„DAS JÜNGSTE KIND IST MEIST DER QUERDENKER“
Gerhard Jorch, neuropédiatre à la clinique universitaire de Magdebourg et père de 9 enfants nous parle des fratries et de leur influence sur le développement d’un enfant. Il nous explique pourquoi le petit dernier d'une famille nombreuse a souvent un esprit plus libre et anticonformiste que les autres.
SPIEGEL: Herr Professor Jorch, Sie halten Großfamilien für einen Segen. Aber werden nicht längst die meisten Kinder ohne mehrere Geschwister groß? Gerhard Jorch: Keineswegs. Es gab im Jahr 2016 in Deutschland mehr Kinder, die mit zwei oder mehr Geschwistern aufwuchsen, als Einzelkinder. Bei zwölf Prozent der Familien hierzulande lebten sogar mindestens drei Kinder. Trotzdem denken viele Menschen beim Thema Kinderreichtum erst einmal an Armut, Chaos und Jugendamt. Das wollen wir Kinder- und Jugendmediziner ändern.
2. SPIEGEL: Was unterscheidet Kinder mit vielen Geschwistern von ihren Altersgenossen aus Kleinfamilien? Jorch: Aus der Geschwisterforschung wissen wir, dass sich erste Kinder oft angepasst und regelkonform verhalten; bei vielen Geschwistern ist das jüngste Kind meist der Querdenker, bereit, zu neuen Ufern aufzubrechen. Unsere Gesellschaft braucht dieses Potenzial der Kreativen und Unangepassten. Wer mit vielen älteren Geschwistern aufwächst, wird zum Teil auch von denen mit erzogen. Die machen das ganz anders als Eltern.
3. SPIEGEL: Und das ist gut für die Kinder?
Jorch: Ja, denn sie müssen vielleicht mehr warten und verzichten, aber sie lernen auch das Vertrauen in eigene Fähigkeiten und darauf, dass am Ende alles gut wird. Eine Mutter von fünf, sechs Kindern kann nicht jedes einzelne von morgens bis abends überwachen. Außerdem ist die Beziehung zu den eigenen Geschwistern meist die längste, die man im Leben hat. Welche andere Beziehung kann locker 70, 80 Jahre andauern?
4. SPIEGEL: Die meisten Eltern hätten heutzutage wohl Angst, mit mehr als zwei Kindern nicht mehr arbeiten zu können.
Jorch: Auch das sollte sich ändern. Ich habe zum Beispiel selbst schon wichtige Uni-Sitzungen verlassen, weil ich meine Kinder abholen musste. Das muss normaler werden. Als Arbeitgeber beobachte ich, dass meine jungen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen häufiger viele Kinder bekommen, als das in den vergangenen Jahrzehnten der Fall war. Mir als Chef ist eine Schwangerschaft lieber als eine Midlife-Crisis. Bei der Schwangerschaft weiß ich, wie lange sie dauert.
Unsere Gesellschaft braucht dieses Potenzial der Kreativen und Unangepassten.