„Noch nie war ein Thema derart dominant“
Les mots de l’année 2020 : le coronavirus imprime sa marque
Les mots sont le miroir de notre époque. Sans surprise, la Société pour la langue allemande(GfDS) a élu « Corona-Pandemie » mot de l’année 2020. Peter Schlobinski, linguiste et membre du jury défend ce choix. Et s’épanche sur les « Lockdown » et autres « Black Lives Matter » qui ont aussi marqué l’actualité.
Corona-Pandemie“ist das Wort des Jahres 2020. Ein Satz, der ähnlich spektakulär ist wie „Wasser ist nass“oder „Der FC Bayern wird Deutscher Meister“. Hätte sich die Gesellschaft für deutsche Sprache, die das Wort des Jahres seit 1971
kürt, denn nicht etwas Überraschenderes einfallen lassen können? Peter Schlobinski ist der Vorsitzende der Gesellschaft und hat das Wort des Jahres mit ausgewählt.
2. SZ: Herr Schlobinski, war die Jurysitzung, in der Sie über das Wort des Jahres entscheiden, in diesem Jahr ein bisschen langweilig, weil eh schon klar war, was es wird?
Peter Schlobinski: Nein. Langweilig war es nicht. Aber ich verstehe, auf was Sie hinauswollen. Denn es stimmt: Noch nie war ein Thema derart dominant. Und das Wort des Jahres gibt es schon seit 1971, fast 50 Jahre. Oft kristallisierte sich erst während der Jurysitzung langsam heraus, welches Wort denn der Favorit ist. Das war diesmal anders. Denn jedem in der Runde war von Anfang
an klar, auf Platz eins der Liste kann nur ein Begriff aus dem Corona-Umfeld stehen.
3. SZ: Acht Begriffe in diesen Top Ten hatten mit Corona zu tun. Nur „Black Lives Matter“und das Gendersternchen nicht. Schlobinski: Ich würde sagen, es sind siebeneinhalb. Das Wort Verschwörungserzählung spielte zwar bei den Protesten gegen die Corona-Maßnahmen eine
Rolle, aber man hörte es auch in anderen Zusammenhängen. Interessant sind auch Wörter wie Schulschließungen oder Geisterspiele. Die gab es vorher schon. Aber sie sind jetzt in einen völlig anderen Zusammenhang gerückt, und sie haben eine neue Relevanz bekommen.
„Der Mehrheit der Jury war es wichtig, dass das Wort Pandemie enthalten ist.“
4. SZ: Aber „CoronaPandemie“, benutzt niemand im Alltag. Alle sagen einfach: Corona.
Schlobinski: Ja, das haben wir auch diskutiert. Der Mehrheit der Jury war es aber wichtig, dass das Wort Pandemie enthalten ist. Denn bis zu diesem Jahr verstanden wir unter Pandemie etwas, das vielleicht irgendwo in Afrika stattfindet. Jetzt ist ins Bewusstsein gerückt, dass das auch uns in einem vermeintlich sehr sicheren Land betreffen kann. Aber wenn Sie mich persönlich fragen, für mich hätte es auch nur Corona sein können.
5. SZ: Manche sagen, in Österreich ist die Wahl zum Wort des Jahres kreativer. Dort hatten sie 2016 das Wort Bundespräsidenten-stichwahlverschiebungs... Leider bekomme ich es gerade nicht genau zusammen.
Schlobinski: Ich auch nicht. Aber allein die Tatsache, dass Sie es nicht mehr zusammenbekommen, zeigt, dass das kein gutes Wort des Jahres ist. Ein Wort des Jahres sollte haften bleiben.
6. SZ: „Black Lives Matter“ist auf Platz vier der Liste. Gab es da Diskussionen, weil es ein englischer Begriff ist?
Schlobinski: Nein. Da war eher die Frage, welche Bedeutung es für den deutschen Kontext hat, und das Argument war, dass es hierzulande auch eine Debatte über systemischen Rassismus gibt, und der Begriff deshalb zu Recht auf der Liste steht. Und was englischsprachige Wörter betrifft: Wir haben ja auch Lockdown auf Platz zwei.
7. SZ: Könnte es sein, dass das Wort und das Unwort des Jahres in diesem Jahr identisch sind?
Schlobinski: Das glaube ich nicht. Beim Unwort des Jahres spielt ja immer auch Sprachkritik eine Rolle, also dass ein Wort zum Beispiel in abwertender, vielleicht sogar menschenverachtender Weise benutzt wird. Covidioten wäre vielleicht ein Kandidat.
8. SZ: Und Ihre Prognose für das Jahr 2021? Werden wir dann auch wieder sieben oder acht Corona-Begriffe in der Liste haben? Schlobinski: Ich bin kein Virologe, aber ich hoffe nicht. Vielleicht kommt das Wort „coronabefreit“in die engere Auswahl oder wenigstens „coronareduziert“. Ein kleiner Teil der Corona-Begriffe wird die Pandemie vermutlich überdauern. Lockdown zum Beispiel steht ja bereits im Duden. Aber wenn irgendwann wieder andere Themen in den Fokus rücken, dann verschwindet allmählich auch der Corona-Wortschatz. Und das ist ja vielleicht gut so.