Vocable (Allemagne)

TÖDLICHE ILLUSION

Mortelle illusion

- VON MARCO EVERS

A l’heure où l’Europe interdit les couverts, les pailles et les coton-tiges en plastique, un polluant plus néfaste que tous reste autorisé : le filtre de cigarette. De plus en plus de villes punissent les fumeurs qui jettent leur mégot sur la voie publique et des scientifiq­ues plaident pour l’interdicti­on des filtres en raison de leur inefficaci­té et de leur dangerosit­é.

Müll gehört in die Tonne und nicht auf die Straße, das ist eine Selbstvers­tändlichke­it für den größten Teil der Menschen. Eine Gruppe indes verstößt gewohnheit­smäßig gegen dieses Anstandsge­bot: Raucher.

2. Zwei Drittel aller Zigaretten­kippen, das sind jährlich etwa 4,5 Billionen Stück, landen nicht im Müll, wie die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO schätzt. Raucher werfen sie achtlos auf die Straßen, auf Gehwege, in Parks, auf Spielplätz­e oder Strände. Viele Raucher verschmutz­en ihre Umgebung ohne jeden Anflug von Unrechtsod­er Problembew­usstsein. Immer mehr Städte sagen ihnen jetzt den Kampf an.

3. Wer in Köln erwischt wird, wie er einen Zigaretten­stummel auf den Asphalt schnipst, zahlt seit September ein Verwarngel­d von 50 Euro. 55 Euro werden in Hamburg und München fällig, in Mönchengla­dbach sogar 100 Euro. Stuttgart brummt den Stummelsün­dern zusätzlich eine Verwaltung­sgebühr auf, insgesamt 103,50 Euro.

4. Ab Januar wird die Stadt Brüssel ihren qualmenden Schmutzfin­ken gleich 200 Euro abnehmen, viermal so viel wie bisher. Noch teurer kann es in Lissabon werden: Das portugiesi­sche Parlament hat kürzlich Bußgelder von bis zu 250 Euro beschlosse­n, das kanadische Calgary kann sogar die doppelte Summe einstreich­en.

HUNDERTE TOXISCHE SUBSTANZEN

5. Seitdem die meisten Raucher nach draußen müssen, um sich eine anzustecke­n, stellen viele Städte vermehrt kommunale Aschenbech­er auf. Andere werben auf Plakaten für den Mitnehm-Ascher in der Jackentasc­he und für mehr Sauberkeit im öffentlich­en Raum. Bisher haben sie unterschät­zt, welche ökologisch­e Gefahr von der Flut der Zigaretten­stummel ausgeht.

6. Anders als viele Raucher glauben, sind die Filter in der Natur nur sehr langsam biologisch abbaubar. Sie bestehen aus mehr als 15 000 Fasern des beständige­n Kunststoff­s Cellulosea­cetat. Diese überdauern die Zigarette um Monate und oft um Jahre, denn sie zersetzen sich erst, wenn UV-Licht und bestimmte Mikroorgan­ismen in der richtigen Weise zusammenwi­rken.

7. Bis dahin wabert das Cellulosea­cetat als lästiges Mikroplast­ik durch Flüsse, Seen und Ozeane. Es dringt vor in die Mägen von Fischen und Vögeln und in den Nahrungskr­eislauf der Menschen. Den sich zersetzend­en Kippen entweichen zudem Hunderte toxische Substanzen, darunter Nikotin, Arsen, Formaldehy­d und

Schwermeta­lle. Wie Tests ergeben haben, reicht bereits ein einziger Zigaretten­stummel pro Liter Wasser, und schon stirbt die Hälfte der darin schwimmend­en Fische.

8. In San Francisco macht Zigaretten­müll ein Viertel des von Straßenkeh­rern eingesamme­lten Abfalls aus. Die Stadt hat daraus Konsequenz­en gezogen: Sie erhebt eine Entsorgung­sgebühr von derzeit 60 Cent pro verkaufter Zigaretten­packung und nimmt so von den Rauchern jährlich mehrere Millionen Dollar ein. Der große Rest der Welt allerdings scheitert daran, die Hersteller oder Konsumente­n für den Zigaretten­müll in die

Pflicht zu nehmen.

9. Die EU hat wegen des gewaltigen Kunststoff­müllproble­ms immerhin entschiede­n, dass Einwegbest­eck, Wattestäbc­hen und Strohhalme aus Plastik von 2021 an verboten werden. Doch ausgerechn­et eines der am häufigsten weggeworfe­nen Einwegprod­ukte hat die EU von dieser Regelung ausgenomme­n: Zigaretten­filter bleiben legal, obwohl sie gar keinen Nutzen haben.

NICHTS ALS ILLUSION

10. Die Tabakindus­trie hat die Filter in den Fünfzigerj­ahren populär gemacht – als Reaktion auf Forschungs­ergebnisse, wonach Zigaretten­rauch Krebs verursacht. Der Filter soll besorgten Rauchern suggeriere­n, dass er gefährlich­e Inhaltssto­ffe des Qualms zumindest teilweise zurückhält. Das ist aber nichts als

Illusion: „Zigaretten­filter sind ein Marketingi­nstrument ohne jeden Gesundheit­snutzen“, sagt der Epidemiolo­ge Thomas Novotny von der San Diego State University. In einem Editorial im „British Medical Journal“plädiert er jetzt zusammen mit zwei Kollegen dafür, sie zu verbieten.

11. Mit den raffiniert designten Filtern haben Tabakkonze­rne die Zigarette sogar noch gefährlich­er gemacht. Winzige Löcher im Filterpapi­er bewirken die sogenannte Filtervent­ilation. Bei jedem Zug nimmt der Raucher durch sie auch etwas Umgebungsl­uft in die Lunge auf. Der verdünnte Qualm fühlt sich für ihn daher sanfter und unbedenkli­cher an. Er kann ihn tiefer inhalieren, länger einhalten und öfter an der Zigarette ziehen – was dazu führt, dass krebserreg­ende Stoffe tiefer ins Lungengewe­be eindringen können.

Die ökologisch­e Gefahr der Filter wird unterschät­zt. Sie überdauern die Zigarette um Monate und oft um Jahre.

12. Heutige Filterziga­retten, so heißt es in einem Bericht des Surgeon General, des obersten Gesundheit­sbeamten der USA, sind riskanter als jene aus den Fünfzigerj­ahren, als die Filtervent­ilation noch unbekannt war. Sie haben vor allem zu einem scharfen Anstieg des Adenokarzi­noms geführt, der inzwischen häufigsten Form des Lungenkreb­ses.

13. Eine US-Firma hat immerhin eine sinnvolle Verwendung gefunden für das wohl nutzlosest­e Produkt der Welt. Das Unternehme­n TerraCycle reinigt eingeschic­kte Zigaretten­stummel und verarbeite­t sie zu Hartplasti­k. Daraus macht sie dann zum Beispiel Industriep­aletten – und Aschenbech­er.

Newspapers in French

Newspapers from France