MEHR ALS SIEBEN SPIELZEUGE? WEG DAMIT!
Plus de sept jouets ? Débarrassez-moi ça !
Un enfant d’Europe de l’Ouest détient en moyenne plus de 200 jouets. Si le jeu est indispensable pour la construction d’un individu, les chercheurs préconisent un choix nettement plus restreint. En Bavière, une crèche se livre chaque année à une expérience : trois mois sans jouets. Les éducateurs y font des observations surprenantes.
Kein Kram. Keine Holzeisenbahn, keine Bagger und keine Puppe, nicht einmal Malstifte. Zwölf Wochen lang erleben die Kinder im städtischen Kindergarten Penzberg das, was man bei Erwachsenen als Minimalismus bezeichnen würde: Morgens kommen die Drei- bis Sechsjährigen in ihre Gruppenräume und finden dort Tische, Stühle, Kissen, Teller vor, draußen einen Garten – und die anderen Mädchen und Jungen. Und sonst nichts.
2. Alle drei Jahre wird der Kindergarten in der bayerischen Kleinstadt drei Monate lang zum „spielzeugfreien Kindergarten“, seit 30 Jahren. Wie halten die Kleinen und ihre Erzieher das aus? „Im ersten Monat wird es sehr, sehr laut“, sagt Tamara Eberl, stellvertretende Leiterin des Kindergartens. „Im zweiten kommen sie auf sehr kreative Spielideen. Und im dritten Monat kann
man dann sehen, wie sonst stille Kinder plötzlich den Ton angeben, laute Kinder ruhiger werden.“
3. Drei Monate ohne Spielzeug – für ein modernes mitteleuropäisches Kind ist das eine extrem außergewöhnliche Situation. Britische Forscher errechneten vor einigen Jahren die durchschnittliche Anzahl der Spielzeuge, die jedes Kind besitzt. Sie kamen auf die Zahl 238. Doch was machen so viele Dinge eigentlich mit kleinen Menschen?
GROSSE AUSWAHL, SCHLECHTE KONZENTRATION
4. Forscher vieler Fachrichtungen sind sich einig: Spielen ist ein bedeutender Pfeiler für die Persönlichkeitsentwicklung – und eine biologische Konstante. Nicht nur Menschen spielen, sondern auch Tiere wie Elefanten, Delfine, Hunde, Wölfe, Katzen oder Rabenvögel. „Spielen ist unser Mittel, um in den Dialog mit der Welt zu treten, unser Verhältnis zur ihr zu testen“, sagt Jens Junge, Direktor am Berliner Institut für Ludologie, wie Spielforschung in der Wissenschaft genannt wird. „Ich würde sogar sagen, es ist das Trainingscamp für das Leben.“
5. Fachleute wie Junge sprechen deshalb vom „Homo ludens“: Der Mensch spielt, seit es ihn gibt. Das älteste bekannte Spielzeug – der Löwenmensch aus dem Lonetal, eine Statue aus Mammut-Elfenbein – wurde vor rund 40.000 Jahren geschnitzt. Neurobiologen gehen sogar davon aus, dass das Spielen ein entscheidender Faktor für die Menschwerdung
war und eine Grundlage für die Fähigkeit des abstrakten Denkens darstellt.
6. „Auch Erwachsene spielen andauernd – nämlich dann, wenn sie denken. Sie haben nur die Spielweise geändert. Sie machen statt Kinderspielen Gedankenspiele“, schreibt der Neurobiologe Gerald Hüther in seinem Buch „Rettet das Spiel!“. Die menschliche Kultur, jede Musik oder Kunst sei bei
Lichte besehen nichts als die
Folge immer schönerer und komplexerer Spiele. So ist es kein Wunder, dass Eltern ihre
Kinder intuitiv mit Spielzeug überschütten.
7. Das Problem ist nur: Viel hilft hier nicht viel. Studien zeigen, dass sich Spielzeug im Überfluss eher nachteilig auswirkt. Stehen Kinder vor einer zu großen Auswahl, können sie sich schlechter konzentrieren – und spielen weniger kreativ.
8. In einer vielzitierten amerikanischen Studie aus dem Jahr 2018 beobachteten Forscher Kinder im Alter zwischen acht Monaten und zweieinhalb Jahren in zwei Zimmern. In einem gab es vier, im anderen 16 Spielzeuge. Im ersten, vergleichsweise leeren Raum spielten die Kinder deutlich länger und fantasievoller. Im Raum mit 16 Spielsachen sprangen sie häufig hin und her, ohne sich mit einem Ding eingehender zu befassen. Da Kinder beim Spielen auch lernen, sich zu fokussieren und zu konzentrieren, sei es hilfreich für die Entwicklung, ihnen nicht zu viele Sachen zur Verfügung zu stellen und sie damit zu überfordern, schreiben die Wissenschaftler im Magazin „Infant Behaviour and Development“.
9. „Drei bis sieben Spielzeuge für Kinder ab drei Jahren sind völlig ausreichend“, sagt auch der Experte Junge. Kleinere Kinder brauchen gar keine Spielzeuge im eigentlichen Sinn; ihnen reichen Gegenstände mit unterschiedlichen Oberflächen.
Fachleute wie Junge sprechen deshalb vom „Homo ludens“: Der Mensch spielt, seit es ihn gibt.
10. Allerdings sind viele Spielzeuge heute sehr ausgestaltet; das heißt, sie verleiten das Kind dazu, die Dinge auf eine vorgegebene Art und Weise zu verwenden – dabei aktivieren Kinder aber weniger neuronale Netzwerke. Die mädchenhafte Puppe lädt ein zum An- und Ausziehen, der Bagger zum Schaufeln. In Kindergarten und Schule kommt hinzu, dass die Betreuen
den häufig Spielzeuge präsentieren oder bei Problemen Lösungen anbieten.
11. „Wenn Kinder aber niemals die Erfahrung machen, selbst ein Hindernis überwinden zu müssen, sich etwas auszudenken oder mal Langeweile zu erleben – dann ist das fatal für die Entwicklung wichtiger Lebenskompetenzen“, erklärt Strick.
12. Ein Erlebnis ist dem Pädagogen in Penzberg besonders im Gedächtnis geblieben: Während der spielzeugfreien Zeit wollten einige Kinder im Garten ein Wigwam bauen. Dafür schafften sie Holzstöcke heran, die sie kegelförmig aufstellten – und die immer wieder umfielen. „Es dauerte drei Stunden, bis die Kinder darauf kamen, um die Spitze des Wigwams ein haltendes Seil zu schlingen“, berichtet Strick. „Für die Kinder war das am Ende ein unglaubliches Erfolgserlebnis. Aber Sie hätten nur mal die Erzieherinnen während der drei Stunden sehen sollen.
Sie hielten es kaum aus.“Kinder einfach machen lassen: Das falle Erwachsenen schwer.
EINE NEUTRALE PUPPE REGT DIE FANTASIE AN
13. In ganz Deutschland, Österreich, der Schweiz, in den USA und der Türkei wenden Kindergärten inzwischen das bayerische Konzept an. Erzieher, Lehrer und Pädagogen berichten von guten Erfahrungen: „Gerade Migrantenkinder kommen in der Sprachentwicklung während dieser Zeit voran. Denn sie können sich nicht mehr hinter Malsachen verstecken – sie müssen mit anderen Kindern sprechen“, erzählt die Penzberger Erzieherin Tamara Eberl.
14. Wiebke Waburg, Professorin für Pädagogik an der Universität Koblenz hat sich mit dem Thema Jungs- und Mädchenspielzeug befasst. „Weil Kinder im Spiel sozusagen das Leben üben und sich mit den Spielzeugen identifizieren, sollte man sie nicht ab der frühen Kindheit in strenge Geschlechterrollen stecken“, stellte sie fest. 15. Waburg und Spielpädagogen Volker Mehringer haben für ein Buch über den Stand der Spielforschung nach einer Definition für „gutes Spielen“gesucht. Auf drei Merkmale verwiesen alle wissenschaftlichen Theorien: Spielen ist frei von einem Zweck. Es ist freiwillig. Und es macht Spaß. Das entspricht neurobiologischen Erkenntnissen. Der Hirnforscher Hüther geht davon aus, dass der Mensch sein Selbst erst beim absichtslosen Spiel entfalte. Gute Ideen entstehen oft nicht am Schreibtisch; Menschen bekommen sie unter der Dusche, im Halbschlaf, beim Tennis. Eben dann, wenn sie Spaß haben und entspannt sind.
16. Eltern, die ihren Nachwuchs bestmöglich fördern wollen, sollten also Folgendes beachten: Nicht zu viel Spielzeug anbieten, nicht zu sehr vorgefertigtes Spielzeug vor allem, Dinge wählen, die dem Alter und dem Kind entsprechen. Und ansonsten: Die Kleinen einfach mal machen lassen.