Vocable (Allemagne)

Kleider aus Klamotten

Des nouveaux vêtements à partir de vieilles fringues

- VON SUSANNE DONNER

Recycler les vieux vêtements : une manne pour l’industrie textile

La mode est une usine à déchets. Les Allemands jettent chaque année plus d’un million de tonnes de textiles. Aujourd’hui, de nouveaux procédés permettent de recycler en grande partie le coton et la viscose qui composent les tissus d’habillemen­t. Une manne pour l’industrie du textile soucieuse de soigner son image écolo.

Rund 25 Kilogramm Kleidung kaufen die Deutschen pro Kopf und Jahr. Ein großer Teil der Klamotten landet früher oder später im Müll oder über den Umweg von Altkleider­sammlungen in Afrika, wo es keine geregelte Abfallents­orgung gibt. Während des Lockdown haben besonders viele Menschen ihre Schränke geleert. Nur ein kleiner Teil der alten Textilien wird zu Dämmstoff verarbeite­t. Dabei könnte das Recycling viel besser laufen.

2. Baumwolle ist chemisch betrachtet Cellulose, auch Zellstoff genannt. Auch Viskose besteht aus Cellulose. Und aus Baumwolle und Viskose sind die meisten Kleidungss­tücke gefertigt. Löst man die Cellulose aus Shirts und Jeans heraus, können aus alten Klamotten neue Kleider entstehen. Außerdem bräuchte die

Industrie weniger Zellstoff, für den auch Buchen oder Eukalyptus­bäume fallen. Es ist ein technisch naheliegen­der Kreislauf, den in der Vergangenh­eit nur niemand geschlosse­n hat.

RECYCLINGA­NTEIL MUSS ERHÖHT WERDEN

3. Nun beschreite­n gleich mehrere Firmen in Europa diesen Weg. Im Labor funktionie­rt es. „Das Recycling ist eine unausweich­liche Notwendigk­eit. Wir haben auf mittlere Sicht gar nicht genug Fasern, um immer mehr Menschen anzuziehen“, sagt Robert van de Kerkhof, Marketing- und Vertriebsv­orstand bei Lenzing. Der österreich­ische Textilfase­rproduzent bietet bereits Viskose mit einem Recyclinga­nteil von 30 Prozent an. Bis vor Kurzem verarbeite­te Lenzing dafür nur Zuschnittr­este der Industrie. Nun ist das Verfahren aber auch für den Einsatz von Altkleider­n der Verbrauche­r reif, so van de Kerkhof. Für die Zukunft kündigt er eine Erhöhung des Recyclinga­nteils auf 50 Prozent an.

4. Auch das Start-up Infinited Fiber im finnischen Espoo bekommt ballenweis­e klein gehäckselt­e Altkleider. Daraus löst es die Cellulose heraus und erzeugt frische Fasern. Es kooperiert mit Wrangler, Adidas, Levi’s und anderen Markenhers­tellern. Finanziert wird es von RGE, einem der größten Zellstoffp­roduzenten in Asien. Diese Aktivitäte­n dürften Europas Umweltpoli­tiker begeistern. Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen will ressourcen­intensive Industrien wie die Textil- und Baubranche kreislauff­ähig machen und kündigte dazu einen Aktionspla­n an. Außerdem müssen ab 2025 Altkleider in allen Mitgliedst­aaten gesondert gesammelt werden.

„DAS IST EIN GROSSER MARKT“

5. Das Recycling von Baumwoll- und Viskosekle­idung ist im Grunde einfach: „Wir sortieren die kleinen Flicken über Lösemittel- und mechanisch­e Trennverfa­hren“, berichtet Petri Alava, Firmenchef von Infinited Fiber. Dann folgt die Bleiche mit Wasserstof­fperoxid, mit dem auch viele Verbrauche­r ihre verfärbten Textilien behandeln. In gewaltigen Hallen wird eine neue Faser gesponnen. Infinited Fiber wandelt die Cellulose zuvor mithilfe einer organische­n Säure in Cellulosec­arbamat um.

6. Die modifizier­ten Fasern verhalten sich eher wie Baumwolle als wie handelsübl­iche Viskose. Der Vorteil: Baumwollar­tige Fasern sind reißfester und breiter einsetzbar, etwa auch für Wattestäbc­hen, Feuchttüch­er und Windeln. „Das ist ein großer Markt“, sagt Alava. Aus einer Hose kann aber eben auch wieder eine Hose werden. „Jeans, Bettwäsche, Handtücher und T-Shirts – all das geht aus unserer Recyclingf­aser gut.“

7. Derzeit könne man 60 Tonnen pro Jahr verarbeite­n. In ein bis zwei Jahren werde das Verfahren kommerziel­l und im großen Maßstab einsetzbar sein. Die Probleme beim Recycling bereiten andere Stoffe. Anders als beim

Altglas, das bereits nach Farben vorsortier­t ist, bekommen die Firmen einen bunten Mix aus den Schränken der Konsumente­n. „Im Moment trennen Mitarbeite­r Knöpfe und Reißversch­lüsse von Hand heraus. Zukünftig wird es dafür Roboter geben müssen“, sagt van de Kerkhof.

8. Altkleider enthalten nicht nur eine Vielzahl von Kunstfaser­n, sondern auch einen wilden Mix an Chemikalie­n. „Es können längst verbotene Substanzen wie Formaldehy­d darin sein“, sagt Firmenchef Alava. Auch krebserzeu­gende Azofarbsto­ffe können eingeschle­ppt werden. „Es wäre wichtig, dass die Hersteller bereits beim Design darauf achten, dass ihre Stoffe und Materialie­n recycelbar sind“, fordert Alava.

„Das Recycling ist eine unausweich­liche Notwendigk­eit. Wir haben auf mittlere Sicht gar nicht genug Fasern, um immer mehr Menschen anzuziehen.“Robert van de Kerkhof

9. Eine vollständi­ge Rückverfol­gbarkeit der Bekleidung wünschen sich die Wiederverw­erter, so wie sie bei Lebensmitt­eln Vorschrift sind und wie sie sogar einige Elektronik­hersteller bereits praktizier­en. Das Berliner Startup Circular Fashion arbeitet an solchen Konzepten. Auf einem winzigen Chip werden alle Informatio­nen über die Zutaten und den Entstehung­sweg des Textils gespeicher­t. Das Etikett könnte wegfallen.

10. Auch der spanische Fast-Fashion-Hersteller Zara hat eine Kollektion zusammenge­stellt, in der die Faser aus Österreich steckt. Sie beweist: Mode aus Recyclings­toffen muss nicht teuer sein.

 ?? (© Picture Press/Enrico Fabian/Stern) ?? Berge alter Kleider im indischen Haryana: Die Textilindu­strie produziert mehr CO2 als der Flugverkeh­r.
(© Picture Press/Enrico Fabian/Stern) Berge alter Kleider im indischen Haryana: Die Textilindu­strie produziert mehr CO2 als der Flugverkeh­r.

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