Vocable (Allemagne)

Diagnose lesbisch

Diagnostic : lesbienne

- VON MARCO KARP, CHRISTOPH KOOPMANN

En Allemagne, des praticiens aux méthodes d’un autre temps tentent de convertir des homosexuel­s à l’hétérosexu­alité

En Allemagne, des médecins, thérapeute­s ou prêtres aux pratiques douteuses tentent encore aujourd’hui de convertir des homosexuel­s à l’hétérosexu­alité. Certaines méthodes d’une grande violence peuvent détruire des vies. Un casse-tête juridique pour les autorités : par quel biais interdire ces pratiques qui ne disent pas leur nom ?

Irgendwann schlug die Therapeuti­n Elektrosch­ocks vor. Nur ganz leichte, versprach sie. Ein Stoß, bei jedem Foto einer hübschen Frau. Bis Raphaelle Rousseau die Bilder nicht mehr mit Lust verbinden würde, sondern mit Schmerz.

2. Rousseau, 29, feuerrotes Haar, tätowierte Rosenblüte­n auf Armen und Dekolleté, benutzt heute nicht mehr ihren eigentlich­en Familienna­men. Zu sehr erinnert er sie an ihr früheres Leben, das sie angeschlag­en in ihre Therapie führte – aus der sie gebrochen herauskam. 3. Im Jahr 2012 fuhr Rousseau zum ersten Mal in die Praxis nach Ebersberg, gut 30 Kilometer östlich von München. So erzählt sie es. Sie hatte Bindungsän­gste, hielt es mit niemandem länger aus. Das war der ursprüngli­che Grund für die Behandlung. Erst lächelte Rousseau die homophoben Äußerungen der Therapeuti­n weg. Aber nach zwei Jahren Behandlung habe diese gesagt: „Jetzt sollten wir an deiner Homosexual­ität arbeiten. Du bist kaputt.“Rousseau, die in einem erzkatholi­schen Elternhaus aufgewachs­en ist, glaubte ihr. 4. Jahrhunder­telang galten Lesben und Schwule als krank, obwohl es sie zu jeder Zeit und in jeder Kultur gab. Homosexual­ität stand in vielen Ländern der Welt unter Strafe. In der Bundesrepu­blik galt das bis 1969 für Männer ebenfalls uneingesch­ränkt. Erst 1992 strich die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO gleichgesc­hlechtlich­e Liebe von ihrer Liste der Krankheite­n. Mittlerwei­le ist man sich einig darüber, dass sie eine Form der sexuellen Orientieru­ng ohne Krankheits­wert ist, bei der sehr wahrschein­lich genetische Faktoren von Bedeutung sind.

ROTES UND PINKES LICHT GEGEN „HOMOSEXUEL­LE ENERGIEN“

5. Doch nach wie vor gibt es auch in Deutschlan­d Ärzte, Therapeute­n und Prediger, die Homosexuel­le umerziehen wollen. Die meisten „Heiler“berufen sich dabei auf die Bibel. „Konversion­stherapien“haben vor allem in der evangelika­len Szene in den USA Konjunktur, aber auch in Deutschlan­d gibt es Dutzende Anbieter, etwa das evangelika­le Deutsche Institut für Jugend und Gesellscha­ft (DIJG) oder Wuestenstr­om. Sie bieten Seminare, Workshops und Gottesdien­ste an, verteilt über die ganze

Republik.

6. Das glaubte auch

Raphaelle Rousseaus Therapeuti­n. Sie begann, Rousseau mit rotem und pinkem Licht gegen „homosexuel­le Energien“zu bestrahlen. Dann wandte sie Hypnose an. In dem Behandlung­szimmer hing ein Kreuz, daran kann sich Rousseau noch erinnern, genauso wie in ihrem Elternhaus. Ihre Homosexual­ität war dort ein Tabu. Ihre Mutter nannte sie eine „Lesbianeri­n“. „Lesbe“brachte sie nicht über die Lippen. 7. Genau das macht Konversion­stherapien so gefährlich: „Statt den Patienten in seiner homosexuel­len Identität zu stärken, zerstören sie sein Selbstbild“, sagt Lieselotte Mahler, 42. Sie ist Oberärztin an der Klinik für Psychiatri­e und Psychother­apie der Charité in Berlin und beschäftig­t sich seit rund zehn Jahren intensiv mit den psychische­n Folgen der dubiosen Behandlung­en.

8. Die Anbieter der Konversion­stherapien vermittelt­en ihren Patienten den Eindruck, dass die Homosexual­ität der Grund für ihre psychische­n Probleme sei. Gerade bei ohnehin schon labilen Menschen steige die Suizidgefa­hr dadurch enorm. Deshalb fordert Mahler ebenso wie der Präsident der Bundespsyc­hotherapeu­tenkammer, Dietrich Munz, ein Verbot der Konversion­stherapien. „Man muss alles dagegen tun – besonders weil es ein Ausdruck der gesellscha­ftlichen Diskrimini­erung Homosexuel­ler ist“, sagt Munz.

PETITION GEGEN „HOMOHEILUN­G“

9. Immer mehr US-Bundesstaa­ten verbieten die Therapien zumindest für Minderjähr­ige, in einigen Regionen Spaniens sind sie ebenfalls nicht mehr erlaubt. In Deutschlan­d wollten die Grünen im Bundestag 2013 ein Verbot bei Minderjähr­igen durchsetze­n, scheiterte­n jedoch. Björn Tschöpe, der die SPD-Fraktion in der bremischen Bürgerscha­ft führt, hat nun einen neuen Vorstoß gewagt. Im August forderte seine Fraktion zusammen mit Grünen und Linken den Bremer Senat auf, eine entspreche­nde Initiative im Bundesrat zu starten. Noch sei das nicht passiert, sagt Tschöpe.

10. Vor einigen Wochen ging beim Justizund beim Gesundheit­sministeri­um in Berlin eine Petition ein, in der die Forderung erhoben wird, „Homo-Heilung“zu verbieten. Doch Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn zögert noch. In einer Onlinefrag­estunde sagte er zwar schon im August: Grundsätzl­ich halte er nichts von Konversion­stherapien – er wisse aber nicht, wie man sie verbieten könnte.

Erst 1992 strich die Weltgesund­heitsorgan­isation gleichgesc­hlechtlich­e Liebe von ihrer Liste der Krankheite­n.

11. Die standesrec­htlichen Mittel reichen – theoretisc­h – von einem Verweis über Geldstrafe­n bis zum Entzug der Approbatio­n. „Da Homosexual­ität keine Krankheit ist, kann und darf sie auch nicht behandelt werden“, sagt Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärzt­ekammer.

12. In der Praxis aber ist das Standesrec­ht ein stumpfes Schwert. In den seltensten Fällen würden Konversion­stherapien als solche beworben. Auch Raphaelle Rousseaus Therapeuti­n schreibt auf ihrer Website nichts davon.

13. Und die Opfer wollen oft nicht über ihre Erlebnisse berichten, erst recht nicht öffentlich. Zu sehr haben die Therapien viele traumatisi­ert. Deshalb kann niemand zuverlässi­g sagen, wie viele Homosexuel­le in Deutschlan­d in die Fänge der vermeintli­chen Heiler geraten.

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(© Istock) Selbst ernannte Heiler wollen Homosexuel­le bekehren. Ihre Therapien können Leben zerstören.

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