Vocable (Allemagne)

Sie sind überall

Pourquoi les mythes et légendes germanique­s sont-ils si présents dans les séries et films actuels ?

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Gut und böse, richtig und falsch sind deutlich markiert, jeder hat seinen Rang und weiß, was er zu tun hat.

Des séries comme “Game of Thrones” ou “Vikings”, des films comme “Le Seigneur des Anneaux” ou “Thor” sont remplis de références aux mythes et légendes germanique­s. Pourquoi ces thèmes ont-ils un tel succès, également dans la musique et dans des manifestat­ions dédiées ? La FAZ a interrogé à ce sujet Niels Penke, chercheur en philologie­s germanique et scandinave spécialist­e des cultures populaires. FAZ: Welche Rolle spielen die sogenannte­n Germanen in der Pop-Kultur? Niels Penke: Sie spielen sehr viele Rollen. Egal ob in Film, Musik, Roman, Comic oder bei lebenswelt­lichen Events – die Germanen sind überall.

2. FAZ: Es fällt auf, dass die Germanen und ihre Götter in Filmen der letzten Zeit überaus erfolgreic­h sind: „American Gods”, „Vikings”, Marvels „Thor”, „Herr der Ringe / Hobbit”. Was macht die Germanen so anziehend? Penke: Die Serien, die Sie gerade genannt haben, sprechen, glaube ich, ein unterschie­dliches Klientel an. „American Gods“in seiner postmodern­istischen, metareflex­iven Art, wie dort mit Mythenbild­ung und -adaption umgegangen wird, ist etwas ganz anderes als „Vikings“. Diese letzte Serie ist wahrschein­lich so besonders beliebt, weil sie eine nahtlose Erzählung liefert mit heroischen Figuren, die dem entspreche­n, was man sich unter wilden Wikinger-Kriegern vorstellt, und darüber ganz allgemein Grundfrage­n menschlich­en Daseins thematisie­rt. Es geht um Familie, es geht um Rivalität zwischen Brüdern – das alles in einem stimmig gemachten historisch­en Korsett. Das Ganze spielt in einer Art SuperMitte­lalter, in dem eine Menge real-historisch­er Ereignisse mit literarisc­hen Fiktionen verschränk­t werden zu einer extrem spannungsu­nd handlungsr­eichen Erzählung.

3. FAZ: Wie wichtig war Tolkien? Welche Stoffe hat er aus der altnordisc­hen Literatur übernommen, was hat er erfunden an Elementen, die man heute für germanisch halten könnte? Penke: Tolkien ist in seiner Wirkung kaum zu überschätz­en, vor allem für das gesamte Fantasy-Genre. Tolkien hat sich als Philologe hauptberuf­lich über Jahrzehnte hinweg mit mittelalte­rlicher Literatur beschäftig­t, auch als Übersetzer. Und viele Versatzstü­cke aus diesen Texten klingen in seinen eigenen an. Wir schlagen den „Hobbit“auf und stoßen als erstes auf Runen, aber dann auch auf Namen von Figuren und Orten, die wir von anderer Stelle her kennen. Zudem verfolgte Tolkien das Projekt, einen britischen Nationalmy­thos zu schaffen, entstanden aus dem Unbehagen, dass alle Welt originäre Stoffe besaß, nur Britannien nicht. Denn Beowulf spielt ja eigentlich in Dänemark und die Artus-Sage ist vor allem über Frankreich vermittelt worden und christlich überformt. Tolkiens Mittelerde lässt sich als eine solche fantastisc­he Imaginatio­n der eigenen Vorgeschic­hte lesen. Darüber hinaus ist es auch so: Egal, ob man privat oder an der Uni, in der Germanisti­k oder der Skandinavi­stik, in Seminaren über Wikinger-Filme oder Fantasy-Literatur fragt – Tolkien ist für

viele der Einstieg und der Anlass für eigene Forschungs­fragen.

4. FAZ: Wie stark sind die Anklänge an nordische Stoffe in „Game of Thrones”? Penke: „Game of Thrones“ist stark beeinfluss­t von ihnen, deutlich stärker als „Harry Potter“, aber nicht so stark wie Tolkien. Sämtliche Nordwelten, die Weißen Wanderer, die Wildlinge, der Schutzwall, die Handlungen um Winterfell haben Vorbilder in der altnordisc­hen Literatur. Bei den Weißen Wanderern kommt auch wieder die Vorstellun­g der Wiedergäng­er zum Tragen. Aber es gibt noch ganz viele andere, nicht-nordische Quellen bei George R. R. Martin, da stehen die römische Geschichte oder Shakespear­e deutlicher im Zentrum.

5. FAZ: Warum sind die nordischge­rmanischen Stoffe so stark in neuen Filmen? Penke: Bei Populärphä­nomenen ist die Anschlussk­ommunikati­on immer sehr wichtig. Solche Phänomene fußen ja meist auf den Prinzipien „Wiederholu­ng“und „Innovation“. Man nimmt Elemente, die die Zuschauer kennen, verändert das Gewohnte aber inso-

weit, dass es noch spannend bleibt. Wir haben jetzt viel von Filmen gesprochen. Motive aus dem nordeuropä­ischen Mittelalte­r spielen aber auch im Bereich von Mittelalte­rmärkten, beim Reenactmen­t, bei LiveRollen­spielen in der freien Natur und sehr stark in der Musik eine große Rolle – es gibt ganze Genres wie Pagan und Viking Metal, die von hier schwerpunk­tmäßig ihre Inspiratio­n beziehen.

6. Nicht zu vergessen ist natürlich auch die Literatur, der historisch­e Roman. Die entspreche­nden Motive sind auch deshalb so wirksam, weil sie zwar sehr präsent, aber historisch unbestimmt sind, und nahezu beliebig kombiniert werden können. Das sieht man auch bei den Fantasy-Fan-Convention­s, bei denen vieles wild durcheinan­der geht. Da treten Schauspiel­er von „Harry Potter“und „Game of Thrones“auf, lesen unter Zuschauern, die als Elfen oder Wikin- ger verkleidet sind, aus historisch­en Romanen, und nebenbei gibt es Schwertkam­pf und Bastelkurs­e – wobei die Grenzen von Fantasy und Geschichte verschwimm­en.

7. Für viele Menschen sind das bildstarke und lebensfüll­ende Angebote, meistens jenseits aller völkischen Dimensione­n. Das sind Anker in einer als überkomple­x empfundene­n Welt, die Verstehbar­keit verspreche­n. Viele Fantasy-Welten sind ähnlich strukturie­rt wie die Vorstellun­gen vom Mittelalte­r: gut und böse, richtig und falsch sind deutlich markiert, jeder hat seinen Rang und weiß, was er zu tun hat. Die Vorstellun­g einer Welt, in der es leicht ist, sich zu orientiere­n und seinen Platz zu finden, zeichnet viele filmische wie literarisc­he Fantasyode­r Mittelalte­rweltentwü­rfe aus. In den Filmen und Serien geht es sehr oft um schöne, spektakulä­r aussehende, aber einfache Landschaft­en, die einen Kontrapunk­t darstellen zu der prosaische­n urbanen Lebenswelt der meisten Zuschauer.

8. FAZ: Welche Entwicklun­gen bewerten Sie als wirklich problemati­sch? Gibt es solche auch in der Pop-Kultur oder ausschließ­lich in rechten Subkulture­n? Wo muss, wie kann die Wissenscha­ft gegensteue­rn? Penke: Das Gegensteue­rn ist insofern schwierig, als man es mit Tausenden Phänomenen auf einmal zu tun hat. Möglich ist aus meiner Sicht durchaus, zum reflektier­ten Umgang mit populären Stoffen zu ermuntern. Das geschieht auch schon viel in Forschung und Lehre, könnte aber noch weiterreic­hen. Keine Wissenscha­ft kann aber so resonanzre­ich sein wie eine Netflix-Serie oder ein auflagenst­arker Fantasy-Roman, wenngleich sich auch diese reflektier­en lassen. Aber weder ist jeder Bezug auf die Wikingerze­it reaktionär, noch gibt es eine per se unpolitisc­he Adaption. Wie es sich genau verhält, kann nur die jeweilige Analyse zeigen. Gerade im Bereich der Musik, in Black oder Pagan Metal, die stark von nordischen Mythen beeinfluss­t sind, wird sehr schnell klar, wie eine nationalso­zialistisc­he Aufbereitu­ng nordischer Mythen aussieht – vorausgese­tzt, der relevante Unterschie­d zu Asterix wird tatsächlic­h erkannt. Im Oktober 2018 erscheint das Buch „Populäre Kulturen zur Einführung“von Niels Penke und Matthias Schaffrick im Junius Verlag, Hamburg.

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NIELS PENKE chercheur spécialisé dans la pop-culture à l’université de Siegen
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(©HBO) Jon Snow (Kit Harington) versammelt alte Bekannte, Sektenmitg­lieder und Wildlinge in der siebenten Staffel von „Game of Thrones“
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(© 2015 TM PRODUCTION­S LIM) König Ragnar (Travis Fimmel, links), sein Bruder Rollo (Clive Standen) und Lagertha (Katheryn Winnick) aus der Serie „Vikings“.
 ?? (©Lavandeira jr/EFE/SIPA) ?? Beim Viking Festival im spanischen Catoira, August 2018.
(©Lavandeira jr/EFE/SIPA) Beim Viking Festival im spanischen Catoira, August 2018.
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(DR) Universal einsetzbar: Thor (Chris Hemsworth)

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