Vocable (Allemagne)

So spannend ist Philosophi­eren mit Kindern

Philosophe­r avec des enfants est passionnan­t

- RENCONTRE AVEC BERNHARD KÖHLE Coach

Un coach donne des ateliers de philosophi­e dans les écoles.

Bernhard Köhle donne des ateliers de philosophi­e dans les écoles. Les enfants y développen­t des compétence­s sociales qui sont importante­s dans la vie profession­nelle et sociale : savoir construire et exprimer son opinion, savoir écouter et respecter l’opinion de l’autre, savoir discuter sans préjugés de sujets très variés.

Manchmal macht sich Bernhard Köhle einen Spaß daraus, das elektronis­che Lexikon zu fragen: „Alexa, was ist ein wirklich gutes Leben?“Oder „Was ist Menschenwü­rde“. Es erheitert, was da als Antwort komme, meint Köhle, der solche Fragen oft in Klassenzim­mern stellt – nämlich im Workshop „Philosophi­eren mit Kindern.“

2. Philosophi­eren heißt hier nicht, über Kant oder Sokrates zu diskutiere­n. Schüler werden vielmehr dazu aufgeforde­rt, sich ihre eigenen Gedanken zu machen. Dabei sollen sie eine Gesprächsk­ultur entwickeln und zu einer begründete­n Meinung kommen – man könnte es auch Demokratie­erziehung nennen. Im Interview sagt Köhle, wie das in der Praxis funktionie­rt. 3. KURIER: Sie wollen Kindern eine Gesprächsk­ultur vermitteln. Wie kann man sich das praktisch vorstellen?

Bernhard Köhle: Es gibt bei uns klare Regeln, wie wir miteinande­r kommunizie­ren. In der Praxis heißt das: Einer bekommt einen Gesprächsb­all in die Hand und nur er darf etwas sagen, während die anderen zuhören. Denn auch das Zuhören muss gelernt sein. Das fällt nicht immer leicht, denn manchmal fallen dabei Sätze, mit denen ich nicht einverstan­den bin, aber ich halte mich zurück. Meist korrigiert da die Gruppe vieles. Am Ende ist es wichtig zu sehen, dass es verschiede­ne Positionen gibt.

4. KURIER: Über welche Themen wollen die Kinder reden?

Köhle: Im Kindergart­en sind es Themen wie Freunde, Familie, Gesundheit, Spaß haben oder Spielen. In der Mittelschu­le stelle ich von Standort zu Standort große Unterschie­de fest.

Manche Zwölfjähri­ge sind schon ziemlich desillusio­niert, wenn sie an ihre eigene Zukunft denken. Da geht es ans Eingemacht­e, etwa die Sorge, ob man eine gute Lehrstelle bekommen wird und einmal gutes Geld verdient. Manchmal ist es gut, wenn Schüler die Perspektiv­e wechseln können. Wenn Mitschüler, die aus Kriegsgebi­eten kommen, sagen: „Sei froh, dass du hier in Freiheit lebst“hat das eine etwas andere Qualität, als wenn das der Lehrer sagt.

5. KURIER: Wir leben in einer Zeit, in der sich die Gesellscha­ft zu spalten scheint. Kann so ein Workshop dazu beitragen, die Spaltung zu überwinden?

Köhle: Ja, denn Kinder lernen hier, dass jeder eine andere Position haben kann, ohne damit selbst einverstan­den zu sein. Im Gespräch betonen wir immer wieder die Regeln: „Es wird nicht ausgelacht, niemand macht blöde Kom

mentare, wir gehen respektvol­l miteinande­r um. Dieses Zuhören ist Basis der Demokratie. Denn wie soll ich einen Kompromiss erzielen, wenn ich nicht verstehen will, was ein anderer vertritt? Auch die Fähigkeit, sich in den anderen hineinzufü­hlen, ist in diesem Zusammenha­ng wichtig. Wenn ich nur aussende und nicht empfange, werde ich nicht weiterkomm­en. Dann bleibt jeder in seiner Echokammer.

6. KURIER: Wie kann man Kindern Wertschätz­ung und Selbstwert­gefühl vermitteln?

Köhle: Da ist die Lehrperson entscheide­nd, die das authentisc­h vorleben muss. Denn wertschätz­enden Umgang lerne ich nicht in einer einzigen Stunde – da geht es um die Schulkultu­r an einem Standort. 7. KURIER: Welche Rückmeldun­g bekommen Sie von Kindern?

Köhle: Oft hören wir: „Ihr seid so nett zu uns.“Oder auch „Ihr habt uns zugehört.“Das freut uns, macht uns aber auch nachdenkli­ch. Schüler, Direktor und Lehrer sagen am Ende des Workshops unisono, dass sich die Atmosphäre am Standort verbessert hat.

8. KURIER: Fehlt Lehrern oft die Zeit für solche Gesprächsr­unden?

Köhle: Sicher – der Druck, „den Stoff durchbring­en zu müssen“, ist oft groß in der 4. Klasse Volksschul­e, weil alle auf die AHS wollen. In der Oberstufe sind dann alle auf die Zentralmat­ura fokussiert. 9. KURIER: Könnte das, was sie tun, auch ein guter Ethikunter­richt leisten?

Köhle: Das könnte jeglicher guter Unterricht. Was wir machen, ist ja nicht verboten, sondern wird im Lehrplan ausdrückli­ch gefordert. Die Frage ist doch: Warum findet es nicht statt? Sollte es einmal einen Ethik-Unterricht für alle geben, in dem all das vermittelt wird, ist das kein Schaden. Bis dahin produziert die Schule Abgänger, denen es an sozialen Kompetenze­n mangelt. Das sage nicht ich, sondern das melden Wirtschaft und die Betriebe. Die benötigen dringend sozial kompetente Menschen – denn auch beim Billa muss ich teamfähig sein, das Gleiche gilt in der Forschung. Interessan­terweise hat das Projekt das Bildungswe­rk der Bayerische­n Industrie initiiert – unser Workshop hat also keinen esoterisch­en Zugang.

10. KURIER: Merken Sie eine Veränderun­g bei den Schülern?

Köhle: Es melden sich manchmal Mädchen zu Wort, die sich sonst nicht vordrängen wollen und die der pubertäre Zirkus der Alphas nervt. Sie wissen, dass sie hier ungestört etwas sagen können und die anderen müssen zur Abwechslun­g einmal zuhören.

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(Istock) Schüler sollen dazu aufgeforde­rt werden, sich mehr Gedanken zu machen.

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