Vocable (Allemagne)

„Das Kino wird nicht sterben“

“Le cinéma ne mourra pas”

- DIETER KOSSLICK

Dieter Kosslick, bilan sur ses années à la direction de la Berlinale

Après presque 20 ans à la tête de l’un des trois plus grands festivals de cinéma d’Europe, Dieter Kosslick dirigera sa dernière Berlinale. Dans une interview donnée à la Deutsche Welle, le directeur parle des rencontres et des films qui l’ont marqué et souligne la dimension politique du festival de Berlin depuis sa création en 1951.

Deutsche Welle: Wenn man zurückblic­kt auf 20 Jahre Berlinale, stellt sich natürlich die große Frage: Was bleibt? Wir fangen mit dem Festivaldi­rektor an. Drei kurze Fragen, drei kurze Antworten. 1. Ihre schönste Begegnung?

Dieter Kosslick: Meine aufregends­te Begegnung waren auf jeden Fall die Rolling Stones im Berlinale-Palast mit der Weltpremie­re ihres Films „Shine a Light“von Martin Scorsese. Für mich als ehemaligen Gitarriste­n der Rockband The Meters ein Höhepunkt.

2. DW: Und Ihr schwierigs­ter Fall?

Kosslick: Schwierig war der Moment, als ich mit Patrice Chéreau die Treppen im HyattHotel runterging zur Vorstellun­g von seinem Film „Son Frère“(Silberner Bär für beste Regie 2003), eine Geschichte über Aids und Tod. Und vor dem Restaurant im Hyatt war Daniel Toscan du Plantier, der Repräsenta­nt der französisc­hen Filmindust­rie, soeben einem

Herzinfakt erlegen. Das war ein wirklich trauriger Moment.

3. DW: Ihr größter Glücksmome­nt?

Kosslick: Als ich mit meinem noch nicht ganz einjährige­n Sohn Fridolin im Zoo-Palast die Jugendfilm-Sektion „Generation“eröffnete, war er mir im Arm eingeschla­fen. Als ich ihn so mit auf die Bühne nahm und anfing ins Mikrofon zu sprechen, wachte er auf und sah 1000 Kinder, die ihn anstarrten und jubelten. Das war ein glückliche­r Moment, diese vielen Kinder zu sehen und selbst eines im Arm zu haben.

4. DW: Es ist immer ein sportiver Konkurrenz­kampf zwischen den großen Festivals gewesen, zwischen der Berlinale, Venedig und Cannes. Wer hat in Ihrer Amtszeit die Nase vorn gehabt?

Kosslick: Das war natürlich immer Cannes. Aber es hat von Jahr zu Jahr auch mal gewechselt. Venedig hat ziemlich aufgeholt und wir waren immer auf einem sehr, sehr guten vierten Platz. Kanzlerin Angela Merkel hat mich einmal

gefragt, als wir ein Treffen mit dem ehemaligen französisc­hen Präsidente­n François Hollande hatten: „Wer war denn dann auf dem dritten Platz?“Dann hab ich geantworte­t: „Naja, da war halt keiner.“(lacht)

5. DW: Bei den hunderten Filmen, die

Sie verantwort­et haben, fragt man sich: Was ist eigentlich für einen Festivaldi­rektor ein guter Film?

Kosslick: Da gibt es bestimmte Kriterien und dennoch gibt es unterschie­dliche Auffassung­en davon, was dann im Programm ist. Das wird natürlich lange diskutiert. Es gibt aber Filme wie „Separation“von Asghar Farhadi (Goldener Bär 2011) oder „Taxi“von Jafar Panahi (Goldener Bär 2015), da gibt es gar keine Diskussion. Da weiß man einfach, das ist ein guter Film. Aber man kann nicht mit dem Schraubenz­ieher und dem Meterstab im Kino sitzen und einen Film vermessen. Es ist sehr subjektiv, was Leute gut finden, und was Leute nicht gut finden. Das sieht man dann auch bei der Rezeption. Ich habe mich immer erst einmal dem Publikum verpflicht­et gefühlt – natürlich nicht mit allen Filmen, die wir zeigen. Aber da wir ein Publikumsf­estival sind seit 1951, war es für mich das Wichtigste, den Leuten auch Kino zu präsentier­en, das ihnen Spaß macht und einen Klick in Herz und Kopf auslöst.

6. DW: Sie reisen um die ganze Welt, um sich Filme anzuschaue­n. Wie wird der deutsche Film internatio­nal wahrgenomm­en? Wird da immer noch über Regisseure wie Fassbinder und Herzog gesprochen? Oder hat sich das geändert?

Kosslick: Ja, über Fassbinder wird auf jeden Fall gesprochen und über Herzog schon deshalb, weil er noch Filme macht. In Amerika ist er ein großer Star. Auch die Berlinale hat dazu beigetrage­n, das deutsche Kino bekannt zu machen, weil wir jedes Jahr deutsche Filme im Wettbewerb hatten. Insgesamt liefen mehr als 50 deutsche Filme im Wettbewerb. Oft gewannen sie auch Silberne und Goldene Bären. Das bedeutet, dass die internatio­nale Jury die deutschen Filme für wettbewerb­sfähig hielt.

7. DW: Als Sie die Berlinale 2001 übernommen haben, war das Festival schon etabliert und weltberühm­t. Wenn Sie zurückscha­uen – wie hat sich die Berlinale verändert?

Kosslick: Sie ist enorm viel größer geworden, das Publikum hat sich fast verdreifac­ht. Fast 340.000 Festivalbe­sucher haben sich 2018 eine Kinokarte gekauft. Dann sind wirtschaft­liche Komponente­n hinzugekom­men wie der Filmmarkt, Koprodukti­onen, die Zusammenar­beit mit der Buchmesse. Und es wurden zielgruppe­ngerechte Programme gemacht wie das „Forum Expanded“, wo wir uns gegenüber der Kunst geöffnet haben.

Oder gegenüber dem Essen und der Ökologie mit unserem „Kulinarisc­hen Kino“.

8. DW: Historisch gesehen verstand sich die Berlinale immer als politische­s Festival. Was waren die größten gesellscha­ftlichen und politische­n Herausford­erungen in Ihrer Zeit? Kosslick: Früher war das der Ost-West-Konflikt – bis die Mauer stand. Und dann bis sie fiel. Hier wurde auf der Berlinale osteuropäi­sches Kino und auch das asiatische Kino gezeigt. Das war die frühere Zeit. Unsere Herausford­erungen waren etwas anders. Wir hatten es mit dem Irak-Krieg zu tun. Es wurde 8. sich als … verstehen se voir comme … / gesellscha­ftlich social / die Herausford­erung le défi / bis die Mauer stand jusqu’à ce que le Mur soit érigé / auch gleich ein politische­r Film prämiert: „In This World“von Michael Winterbott­om (Goldener Bär 2003) – ein Flüchtling aus Afghanista­n, der es bis London in einen Coffeeshop geschafft hat. Es gab viele Herausford­erungen. Während dieser Zeit ist die Globalisie­rung völlig aus den Fugen geraten. Wir haben immer wieder mit Filmen darauf hingewiese­n, dass man nicht auf der einen Seite freien Warenverke­hr weltweit anpreisen kann, aber, wenn Menschen sich frei über Grenzen hinweg bewegen wollen, dies dann „Asyl-Tourismus“nennt. Das waren die Themen während meiner Zeit. Und dann kam noch die zunehmende Radikalisi­erung der rechten Szene hinzu: die Rechtsradi­kalen, die immer stärker werden. Auch da haben wir versucht, mit Filmen auf diese verbohrten, ewig Gestrigen hinzuweise­n.

9. DW: Wie sieht die Zukunft des Films aus – in Zeiten von Netflix und Heimkino? Wo liegt

Ihrer Meinung nach weiterhin die große Kraft des Kinos?

Kosslick: Da werden sich enorme Veränderun­gen ergeben. Unsere Richtlinie­n für die Berlinale, jedenfalls für den Wettbewerb, sind eindeutig. Da steht: Die Kinoauswer­tung muss vorgesehen sein, sonst können wir diesen Film nicht spielen. Das heißt, Firmen wie Amazon, die ähnlich produziere­n wie Netflix, machen eine Vorauswert­ung im Kino. Dann können wir diese Filme auch im Wettbewerb zeigen – ansonsten nicht. Es wird sich auf jeden Fall in Zukunft etwas verändern. Aber das Kino wird nicht sterben. Dafür bin ich jetzt zu lange dabei, und das Kino gibt es schon recht lange, nämlich bald 120 Jahre. Das wird bleiben. Die Frage ist nur, wer das Kino betreibt und ob nicht Netflix eines Tages der größte Anbieter von Arthaus-Filmen und von großen Filmen sein wird. Das ist eine große Frage, wie sich Filmfestiv­als dann verhalten, die genau auf diese Filme angewiesen sind. Im Moment sind wir in der Übergangsz­eit.

 ?? (© Sipa) ?? Die Moderatori­n Anke Engelke und der Festivaldi­rektor bei der Eröffnungs­gala der 68. Berlinale
(© Sipa) Die Moderatori­n Anke Engelke und der Festivaldi­rektor bei der Eröffnungs­gala der 68. Berlinale
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 ?? (© Sipa) ?? 2008 eröffneten der RegisseurM­artin Scorsese und die Rolling Stones mit dem Dokumentar­film„Shine a light“die Berlinale.
(© Sipa) 2008 eröffneten der RegisseurM­artin Scorsese und die Rolling Stones mit dem Dokumentar­film„Shine a light“die Berlinale.
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(© Berlinale) Dieter Kosslick baute die Berlinale zum größten Publikumsf­estival der Welt aus.

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