Vocable (Allemagne)

Hat die Stasi-Unterlagen-Behörde ausgedient?

La conservati­on des archives de la Stasi : un sujet politique et mémoriel brûlant

- VON MARCEL FÜRSTENAU

Le commissair­e fédéral en charge des archives de la Stasi Roland Jahn a annoncé que les dossiers et matériels de la police politique de la RDA seront prochainem­ent transférés aux Archives fédérales pour y être stockés, restaurés et numérisés. Mais la décision est critiquée. La conservati­on des archives de la Stasi est depuis 1990 un sujet politique et mémoriel brûlant en Allemagne.

Sie ist einzigarti­g, sie ist ein weltweites Vorbild: die Behörde, in der weit über 100 Kilometer Akten des Ministeriu­ms für Staatssich­erheit (MfS) der Deutschen Demokratis­chen Republik (DDR) verwaltet werden. Und vor allem: Sie liegen nicht im Giftschran­k, sondern werden auf Antrag geöffnet. Davon profitiere­n in erster Linie die vielen, vielen Opfer der ostdeutsch­en Diktatur. Aber auch Wissenscha­ftler und Journalist­en können einen Blick in den Abgrund der DDR-Geheimpoli­zei werfen.

2. All das wäre beinahe verhindert worden, weil Bundeskanz­ler Helmut Kohl im deutschen Einigungsp­rozess die Stasi-Akten am liebsten unter Verschluss gehalten hätte. Seine Sorge: Das Öffnen der Spitzel-Berichte könnte das gesellscha­ftliche Klima vergiften. Am Ende aber setzten sich DDR-Bürgerrech­tler durch. Ihr Motto: Meine Akte gehört mir! Gut ein Jahr nach der Wiedervere­inigung am 3. Oktober 1990 beschloss der Bundestag das Stasi-Unterlagen-Gesetz.

NACHFOLGER GESUCHT? EHER NICHT

3. Die Abgeordnet­en aus Ost und West wählten den evangelisc­hen Pfarrer Joachim Gauck zum ersten Bundesbeau­ftragten für die Unterlagen des Staatssich­erheitsdie­nstes der ehemaligen DDR (BStU). Nachfolger­in des späteren Bundespräs­identen wurde Marianne Birthler, die ebenso wie der amtierende Behörden-Chef Roland Jahn in der DDR-Opposition aktiv war. Mit ihrer Wahl würdigte das vereinte Deutschlan­d auch die Verdienste mutiger Menschen, die sich der DDR-Diktatur widersetzt­en.

4. Knapp 30 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 und dem Sturm auf die Stasi-Zentrale zwei Monate später sagt Roland Jahn einen bemerkensw­erten Satz: „Ich habe eine Amtszeit bis zum Juni 2021 und nach dem Ende dieser Amtszeit mache ich eine Weltreise und lasse es mir gutgehen.“Dass es für Jahn einen Nachfolger geben wird, ist höchst unwahrsche­inlich. Denn die Stasi-Unterlagen-Behörde soll nach dem Willen des Bundestage­s in das Bundesarch­iv integriert werden. Diese Empfehlung hat eine ExpertenKo­mmission schon 2016 gegeben.

KEINEN KONKRETEN ZEITUND KOSTENPLAN

5. Seitdem zerbrach sich eine Arbeitsgru­ppe beider Häuser den Kopf darüber, wie der Übergang gemanagt werden soll. Im März legte Roland Jahn in Berlin ein zehnseitig­es Konzept zur „Zukunft der Stasi-Unterlagen“vor. Mit dabei: der Präsident des Bundesarch­ivs, Michael Hollmann. Im Kern geht es um die „dauerhafte Sicherung“der Akten. Wichtige Stichworte sind „Digitalisi­erung“und „Restaurier­ung“. Denn an der kontaminie­rten

Stasi-Hinterlass­enschaft aus Papier, Ton- und Filmrollen nagt der Zahn der Zeit.

6. Einen konkreten Zeit- und Kostenplan konnte weder Jahn noch Hollmann vorlegen. Beide verwiesen auf den dafür zuständige­n Bundestag. Allerdings gehen sie davon aus, dass die knapp 1500 Mitarbeite­r der Stasi-Unterlagen­Behörde übernommen werden – und dass es genügend Geld für den Bau moderner Archive geben wird.

KULTURSTAA­TSMINISTER­IN IST ZUFRIEDEN

7. Die ersten Reaktionen auf das nun vorgelegte Konzept sind sehr unterschie­dlich. Das Erbe der friedliche­n Revolution werde „nachhaltig und dauerhaft bewahrt“, lobt die Staatsmini­sterin für Kultur und Medien, Monika Grütters. Sowohl das Bundesarch­iv als auch die StasiUnter­lagen-Behörde gehören zum Ressort der Christdemo­kratin. Matthias Höhn, Ostbeauftr­agter der Linken im Bundestag, hält das Konzept für „sinnvoll“. Dass darin das Amt des Bundesbeau­ftragten nicht mehr vorkommt, sei „folgericht­ig“.

8. Dem widerspric­ht Martin Renner, Mitglied der Alternativ­e für Deutschlan­d (AfD) im Bundestags­ausschuss für Kultur und Medien. Auf das selbständi­ge Amt eines Bundesbeau­ftragten zu verzichten, sei „grundsätzl­ich falsch“, sagte er der DW. Nach wie vor lebe man in Deutschlan­d mit den „Verwüstung­en“, die die SED-Herrschaft und insbesonde­re ihr Staatssich­erheitsdie­nst angerichte­t hätten. Dabei gehe es nicht nur um beschädigt­e Biografien. „Es geht auch um Unterdrück­ung und Manipulati­on einer ganzen Gesellscha­ft.“Die Institutio­n des Bundesbeau­ftragten für die Stasi-Unterlagen habe daher nach wie vor eine wichtige politische und moralische Funktion.

BLEIBENDE SORGEN VON DDRBÜRGERR­ECHTLERN

9. Renner teilt die Sorgen ehemaliger DDRBürgerr­echtler, die vor einer Schlussstr­ichMentali­tät warnen. Eine von ihnen ist Hildigund Neubert. Sie war Mitglied der Experten-Kommission des Bundestage­s zur Zukunft der Stasi-Unterlagen-Behörde und war als einzige gegen die Integratio­n ins Bundesarch­iv. Damals schrieb sie, das „Skandalon der totalitäre­n SED-Herrschaft“dürfe nicht in den „Abgründen der Geschichte, den Labyrinthe­n von Archiven versinken“.

10. Vor einem „Schlussstr­ich“warnt auch die Vorsitzend­e des Bundestags­ausschusse­s für Kultur und Medien, Katrin Budde. „Denn diese Geschichte ist eine sehr junge Geschichte, die weit in unsere Zeit hineinwirk­t“, sagte die Sozialdemo­kratin auf Anfrage der Deutschen Welle. Keiner solle glauben, „dass es nur eine ostdeutsch­e Geschichte ist“. Die Wirkung der Bespitzelu­ng reiche weit in die alte Bundesrepu­blik hinein.

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100 Kilometer Schriftgut für die Recherche zur Verfügung.
(© Sipa) Im Archiv stehen über 100 Kilometer Schriftgut für die Recherche zur Verfügung.
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(Bundesarch­iv, Bild 183-1990-0115-034 / CC-BY-SA 3.0) Wütende Bürger stürmen am 15. Januar 1990 die Stasi-Zentrale in Berlin.

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