KLASSISCHE ELEGANZ
Berge kann man nicht versetzen, aber Wände. Das dachten sich auch Anna Helfenstein und ihr Mann und gestalteten ihr neu erworbenes Zuhause nach eigenem Gusto.
Anna und ihre Familie wohnen in einem so genannten „Kaffeemühlenhaus“
Als Anna das Haus zum ersten Mal betrat, war sie etwas verwundert über den Grundriss. „Das Erdgeschoss bestand aus vielen kleinen Räumen, in den wunderschönen Garten gelangte man nur durch eine schmale Tür in der Küche und insgesamt war alles ziemlich verwinkelt“, erzählt die Hausherrin. Was ihr jedoch imponierte, war die Höhe der Räume, die typisch ist für „Kaffeemühlenhäuser“. Seit 2012 wohnen Anna und ihre Familie in einem solch würfelartigen Wohngebäude mit Walmdach. Sie wurden im 19. Jahrhundert sehr häufig errichtet und prägen in deutschen Städten vor allem die ehemaligen, mittlerweile eingemeindeten Vororte. Durch die offene Gestaltung des Wohnbereichs im Parterre kommt diese Höhe jetzt noch viel besser zur Geltung. „Dafür haben wir viele Wände eingerissen“, erklärt Anna. Ein schmales Wandrelikt befindet sich neben dem Esstisch und bietet den idealen Platz für ein altes, weiß getünchtes Küchenbüffet. Doch was der Familie besonders gut gefiel, war der idyllische, etwa 600 Quadratmeter große Garten. „Ein so großes Grundstück findet man heutzutage selten in einer Stadt. Vermutlich ist es der Tatsache geschuldet, dass unser Heim eine ehemalige Friedhofsgärtnerei ist“, erklärt Anna. Ober
ste Priorität bei der Renovierung hatte deshalb, das Haus zum Grün hin zu öffnen, eine optische sowie räumliche Verbindung zu schaffen. Dies gelang nicht nur durch den Einbau bodentiefer Fenster entlang der gesamten Gartenseite. Ein Anbau, in dem das Esszimmer mit Klavier untergebracht ist, sowie daneben eine große Terrasse mit breiter, dem Alter und Stil des Hauses angepasster Sandsteintreppe, waren der Schlüssel. Von dem Anbau profitiert auch die Tochter: Von ihrem Zimmer im ersten Obergeschoss aus kann sie auf eine Dachterrasse spazieren. „Die Küche haben wir zur Straßenseite hin verlegt, sie ist inzwischen einer unserer Lieblingsorte“, erklärt Anna. Die antiken Holzstühle, von denen keiner dem anderen gleicht, und die Bank sind noch Überbleibsel aus ihrer Studentenzeit, die sie zum Einzug weiß tünchte und so den modernen Einbauschränken farblich anpasste. Eine nostalgische Schiebetür mit Sprossenfenstern trennt die Küche vom Wohn- und Esszimmer. Weißnuancen und Cremetöne an Wänden und Decken bilden im gesamten Haus die Basis und einen neutralen Hintergrund für die zahlreichen Antiquitäten. Sie stammen aus verschiedenen Quellen. Eine wunderschön gemaserte Kommode aus Kirschbaumholz im Wohnzimmer etwa, auf
die man direkt aus dem Flur kommend blickt, war das eigenhändig gezimmerte Hochzeitsgeschenk von Annas Ur-Ur-Großvater, Schreiner von Beruf, an ihren Ur-Großvater. Dem mächtigen Kleiderschrank einer Tante ihres Vaters verpasste Anna einen hellen Anstrich und Einlegeböden; im Wohnzimmer beherbergt er nun Geschirr und andere Dinge. Die Schulbank im Zimmer ihrer Tochter rettete Anna vom Sperrmüll, das kunstvoll gearbeitete Bett ihres Sohnes stammt von einem Antiquitätenhändler. „Die vielen Erbstücke und Raritäten aus vergangenen Zeiten verleihen unserem Zuhause etwas Einzigartiges“, ist Anna überzeugt. Sie harmonieren zudem perfekt mit den baulichen Überbleibseln aus der Entstehungszeit des Gebäudes, etwa der geschwungenen Holztreppe ins Obergeschoss. Die gemusterten Zementfliesen am Treppenfuß wurden neu verlegt, sind jedoch sorgfältig und stilgerecht ausgewählt. Auch die Fensterläden im Obergeschoss sind keine Originale mehr, jedoch nach historischem Vorbild gefertigt. Fast ein Jahr lang dauerte die Renovierung des Hauses. „Ich war damals hochschwanger mit meiner Tochter, und mein Sohn war noch sehr klein, daher ließen wir fast alles von Handwerkern vornehmen“, erzählt die Hausherrin. Nur das Dachgeschoss baute
die Familie später selbst zu einem einzigen, großen Studio aus. Genutzt wird es heute als Gästezimmer und Büro. Im ersten Obergeschoss befinden sich neben den Kinderzimmern das Elternschlafzimmer sowie ein weitläufiges Badezimmer. In jedem Raum ist die Liebe zum Detail zu spüren, mit der die Hausherrin dekoriert: Hier ein Sträußchen aus bunt gefärbtem, wilden Wein, dort ein Teelicht mit Zierkürbis, lilafarbene Kissen und türkise Accessoires als Farbtupfer zwischen den warmen Naturtönen. „Auch wenn ich am liebsten natürliche Materialien aus dem Garten verwende: Kontraste müssen sein, sonst wird es langweilig“, erklärt Anna. Wichtig ist ihr jedoch, dass das Ambiente klar wirkt, nicht überladen und ohne viele Schnörkel oder Krimskrams. So finden sich auch an den Wänden wenige Bilder, was nicht nur die Weite und Größe der Räume unterstreicht. Das Interieur strahlt so Ruhe und Eleganz aus. Selbst in der Adventszeit zaubern lediglich einige wenige Tannenzweige und Zapfen, gepaart mit Kerzen, eine friedvolle Atmosphäre in das Zuhause. Wenn an Weihnachten noch Schnee den Garten bedecken würde, wäre das Ambiente perfekt. ◆