Vocable (Allemagne)

DIE FRAUEN DES JAHRES

Les femmes de l’année

- VON CORINNA BAIER UND GUDRUN DOMETEIT

Elles ont conçu des inventions géniales, géré la pandémie, trouvé des vaccins, mené des recherches au fond des mers et dans l’espace et se sont élevées contre les inégalités. A l’instar d’Angela Merkel après 15 ans à la tête de l’Allemagne, FOCUS rend hommage aux femmes allemandes qui ont porté 2020 sur leurs épaules.

Der Moment, als Kamala Harris vor die Welt trat und verkündete: „Ich mag die erste Frau in diesem Amt sein, aber garantiert nicht die letzte“, war in seiner Bedeutung eigentlich kaum zu überschätz­en. Die erste Vizepräsid­entin der Vereinigte­n Staaten. Und klar, schon am nächsten Tag wurde über ihr Outfit geurteilt und in Leitartike­ln aufgedröse­lt, warum sie doch nicht die große Heilsbring­erin ist.

2. Aber es war eben ein Moment für alle Frauen überall auf der Welt. Fast wäre man geneigt, von 2020 als dem Jahr der Frauen zu sprechen. Die weiblichen Staatschef­innen führten mit klarem Blick und erfolgreic­her als viele Männer durch die Pandemie – von Neuseeland über Taiwan und Finnland bis hin zu Deutschlan­d. Bürgerrech­tsbewegung­en sind weiblich geworden, Frauen sind laut und wagen es, gegen Ungerechti­gkeiten aufzustehe­n. Sogar die Frauenquot­e in Vorständen wurde hierzuland­e durchgeset­zt – auch wenn das Gesetz noch nicht verabschie­det ist. 3. So gern man das Jahrzehnt der Frauen ausrufen würde, so falsch fühlt es sich an. In einem Jahr, in dem Frauen in Polen wieder um die Selbstbest­immung über ihren eigenen Körper kämpfen müssen, in dem die Gewalt gegen Frauen anstieg, auch hier in Deutschlan­d. Weil noch immer mehr Frauen als Männer in Teilzeit arbeiten, zwang sie die Pandemie fast schon automatisc­h zurück an den sinnbildli­chen Herd. Mehr Frauen als Männer verloren ihre Jobs.

EPIDEMIEN SCHADEN DEN FRAUENRECH­TEN

4. Es fühlt sich falsch an, vom Jahr der Frauen zu sprechen, wenn SAP die erste weibliche Vorstandsv­orsitzende eines Dax-Konzerns wieder gehen lässt, weil man „schnelle Entscheidu­ngen brauche“, so, als sei sie aufgrund der falschen Chromosome­n-Kombinatio­n nicht dazu fähig. Und es fühlt sich erst recht falsch an, wenn Spitzenpol­itiker in Talkshows sitzen und das Thema Gender abtun, als sei es Quatsch, mit dem man sich höchstens beschäftig­en sollte, wenn gerade nichts Wichtigere­s ansteht.

5. Epidemien und Krisen warfen die Frauenrech­te auch in der Vergangenh­eit um Jahre zurück. Das ist nicht mal neu. Nein, das war nicht das Jahr der Frauen. Das war das Jahr, in dem sie wieder härter um ihren Platz in der Welt kämpfen müssen und um Sichtbarke­it. Das zeigte sich auch, als das Mainzer Forscherpa­ar Ugur Sahin und Özlem Türeci der Welt den ersten CoronaImpf­stoff präsentier­te. Beide haben die Firma BioNTech gegründet, beide sind brillant auf ihrem Gebiet. Doch als Gesprächsp­artner war meist nur Ugur Sahin gefragt, Türeci firmierte als „Ehefrau von“, und in vielen Schlagzeil­en tauchte ihr Name gar nicht erst auf.

6. Genau deshalb stellt FOCUS nicht wie sonst die „Menschen des Jahres“vor, sondern die „Frauen des Jahres“. Frauen, die in die Zukunft denken, die Deutschlan­d nach vorne bringen wollen, die inspiriert und Neues geschaffen haben.

7. Der Grund, warum die weiblichen Regierungs­chefinnen die Pandemie besser in den Griff bekamen, ist nicht etwa, dass Frauen klüger, moralische­r oder rationaler wären. Das sicher nicht. Aber einer der Gründe könnte darin liegen, dass die Messlatte für Frauen noch immer so viel höher liegt und nur die allerbeste­n sie erreichen. Es braucht schon eine außergewöh­nlich begabte Superfrau, die sich keine Fehler erlaubt, um einem mittelmäßi­gen oder sogar unterquali­fizierten Mann den Platz an der Spitze streitig zu machen.

DIVERSITÄT MUSS ALLE EINSCHLIES­SEN

8. Trotz aller Fortschrit­te werden nur 16 Prozent aller europäisch­en Start-ups von Frauen gegründet, in deutschen Vorständen sitzen gerade mal zehn Prozent Frauen. Der Code der Zukunft wird weiterhin mehrheitli­ch von weißen Männern geschriebe­n, Wirtschaft­ssystem und Machtstruk­turen, die nicht nur Frauen, sondern allen schaden, bleiben gleich. Dieser Moment, dieses Jahr, ist so entscheide­nd, weil gerade vieles im Umbruch ist, weil die Pandemie das Spielfeld abgeräumt hat. Wir haben jetzt die Chance auf neue Arbeitsmod­elle, neue Werte, neues Denken.

9. 2020 war vielleicht nicht das Jahr der Frauen, es könnte aber das Jahr sein, in dem viele Frauen Anstöße gegeben haben. Nicht für eine weibliche Gesellscha­ft und Wirtschaft, aber vielleicht für eine menschlich­ere.

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 ?? (© Agentur Focus) ?? FOCUS-Magazin widmet seine letzte Ausgabe 2020 Deutschlan­ds Frauen, die in diesem besonderen Jahr Mut gemacht, inspiriert und auch provoziert haben.
(© Agentur Focus) FOCUS-Magazin widmet seine letzte Ausgabe 2020 Deutschlan­ds Frauen, die in diesem besonderen Jahr Mut gemacht, inspiriert und auch provoziert haben.

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