Ausstellungen, mit welchen die Secession versuchte, Anschluss an die europäische Avantgarde zu finden – ohne freilich allzu viel von ihr zu übernehmen. Es sollte „österreichische Schönheit“(Hermann Bahr) bleiben. 6. Der Unterschied zu Berlin und insbesondere zu Paris liegt auf der Hand. In Berlin lehnte Kaiser Wilhelm II. jegliche künstlerische Modernisierung ab. In Paris war es undenkbar, dass die Avantgarde mit staatlicher Förderung einen Kunsttempel errichten würde. Abgesehen davon, dass diese Künstler Mühe hatten, ihre Bilder zu verkaufen, waren viele der Neoimpressionisten wie Pissarro, Signac, Luce oder Seurat und Symbolisten anarchistisch gesinnt. Avantgardistische Kunst vertrug sich in Paris nicht mit Staatstreue.
DIE KUNST ALS ABWEHRZAUBER
7. Man hat das Wiener Fin de Siècle als Epoche einer „Krise der Männlichkeit“bezeichnet, nicht zuletzt durch die zunehmende Emanzipation der Frauen bedingt. Einerseits rückte die Frau in den Mittelpunkt des literarischen und künstlerischen Interesses, anderseits gab es eine Gegenbewegung zur „Verweiblichung“der Kunst, eine Art „männlichen Protests“(Alfred Adler). Extremer Exponent dieser Tendenz war der Philosoph Otto Weininger, dessen exzentrisches Werk „Geschlecht und Charakter“(1903) zu einem Bestseller und einem Kultbuch wurde. Weiningers Buch ist geprägt durch Abwertung des Weiblichen bei gleichzeitiger Betonung von dessen erotischer Gefährlichkeit. Das „Weib“ist „Natur“, zu der es den Mann herabziehen will. Der Mann muss deshalb asketisch, sexuell enthaltsam werden.
8. Auch im Werk Klimts finden wir derartige Gedanken wieder: die Ambivalenz von erotischer Verführung und Gefährlichkeit der Frau, ihre Reduktion auf Natur und ihre Spaltung in mütterliche Ikone und Lustobjekt. Die Frauenfrage und die Frage nach der weiblichen Erotik wurde solcherweise ästhetisiert und entschärft: Kunst als Abwehrzauber. Auf sexuelle Enthaltsamkeit hat Klimt freilich verzichtet.
9. Am deutlichsten ist Klimts Bezug auf ein restauratives Frauenbild in zwei zur selben Zeit geschaffenen Bildern, „Danaë“und „Der Kuss“, beide 1907/1908 entstanden. Klimt hat die mythologische Figur der Danaë, die von Zeus in Gestalt eines Goldregens begattet wird, aus ihrem historischen Zusammenhang herausgerissen, sie als weibliches Wesen gezeigt, das sich einer passiv-lasziven, allein auf den Mann bezogenen Sinnlichkeit hingibt. „Der Kuss“wurde lange Zeit als harmonische Vereinigung der Geschlechter verklärt. Einer genaueren Betrachtung hält dies nicht stand.
10. Der Mann dominiert durch seine Grösse, die Frau wirkt passiv, fast somnambul, zugleich auch abgewandt, ihr Kopf wird von den Händen des Mannes in eine geradezu unnatürliche Haltung gedrückt. Ihre Passivität wird dadurch verstärkt, dass sie vor ihm kniet. Der Geschlechtsunterschied wird stereotyp durch schwarze und weisse Rechtecke auf dem Gewand des Mannes, Blumen auf dem der Frau markiert. Zugleich zeigt das Bild, dass beide am Rande eines Abgrunds knien, die Harmonie also prekär ist. Einige Betrachter haben in der aufragenden Goldfassung des Paars ein Phallussymbol ent-
Man hat das Wiener Fin de Siècle als Epoche einer „Krise der Männlichkeit“bezeichnet.
deckt, was den Eindruck männlicher Dominanz noch verstärkt.
11. Klimt hatte zumindest mit zwei seiner Porträtierten aus grossbürgerlichen Kreisen eine sexuelle Beziehung, mit Adele Bloch-Bauer und mit Rose von Rosthorn-Friedmann. Letztlich zog Klimt offenbar aber doch die jungen Wiener Mädel, die sein Atelier bevölkerten, den SocietyDamen vor. Er hat angeblich mit diesen Frauen, zumeist aus der Unterschicht, vierzehn Kinder gezeugt, von welchen drei offiziell anerkannt wurden. Es war kein Geheimnis, dass seine jungen Modelle sich splitternackt in seinem Atelier tummelten, stets bereit vom Meister gemalt, gezeichnet oder mit erotischer Aufmerksamkeit bedacht zu werden.
ZIEL FEMINISTISCHER KRITIK
12. Die «süssen Mädel» sind eine weitere Metamorphose des Weiblichen, die Klimt geschaffen hat. Seine 4000 Zeichnungen beschäftigen sich vorwiegend mit jungen Aktmodellen. Die Frauen werden als Objekte des männlichen Blicks gezeichnet, nackt, zumeist in lasziven Posen, häufig mit gespreizten Beinen, das Geschlecht realistisch sichtbar.
13. Bleibt die Frage, wie sehr sich das Frauenbild seit Klimts Zeiten geändert hat. Es verwundert jedenfalls wenig, dass das Werk Klimts auch schon Ziel feministischer Kritik geworden ist. Stein des Anstosses war dabei zumeist nicht die Darstellung des weiblichen Körpers per se, den Klimt mit betörendem sinnlichem Schmelz gemalt oder gezeichnet hat. Angeklagt wurde vielmehr der voyeuristische Blick, der die Frau zum passiven Objekt macht. Heute, im Zeitalter des Neopuritanismus, der die künstlerische Darstellung von Sexualität zunehmend Kriterien politischer Korrektheit unterwerfen will, könnte sich die Kritik an Klimts Kunst noch einmal radikalisieren. Dann würden wohl bald Stimmen laut, welche die Entfernung so mancher seiner erotischen Bilder aus den Museen forderten.