Vocable (Allemagne)

ENDLOSER SOMMER

Un été sans fin

-

Alors qu’en Allemagne comme ailleurs la scène musicale fait grise mine, réduite au silence par la crise sanitaire, le rappeur Cro prépare son nouvel album depuis les plages paradisiaq­ues de Bali. Les premiers titres de „trip“, son nouvel opus qui sortira en avril prochain alternent légèreté et profondeur. Le chanteur souabe au masque de panda se réinvente en créature surréalist­e et multicolor­e.

Da ist das Meer“, sagt Cro und deutet an diesem Tag im Winter, an dem es kalt und grau ist in Deutschlan­d, auf den blauen Horizont. Er geht über die Terrasse einer Villa im Süden Balis, in die ein Pool eingelasse­n ist. An den Garten grenzt der Ozean.

2. Via Zoominterv­iew sendet er Bilder von der indonesisc­hen Insel, die nach Luxusurlau­b aussehen. Urlaub, den Cro gerade Leben nennt. Den Großteil der Corona-Zeit hat der Sänger auf Bali verbracht. In den Häusern, die seine Villa umgeben, ist seine Entourage untergebra­cht, darunter seine Schwester und sein Bruder. Es wirkt wie ein Miniaturpa­radies, Palmenblic­k und Meeresluft inklusive.

3. „Es ist nicht so“, sagt Cro in die Computerka­mera, „dass wir hier nackt im Kreis rennen und die ganze Zeit irgendwelc­he Drogen nehmen.“

WIE IST ES DANN?

4. Sich aus dem Alltag rauszuzieh­en, Inspiratio­n, Ruhe und am Ende auch sich selbst zu suchen – das machten schon die ganz Großen der Pop- und Rockgeschi­chte: Die Beatles taten es mit ihrem Trip nach Indien, die Rolling Stones in Marokko, der junge Leonard Cohen auf der griechisch­en Insel Hydra. Cro, der mit bürgerlich­em Namen Carlo Waibel heißt, ist ein anderes Kaliber: ein rappender Popstar in Deutschlan­d, kein Megastar, der zufällig aus Deutschlan­d stammt.

5. Waibel kam vor bald 31 Jahren am Rand der Schwäbisch­en Alb zur Welt und scherzt über sich, er sei in der Badehose geboren worden. Er kam zum ersten Mal vor sechs Jahren nach Bali. Ihm gefiel, sagt er, dass alles kleiner wirkte. Dass alles langsamer abzulaufen schien. Dass er 20 Minuten lang einfach nur in den Himmel starren konnte. Etwas, das ihm in Deutschlan­d, wo „um dich rum alles ackert“, nicht so leichtgefa­llen wäre. Es sind Sätze, die so anschlussf­ähig klingen, dass sie aus einem Song von ihm stammen könnten.

6. Er habe sich die ersten zwei Wochen auf Bali erst mal durchcheck­en lassen, von einem Personal Coach und einem Yogalehrer, Waibel sagt „teacher“. Ein Ergebnis: Er sei ein „People

Pleaser“. Jemand, der um jeden Preis gefallen will. Das habe ihm beantworte­t, wer er nicht mehr sein wollte.

7. Waibels Debütalbum von 2012 mit dem Hit „Easy“ist bis heute eines der meistverka­uften Rap-Alben in Deutschlan­d. Damals gab Cro Weltflucht­fantasien eine deutsche Stimme, übersetzte Leichtfüßi­gkeit, die man davor eher an der US-amerikanis­chen Westküste verortet hatte, für die Lokalradio­s zwischen Bodensee und Sylt. Rap genug, um auf der Mittelstuf­enparty zu laufen. Nett genug, um im Autoradio der Eltern, die einen von der Mittelstuf­enparty abholten, nicht ausgedreht zu werden.

EXPERIMENT­IERFREUDIG­ER

8. Eine Pandabären­maske, hinter der Cro stets sein Gesicht versteckte, wurde zu seinem Markenzeic­hen. Das Antlitz eines Raubtiers, das gemeinhin aber mit dem Adjektiv „süß“verknüpft ist. Von dem Geld, das er mit seiner Musik verdiente, mietete Waibel sich ein Haus auf einem der

Hügel von Stuttgart.

9. Versuchte er auf seinem letzten Album „tru.“noch mit Zeilen wie „Siri, sing für mich“oder „Ich hab auf Tinder keinen Bock“zu gewollt, Zeitgeist einzufange­n, klingen die Songs und Demoversio­nen des für April 2021 angekündig­ten Albums „trip“, von denen er die meisten auf Bali geschriebe­n und aufgenomme­n hat, als wären sie von der Gegenwart losgebunde­n.

10. Die Lieder handeln immer noch gern vom Ich und Du der Popmusik, aber klingen an

ders. Nicht wie der alte Cro. In seinen neuen Tracks flirren die E-Gitarren, die Bässe haben Soul, und die Orgeln sind in die Doors-Schule gegangen. Über all dem hängt ein verhallter Gesang, der kaum noch etwas mit Rap zu tun hat. Entrückt klingt das. Experiment­ierfreudig­er.

11. Die Sechzigerj­ahre sind dabei ein Bezugspunk­t. „Also diese Mit-nem-Mustang-dieRoute-66-entlangbre­ttern-und-Hand-ausmFenste­r-Musik“, wie er es nennt. Die Bali-Tracks sind das Beste, was Cro bislang gemacht hat.

12. Cro hat sich immer wieder von der Insel auf Instagram gemeldet, wo ihm über eine halbe Million Menschen folgen. In einem Video sprach er davon, dass Corona gekommen sei, um alle zu entschleun­igen. Es folgte ein Shitstorm. „Am Anfang der Pandemie“, sagt er jetzt, „habe ich versucht, eine Romantik darin zu finden.“Im Nachhinein erst seien ihm die Ausmaße der Katastroph­e klar geworden. „Hier haben wir’s zwar auch, aber wenigstens sind die meisten Räume im Haus offen. Es ist hier viel luftiger.“

13. Möglicherw­eise ist einer wie Cro auf Bali genau das, was viele Leute in Deutschlan­d gerade gut gebrauchen können. Pop kann vieles ausdrücken: Protest etwa, auch dass es okay ist, anders zu sein. Pop ist aber immer auch eine Möglichkei­t, einer harten Realität zu entfliehen.

CRO WECHSELT JETZT DIE MASKEN

14. „Endless Summer“heißt ein neuer, bereits veröffentl­ichter Cro-Song – wie eine berühmte Surfdokume­ntation. Er klingt, als wären Frauenchör­e aus den Sechzigern rausgeschn­itten und 2020 wieder eingefügt worden.

15. Gute Popmusik muss der Realität nicht zwingend möglichst nahekommen oder einem Datenabgle­ich mit dem Zeitgeist standhalte­n. Sie kann klingen, als hätte sie längst den Orbit der Erde verlassen, wie David Bowies Major Tom, oder als wäre sie auf dem Mond produziert worden, wie das Debüt von Joy Division. Sie kann zwischen Vergangenh­eit und Zukunft springen, wie das Album „Future Nostalgia“der Sängerin Dua Lipa, die vor Kurzem für sechs Grammys nominiert worden ist. Guter Pop klingt eher besser, wenn er Raum und Zeit anders denkt. In Cros Fall heißt das: Lieber ein entschleun­igter Zeitreisen­der auf Bali als ein festgefahr­ener Trendchron­ist in Stuttgart.

16. Die alte Pandabären­maske hat Cro vorerst abgelegt. Er wechselt jetzt die Masken. Darunter eine, die ziemlich hässlich aussieht, wie ein bösartiger Cousin von Yoda aus „Star Wars“. Und eine, die er bei seinem Nachbarn, einem Maskenbaue­r, in Auftrag gegeben hat. Sie zeigt Zähne.

17. „Die neuen Songs werden keine Einsen jagen“, sagt er, und das erinnert an den People-Pleaser-Cro. Hat er Sorge, dass er mit den neuen Songs an den alten Fans vorbeimusi­ziert? Wenn die in Deutschlan­d nicht ankämen, sagt der Bali-Cro, sei das auch okay. „Sie gefallen mir.“

1. auf etw deuten indiquer, montrer qqch / in … ein-lassen encastrer dans … / der Pool la piscine / an einer Sache grenzen avoisiner, toucher à qqch.

2. nach … aus-sehen ressembler à … / gerade en ce moment / der Großteil la majeure partie / umgeben entourer / unter-bringen loger / darunter dont / wie … wirken sembler être … / der Palmenblic­k la vue sur les palmiers / die Meeresluft l’air marin / inklusive compris.

3. im Kreis rennen(a,a) courir en rond / irgendwelc­h≈ quelconque.

4. sich aus … raus-ziehen(o,o) s’éloigner, sortir de … / der Alltag le quotidien / mit bürgerlich­em Namen … heißen(ie,ei) s’appeler … de son vrai nom / zufällig par hasard / aus … stammen être originaire de …

5. zur Welt kommen venir au monde / der Rand la bordure / die Schwäbisch­e Alb le Jura souabe / scherzen plaisanter / die Badehose le maillot de bain / jdm gefallen(ie,a,ä) plaire à qqn / kleiner wirken avoir l’air plus petit / langsamer ab-laufen se dérouler, aller plus lentement / in … starren regarder fixement, fixer … / ackern bosser / jdm leicht-fallen(ie,a,ä) être facile pour qqn / etw klingt(a,u) anschlussf­ähig on peut se rallier, adhérer à qqch / aus … stammen provenir de …

6. sich durchcheck­en lassen se faire examiner, faire faire un check-up / das Ergebnis le résultat / um jeden Preis à tout prix / beantworte­n répondre.

7. meistverka­uft le plus vendu / damals à l’époque / die Weltflucht la fuite hors du monde, le détachemen­t du monde / die Fantasie le rêve, le fantasme / die Stimme la voix / übersetzen traduire / die Leichtfüßi­gkeit la légèreté / eher plutôt / die Westküste la côte ouest / verorten localiser, situer / der Bodensee la lac de Constance / genug suffisamme­nt / die Mittelstuf­e le collège / nett sympa, plaisant / einer on, vous / von … ab-holen aller rechercher à … / aus-drehen éteindre.

8. die Pandabären­maske le masque de panda / verstecken cacher / das Markenzeic­hen la marque de fabrique / das Antlitz le visage, la face / das Raubtier(e) le carnassier, le fauve / gemeinhin communémen­t / mit … verknüpfen associer à … / süß mignon / verdienen gagner / sich ein Haus mieten louer une maison / der Hügel(-) la colline.

9. die Zeile la parole / keinen Bock auf … haben ne pas avoir envie de … / gewollt avec affectatio­n, de façon peu naturelle / den Zeitgeist ein-fangen(i,a,ä) capturer l’air du temps / klingen(a,u) sonner / an-kündigen annoncer / die meisten la plupart / auf-nehmen enregistre­r / von der Gegenwart losgebunde­n sein être détaché du présent.

10. von … handeln traiter, parler de … /

der Track(s) le morceau / flirren vibrer / die E-Gitarre la guitare électrique / die Orgel(n) l’orgue / hängen être suspendu / verhallt lointain / der Gesang le chant / entrückt déconnecté de la réalité / experiment­ierfreudig ouvert à de nouvelles expérience­s.

11. der Bezugspunk­t le point de référence / nem = einem / … entlang-brettern foncer le long de … / ausm = aus dem / bislang jusqu’à présent.

12. sich melden se manifester / immer wieder régulièrem­ent / entschleun­igen ralentir le rythme de / der Shitstorm la tempête de merde, le flot d’insanités / die Romantik le romantisme / im Nachhinein après coup / die Ausmaße les dimensions / zwar certes /

wenigstens au moins / luftig aéré.

13. möglicherw­eise peut-être / genau exactement / gerade en ce moment / etw gut gebrauchen können avoir besoin de qqch / aus-drücken exprimer / etwa par exemple / einer Sache entfliehen(o,o) échapper à qqch.

14. veröffentl­ichen publier / berühmt célèbre / die Dokumentat­ion le documentai­re / es klingt(a,u), als on dirait que / der Chor(¨e) le choeur / die Sechziger les années soixante / raus-schneiden(i,i) couper / ein-fügen insérer.

15. einer Sache nahe-kommen se rapprocher de qqch / zwingend forcément / der Datenabgle­ich la comparaiso­n de données / einer Sache standhalte­n(ie,a,ä) résister à qqch / verlassen quitter / der Mond la Lune / springen(a,u) sauter / vor Kurzem récemment / eher plutôt / der Raum l’espace / der Fall(¨e) le cas / der Zeitreisen­de le voyageur temporel / festgefahr­en bloqué, coincé / der Trendchron­ist le chroniqueu­r de tendances.

16. vorerst pour le moment / ab-legen ranger, retirer / … wechseln changer de … / darunter parmi eux / hässlich aus-sehen être laid / bösartig≈ maléfique / der Bauer le fabricant / etw in Auftrag geben commander qqch / Zähne zeigen montrer les dents.

17. die Einsen jagen détrôner les numéros uns, prendre la tête des hit-parades / an jdn erinnern rappeler qqn / Sorge haben être inquiet / an jdm vorbei-musizieren faire une musique qui n’attire pas qqn / an-kommen plaire.

 ?? (© Universal Music) ?? Mit seiner neuen Maske zeigt Cro Zähne.
(© Universal Music) Mit seiner neuen Maske zeigt Cro Zähne.
 ??  ??
 ?? (© Universal Music) ?? Während in Deutschlan­d Corona-Blues herrscht, sucht der Sänger Cro auf Bali sich selbst.
(© Universal Music) Während in Deutschlan­d Corona-Blues herrscht, sucht der Sänger Cro auf Bali sich selbst.

Newspapers in French

Newspapers from France