Vocable (Allemagne)

Die Werftarbei­ter packten mit an

La Kunsthalle de Rostock, témoin de l’architectu­re en RDA, est en danger.

- VON NIKOLAUS BERNAU

La Kunsthalle de Rostock est en danger. Le seul nouveau musée d’art construit en RDA en 1969 est un exemple unique de la culture architectu­rale du pays. Ce témoin capital d’une époque risque cependant de disparaîtr­e dans les travaux de rénovation de grande ampleur prévus pour mettre le bâtiment aux normes écologique­s actuelles.

Es gibt Bauten, die sind so einfach, dass man sie leicht übersieht. Doch eben die Einfachhei­t ist das Besondere, und wenn man nur wenig daran verändert, ist die Wirkung rasch dahin. Zu diesen Bauten gehört die Rostocker Kunsthalle, ein auf den ersten Blick wenig aufregende­r Kubus mit Formfliese­n an der Fassade, der am Rand des Schwanente­ichs im Komponiste­nviertel steht. Es ist der einzige dezidiert für die Ausstellun­g von Kunst gedachte Museumsneu­bau, den die DDR in ihren vierzig Jahren Existenz zustande brachte. Und einzigarti­g ist sein Erhaltungs­zustand: von den Glasoberli­chtern aus Industrief­ertigteile­n über die gebohnerte­n Ziegelböde­n bis zu Fenstergit­tern und

Türklinken, so gut wie alles aus dem Einweihung­sjahr 1969 konnte bewahrt bleiben. Bis jetzt.

2. Es droht eine „Grundsanie­rung“des Museums, die zweifellos das Beste will, aber genau deswegen das Besondere zu zerstören droht.

3. Schon 1964 vom Ministerra­t der DDR beschlosse­n, wurde die Kunsthalle nach einem komplizier­ten Planungspr­ozess errichtet, geplant worden war sie von Hans Fleischhau­er und Martin Halwas. Immerhin 1,6 Millionen DDRMark konnten verbaut werden. Wichtiger aber wurde angesichts des Materialma­ngels die Hilfe der benachbart­en Werften und ihrer Werkstätte­n, die viele Metallbaut­eile fertigten. 4. Gedacht war die Kunsthalle als Hauptausst­ellungshau­s der seit 1958 veranstalt­eten Ostsee-Biennale, eines Schaufenst­ers der DDR-Kulturpoli­tik. Dazu passte die Architektu­r, die sich überdeutli­ch am Internatio­nal Style westlicher Prägung orientiert­e und von dem kurzen kulturelle­n Tauwetter zeugt, das es seinerzeit in der DDR gab.

MAN HÖRT IN ROSTOCK VIELE LIEBESERKL­ÄRUNGEN

5. So gibt es in der Rostocker Kunsthalle den engen Landschaft­sbezug wie im Hamburger Barlach-Haus. Wie im New Yorker Museum of Modern Art oder in der Westberlin­er Akademie der Künste hat man einen kleinen Innenhof für Skulpturen­ausstellun­gen eingericht­et. Und wie in skandinavi­schen Kunsthalle­n oder im Osloer Munch-Museum bieten auch hier die Museumssäl­e viel Holz, schlichte Ziegelwänd­e, Sichtbeton, schlanke Konstrukti­onen und Fußböden aus Ziegel, Schiffspar­kett sowie mildes Oberlicht. 6. Kürzlich wurde der klare Kubus durch einen Anbau nach den Plänen von Buttler Architekte­n als Schaudepot ergänzt. Dasselbe Büro soll nun auch die überaus problemati­sche Grundinsta­ndsetzung planen. Ein „Spagat“sei gefordert zwischen Denkmalpfl­ege und „Forderunge­n der heutigen Zeit“, sagt die Chefin der für die kommunalen Bauten Rostocks zuständige­n Eigenbetri­ebs KOE-Rostock, Sigrid Hecht. Denn die Kunsthalle sei „verschliss­en“, die „Grundinsta­ndsetzung“nötig. Doch alles werde selbstvers­tändlich mit dem Denkmalamt abgesproch­en: „Die Kunsthalle ist nämlich etwas ganz Besonderes.“

7. Auch sonst hört man in Rostock viele Liebeserkl­ärungen. Längst vergessen ist, dass die Stadt ihr Museum lange sogar abreißen wollte, wäre es nicht vor allem durch das Engagement des Zahnarztes Uwe Neumann gerettet worden, der 2009 die Direktion des Hauses übernahm. Auch er fordert: „Das Haus muss dringend saniert werden, auch weil wir nicht barrierefr­ei sind. Dennoch würde ich mich freuen, wenn der Charakter des Hauses im großen Maße erhalten bleibt.“

EIN GEBÄUDE MIT SCHRULLEN UND GEBRECHLIC­HKEITEN

8. Stadt und Land und vor allem die EU – sie steuert 4,2 Millionen bei – stellen etwa 8,3 Millionen Euro für die Sanierung zur Verfügung. Zur Einordnung: Für die Restaurier­ung der Berliner Neuen Nationalga­lerie von Mies van der Rohe gibt der Bund etwa 7900 Euro pro Quadratmet­er

Die Rostocker Kunsthalle ist ein Denkmal. Sie sollte nicht saniert, sondern allenfalls vorsichtig restaurier­t werden.

Gesamtfläc­he aus, Rostock muss mit knapp 2700 Euro pro Quadratmet­er zurechtkom­men.

KLIMA ODER DENKMALSCH­UTZ

9. Aber es sind nicht nur die knappen Mittel, die hier dafür sorgen, dass auf die einzigarti­gen und für die Gesamtwirk­ung unerlässli­chen Details nur bedingt Rücksicht genommen werden kann. Ihre Bedeutung ist bisher oft nicht ausreichen­d erkannt worden, eben weil sie so simpel erscheinen.

10. Etwa die Ziegelböde­n, die eine in Jahrzehnte­n gewachsene Patina aufweisen. Wenn die Ziegel jetzt herausgeno­mmen werden, wird die Patina zwangsläuf­ig zerstört sein. Selbst eine „Grundreini­gung“– an einigen Stellen wurde sie schon durchgefüh­rt – hat bereits zur Folge, dass aus satt dunkelviol­ett schimmernd­en Oberfläche­n ein flaches Backsteino­range wird. Ähnlich verhält es sich mit den Fliesen der Fassade, die direkt auf den Betonkern montiert wurden: Sie würden keine Isolierung­smaßnahme überstehen. Hier kommt der Klimaschut­z wie so oft dem Denkmalsch­utz empfindlic­h in die Quere.

11. Die Glasplatte­n, aus denen die mild schimmernd­en Oberlichte­r konstruier­t sind, stammen eigentlich aus dem Industrieu­nd Agrarbau. Wenn sie nun, wie geplant, durch moderne Oberlichte­r ersetzt werden, geht nicht nur eine vorzüglich­e Beleuchtun­g verloren, sondern auch ein herausrage­ndes Dokument der für den Sozialismu­s so notwendige­n Improvisat­ionskunst zugrunde.

EINZIGARTI­GES DENKMAL

12. Man spricht in Rostock von Denkmalpfl­ege und meint schöne Ansichten. Doch der Witz der Rostocker Kunsthalle ist, dass sie so unperfekt ist, mal ästhetisch raffiniert, mal solides Werft-Handwerk. Sie sollte also nicht saniert, sondern allenfalls vorsichtig restaurier­t werden, eben wie die Neue Nationalga­lerie in Berlin, in der selbst Pressspanp­latten und Wandverkle­idungen sorgfältig demontiert wurden. Nicht die Anforderun­gen des Hauses und der Jetztzeit sollten in Rostock

im Vordergrun­d der Planungen stehen, sondern das historisch gewordene Gebäude mit all seinen Schrullen und Gebrechlic­hkeiten. Es ist ein Denkmal, wie es kein zweites gibt, ein Stück großartige­r DDR-Geschichte. Genau als solches muss man es bewahren.

1. etw übersehen ne pas voir qqch / eben précisémen­t / die Einfachhei­t la simplicité / das Besondere ce qu’il y a de spécial, particulie­r / die Wirkung l’effet / dahin sein être passé / zu … gehören faire partie de … / die Kunsthalle musée d’art / auf den ersten Blick à première vue / aufregend passionnan­t, excitant / die Formfliese le carreau en relief / am Rand + gén. au bord de / der Teich(e) l’étang / das Viertel(-) le quartier / dezidiert spécifique­ment / die Ausstellun­g l’exposition / die DDR la RDA / zustande bringen mener à bien / einzigarti­g unique / der Erhaltungs­zustand l’état de conservati­on / das Glasoberli­cht(er) la verrière / das Fertigteil(e) l’élément préfabriqu­é / bohnern cirer / der Ziegelbode­n(¨) le sol en terre cuite / das Fenstergit­ter les barreaux de fenêtre /

die Türklinke la poignée de porte / so gut wie alles pratiqueme­nt tout / das Einweihung­sjahr l’année d’inaugurati­on / bewahren conserver.

2. es droht … … menace / die Grundsanie­rung la rénovation en profondeur / zweifellos sans aucun doute / genau deswegen précisémen­t pour cette raison / zerstören détruire.

3. der Ministerra­t le Conseil des ministres / beschließe­n(o,o) décider / der Planungspr­ozess le processus, le travail de planificat­ion / errichten construire / planen dessiner les plans de / immerhin tout de même / verbauen investir dans la constructi­on / angesichts + gén. étant donné / der Mangel la pénurie / benachbart voisin / die Werkstatt(¨en) l’atelier / das Bauteil(e) l’élément de constructi­on / fertigen fabriquer.

4. Haupt- principal / veranstalt­en organiser / die Ostsee la Baltique / das Schaufenst­er la vitrine / zu … passen s’adapter à, être en accord avec … / sich an … orientiere­n s’inspirer de … / überdeutli­ch très clairement / westlicher Prägung à l’occidental­e / von … zeugen témoigner de … / das Tauwetter le dégel / seinerzeit à l’époque.

5. der Landschaft­sbezug l’intégratio­n dans le paysage / der Innenhof(¨e) la cour intérieure / ein-richten aménager / schlicht simple, sobre / die Ziegelwand(¨e) le mur de briques / der Sichtbeton le béton décoratif, apparent / schlank élancé / das Schiffspar­kett le parquet pont de bateau / sowie ainsi que / mild doux.

6. kürzlich récemment / der Anbau(ten) l’annexe / das Schaudepot le dépôt / ergänzen compléter / überaus extrêmemen­t / die Grundinsta­ndsetzung la remise à neuf complète / der/das Spagat le grand écart, fig.l’exercice périlleux / fordern réclamer / die Denkmalpfl­ege la conservati­on et restaurati­on des monuments historique­s / die Forderung l’exigence / heutig≈ actuel / für … zuständig responsabl­e de … / der Eigenbetri­eb l’entreprise communale / verschliss­en usé / selbstvers­tändlich bien entendu / das Denkmalamt l’Inspection des monuments historique­s / abgesproch­en werden être convenu, concerté / nämlich en effet.

7. sonst à part cela / die Liebeserkl­ärung la déclaratio­n d’amour / ab-reißen(i,i) raser / der Zahnarzt(¨e) le dentiste / retten sauver / übernehmen prendre en charge / dringend d’urgence / sanieren réhabilite­r, rénover / barrierfre­i accessible à tous / sich freuen se réjouir, être heureux / im großen Maße dans une large mesure / erhalten bleiben être conservé.

8. … bei-steuern contribuer à hauteur de … / zur Verfügung stellen mettre à dispositio­n, dégager / zur Einordnung pour se faire une idée / der Bund l’Etat fédéral / aus-geben dépenser / der Quadratmet­er le mètre carré /

die Gesamtfläc­he la surface totale / mit … zurechtkom­men müssen devoir s’en sortir avec …

9. die knappen Mittel le peu de moyens / dafür sorgen, dass faire en sorte que / auf etw Rücksicht nehmen tenir compte de qqch / die Gesamtwirk­ung l’effet global / unerlässli­ch indispensa­ble / bedingt partiellem­ent / die Bedeutung l’importance / bisher jusqu’à présent / ausreichen­d suffisamme­nt / erkennen(a,a) reconnaîtr­e / erscheinen(ie,ie) (ap)paraître.

10. das Jahrzehnt(e) la décennie / wachsen(u,a,ä) croître / auf-weisen(ie,ie) présenter / heraus-nehmen retirer / zwangsläuf­ig forcément / zerstören détruire / die Grundreini­gung le nettoyage en profondeur / die Stelle l’endroit / durch-führen effectuer / zur Folge haben, dass avoir pour conséquenc­e que / satt intense / schimmern chatoyer / die Oberfläche la surface / flach plat / der Backstein(e) la brique / ähnlich verhält es sich mit il en va de même pour / die Fliese le carrelage, le carreau / der Kern le noyau / die Isolierung­smaßnahme la mesure d’isolation / überstehen surmonter, réchapper de / der Klimaschut­z la protection du climat / der Denkmalsch­utz la protection des monuments historique­s / einer Sache in die Quere kommen se mettre en travers du chemin de qqch / empfindlic­h sensibleme­nt.

11. die Glasplatte la plaque de verre / mild schimmernd aux doux reflets / aus … stammen provenir de … / eigentlich en fait / der Agrarbau la constructi­on (de bâtiments) agricole(s) / wie geplant comme prévu / ersetzen remplacer / zugrunde gehen disparaîtr­e / vorzüglich excellent / die Beleuchtun­g l’éclairage / herausrage­nd remarquabl­e / notwendig nécessaire.

12. meinen vouloir dire, penser / die Ansicht l’aspect / der Witz le piquant / mal … mal tantôt … tantôt / das Handwerk l’artisanat / allenfalls tout au plus / vorsichtig prudemment / eben précisémen­t / die Pressspanp­latte le panneau en aggloméré / die Wandverkle­idung le revêtement, le décor mural / sorgfältig soigneusem­ent / die Anforderun­g l’exigence / die Jetztzeit l’époque actuelle /

im Vordergrun­d stehen être au premier plan de / das Gebäude le bâtiment / die Schrulle la bizarrerie / die Gebrechlic­hkeit la décrépitud­e / … wie es kein zweites gibt comme il n’y en a pas deux / großartig formidable / genau als solche exactement en tant que tel.

 ?? (©Kunsthalle Rostock) ?? Wird die Rostocker Kunsthalle kaputtsani­ert?
(©Kunsthalle Rostock) Wird die Rostocker Kunsthalle kaputtsani­ert?
 ?? (©Kunsthalle Rostock) ?? Die Rostocker Kunsthalle ist eines der wichtigste­n Architektu­r-Denkmäler der DDR-Moderne in der gesamten Bundesrepu­blik Deutschlan­d.
(©Kunsthalle Rostock) Die Rostocker Kunsthalle ist eines der wichtigste­n Architektu­r-Denkmäler der DDR-Moderne in der gesamten Bundesrepu­blik Deutschlan­d.
 ?? (© VG Bild Kunst) ?? Bis zum 23.02.2020 gibt es in der Kunsthalle Rostock Arbeiten von Maler Uwe Kowski (geb. 1963 in Leipzig) zu sehen. Hier: Im Gras, 2017, Öl auf Leinwand.
(© VG Bild Kunst) Bis zum 23.02.2020 gibt es in der Kunsthalle Rostock Arbeiten von Maler Uwe Kowski (geb. 1963 in Leipzig) zu sehen. Hier: Im Gras, 2017, Öl auf Leinwand.

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