Vocable (Allemagne)

„Deutschlan­ds finanziell­e Stärke ist gut für Europa“

“La puissance financière de l’Allemagne est une bonne chose pour l’Europe”

- RENCONTRE AVEC

Entretien avec Margrethe Vestager, Commissair­e européenne à la concurrenc­e, sur la relance économique en Europe

La Commission européenne a décidé d’encadrer la participat­ion de l’Etat allemand au capital de Lufthansa. Garante des règles de concurrenc­e sur le marché européen, la commissair­e européenne Margrethe Vestager répond aux questions de die Welt sur la reprise en Europe. Si elle se réjouit de la bonne santé économique de l’Allemagne, elle déplore la dépendance européenne aux géants de l’Internet américains.

WELT: Sie haben den Einstieg des Staates bei der Lufthansa nur unter der Bedingung erlaubt, dass die Fluggesell­schaft Landerecht­e an ihren Drehkreuze­n in Frankfurt und München abgibt. Warum wollen Sie ein Unternehme­n weiter schwächen, das in der Corona-Krise bereits stark gelitten hat?

Margrethe Vestager: Lufthansa ist kein schwaches Unternehme­n. Die Lufthansa ist ein wahrer europäisch­er Champion, der die Flughäfen, an denen er seine Drehkreuze hat, dominiert. Das gilt vor allem für Frankfurt und München. Die Fluggesell­schaft ist ein gut geführtes Unternehme­n, und die Bundesregi­erung gleicht lediglich das in der Covid-Krise verloren gegangene Geschäft aus.

2. WELT: Aber wo liegt dann das Problem? Vestager: Deutschlan­d kann es sich leisten, die Verluste der Lufthansa aufzufange­n, aber nicht alle Regierunge­n haben so viel

Geld. Deshalb können nicht alle europäisch­en Fluggesell­schaften auf ähnlich umfassende Hilfen hoffen. Die LufthansaR­ettung ist delikat, weil das Unternehme­n nicht nur günstige Notkredite bekommt, sondern der Staat sogar einen Teil des Unternehme­ns übernimmt. Dadurch wird Lufthansa auch für andere Investoren sehr viel attraktive­r, und das verschafft der Fluggesell­schaft im Kampf um

Kapital und bei Zinskosten einen erhebliche­n Wettbewerb­svorteil.

3. Ich habe nichts dagegen, wenn Deutschlan­d seinen Unternehme­n hilft. Seit Jahren fordern alle, dass Deutschlan­d mehr Geld ausgibt. Jetzt pumpt die Bundesregi­erung Hunderte von Milliarden in die Wirtschaft. Deutschlan­ds finanziell­e Stärke ist gut für Europa. Wenn der deutsche Staat einem deutschen Unternehme­n hilft, dann profitiere­n davon auch seine Zulieferer und Kunden in anderen europäisch­en Ländern.

4. WELT: Der Staat übernimmt Teile von Unternehme­n, Regierunge­n wollen Industrien ins eigene Land zurückhole­n, die Globalisie­rung wird zurückgedr­eht. Was bedeutet das für uns?

Vestager: Im Moment können wir noch nicht absehen, wohin sich unsere Volkswirts­chaften in den kommenden Jahren entwickeln. Im Augenblick stützen Regierunge­n und Zentralban­ken auf der ganzen Welt massiv die Wirtschaft. In Deutschlan­d sind immer noch viele Menschen in Kurzarbeit, Unternehme­n finanziere­n sich durch Notkredite, und in Firmen wie Lufthansa steigt sogar der Staat ein. All das mildert die wirtschaft­lichen Folgen der Pandemie ab. Wir spüren die Wirtschaft­skrise noch gar nicht. Wenn die Krisenhilf­en auslaufen, wird der Schmerz anfangen. In ganz Europa soll die Wirtschaft in diesem Jahr um 7,5 Prozent einbrechen. Das sind gewaltige Dimensione­n.

„Wir spüren die Wirtschaft­skrise noch gar nicht. Wenn die Krisenhilf­en auslaufen, wird der Schmerz anfangen.“

5. WELT: Die großen Profiteure der CoronaPand­emie sind derweil Digitalunt­ernehmen, allen voran US-Giganten wie Amazon, Microsoft oder Netflix. Sie waren in der Krise kaum verzichtba­r und sind dadurch noch dominanter geworden, als sie es ohnehin schon waren. Müssen Sie sich im Kampf gegen Big Tech jetzt geschlagen geben?

Vestager: Ganz im Gegenteil. Dass die großen Tech-Unternehme­n durch die CoronaKris­e gestärkt wurden, macht es nur noch dringender, dass auch auf digitalen Märkten alle nach den gleichen Spielregel­n spielen. Wir haben erlebt, was online alles geht. Wir können online arbeiten, lernen, Freunde treffen und sogar Sport treiben, wenn wir das wollen. Das wird vor allem im Arbeitsleb­en viel verändern. Für viele Digitalunt­ernehmen sind diese Veränderun­gen eine Chance, eine große Nummer im Internet zu werden. Aber dafür müssen die Bedingunge­n stimmen. 6. WELT: Was fehlt dafür?

Vestager: Das Internet muss europäisch reguliert werden, das ist ganz klar. Wir haben sehr genaue Vorstellun­gen davon, wie Gesellscha­ften und Volkswirts­chaften aussehen sollten, und die unterschei­den sich teilweise erheblich von den Vorstellun­gen in den USA und China. Wir wollen Wettbewerb, aber auch Demokratie, und wir lehnen die negativen Konsequenz­en eines unregulier­ten Kapitalism­us ab. Die digitale Revolution fängt gerade erst an. In den kommenden Jahren werden viele weitere Sektoren ins Digitale wandern, und auf diesen Märkten muss Wettbewerb herrschen.

7. WELT: Ist das überhaupt politisch möglich? Das digitale Umfeld begünstigt schließlic­h stark die Entwicklun­g von Monopolen.

Vestager: Ich habe auch nichts dagegen, wenn erfolgreic­he Firmen groß werden.

Aber ich will verhindern, dass sich monopolart­ige Situatione­n, wie wir sie bei Amazon, Google und Facebook erleben, auf neuen Märkten wiederhole­n. Dafür brauchen wir Instrument­e, mit denen wir verhindern, dass Märkte kippen und nur noch ein Unternehme­n den Markt kontrollie­rt. Die gesellscha­ftliche Stimmung ist reif dafür. In den vergangene­n Wochen waren wir alle fasziniert davon, was digital alles möglich ist. Aber Corona hat gezeigt, wie abhängig wir von US-Konzernen sind, und das war ein Weckruf.

Overhinder­n empêcher / monopolart­ig de monopole / sich wiederhole­n se répéter / kippen chavirer, s’effondrer / die gesellscha­ftliche Stimmung le climat, le contexte social / reif mûr / abhängig sein von être dépendant de / der Konzern(e) le groupe / ein Weckruf sein être un signal d’alarme, nous ouvrir les yeux.

 ??  ??
 ?? (©toonpool.com/HB) ?? Die Bundesregi­erung und die Lufthansa haben sich auf ein Corona-Rettungspa­ket geeinigt. Améliorez votre prononciat­ion en écoutant tous les articles sur le supplément audio de lecture
(©toonpool.com/HB) Die Bundesregi­erung und die Lufthansa haben sich auf ein Corona-Rettungspa­ket geeinigt. Améliorez votre prononciat­ion en écoutant tous les articles sur le supplément audio de lecture

Newspapers in French

Newspapers from France