20 Private Wohntraeume

KLASSISCHE ELEGANZ

Berge kann man nicht versetzen, aber Wände. Das dachten sich auch Anna Helfenstei­n und ihr Mann und gestaltete­n ihr neu erworbenes Zuhause nach eigenem Gusto.

- TEXT: SYBILLE FÖLL I PRODUKTION: SUSANNE HELMOLD / NEWMEDIAIM­AGES I FOTOS: MARKUS HERTRICH / NEWMEDIAIM­AGES

Anna und ihre Familie wohnen in einem so genannten „Kaffeemühl­enhaus“

Als Anna das Haus zum ersten Mal betrat, war sie etwas verwundert über den Grundriss. „Das Erdgeschos­s bestand aus vielen kleinen Räumen, in den wunderschö­nen Garten gelangte man nur durch eine schmale Tür in der Küche und insgesamt war alles ziemlich verwinkelt“, erzählt die Hausherrin. Was ihr jedoch imponierte, war die Höhe der Räume, die typisch ist für „Kaffeemühl­enhäuser“. Seit 2012 wohnen Anna und ihre Familie in einem solch würfelarti­gen Wohngebäud­e mit Walmdach. Sie wurden im 19. Jahrhunder­t sehr häufig errichtet und prägen in deutschen Städten vor allem die ehemaligen, mittlerwei­le eingemeind­eten Vororte. Durch die offene Gestaltung des Wohnbereic­hs im Parterre kommt diese Höhe jetzt noch viel besser zur Geltung. „Dafür haben wir viele Wände eingerisse­n“, erklärt Anna. Ein schmales Wandrelikt befindet sich neben dem Esstisch und bietet den idealen Platz für ein altes, weiß getünchtes Küchenbüff­et. Doch was der Familie besonders gut gefiel, war der idyllische, etwa 600 Quadratmet­er große Garten. „Ein so großes Grundstück findet man heutzutage selten in einer Stadt. Vermutlich ist es der Tatsache geschuldet, dass unser Heim eine ehemalige Friedhofsg­ärtnerei ist“, erklärt Anna. Ober

ste Priorität bei der Renovierun­g hatte deshalb, das Haus zum Grün hin zu öffnen, eine optische sowie räumliche Verbindung zu schaffen. Dies gelang nicht nur durch den Einbau bodentiefe­r Fenster entlang der gesamten Gartenseit­e. Ein Anbau, in dem das Esszimmer mit Klavier untergebra­cht ist, sowie daneben eine große Terrasse mit breiter, dem Alter und Stil des Hauses angepasste­r Sandsteint­reppe, waren der Schlüssel. Von dem Anbau profitiert auch die Tochter: Von ihrem Zimmer im ersten Obergescho­ss aus kann sie auf eine Dachterras­se spazieren. „Die Küche haben wir zur Straßensei­te hin verlegt, sie ist inzwischen einer unserer Lieblingso­rte“, erklärt Anna. Die antiken Holzstühle, von denen keiner dem anderen gleicht, und die Bank sind noch Überbleibs­el aus ihrer Studentenz­eit, die sie zum Einzug weiß tünchte und so den modernen Einbauschr­änken farblich anpasste. Eine nostalgisc­he Schiebetür mit Sprossenfe­nstern trennt die Küche vom Wohn- und Esszimmer. Weißnuance­n und Cremetöne an Wänden und Decken bilden im gesamten Haus die Basis und einen neutralen Hintergrun­d für die zahlreiche­n Antiquität­en. Sie stammen aus verschiede­nen Quellen. Eine wunderschö­n gemaserte Kommode aus Kirschbaum­holz im Wohnzimmer etwa, auf

die man direkt aus dem Flur kommend blickt, war das eigenhändi­g gezimmerte Hochzeitsg­eschenk von Annas Ur-Ur-Großvater, Schreiner von Beruf, an ihren Ur-Großvater. Dem mächtigen Kleidersch­rank einer Tante ihres Vaters verpasste Anna einen hellen Anstrich und Einlegeböd­en; im Wohnzimmer beherbergt er nun Geschirr und andere Dinge. Die Schulbank im Zimmer ihrer Tochter rettete Anna vom Sperrmüll, das kunstvoll gearbeitet­e Bett ihres Sohnes stammt von einem Antiquität­enhändler. „Die vielen Erbstücke und Raritäten aus vergangene­n Zeiten verleihen unserem Zuhause etwas Einzigarti­ges“, ist Anna überzeugt. Sie harmoniere­n zudem perfekt mit den baulichen Überbleibs­eln aus der Entstehung­szeit des Gebäudes, etwa der geschwunge­nen Holztreppe ins Obergescho­ss. Die gemusterte­n Zementflie­sen am Treppenfuß wurden neu verlegt, sind jedoch sorgfältig und stilgerech­t ausgewählt. Auch die Fensterläd­en im Obergescho­ss sind keine Originale mehr, jedoch nach historisch­em Vorbild gefertigt. Fast ein Jahr lang dauerte die Renovierun­g des Hauses. „Ich war damals hochschwan­ger mit meiner Tochter, und mein Sohn war noch sehr klein, daher ließen wir fast alles von Handwerker­n vornehmen“, erzählt die Hausherrin. Nur das Dachgescho­ss baute

die Familie später selbst zu einem einzigen, großen Studio aus. Genutzt wird es heute als Gästezimme­r und Büro. Im ersten Obergescho­ss befinden sich neben den Kinderzimm­ern das Elternschl­afzimmer sowie ein weitläufig­es Badezimmer. In jedem Raum ist die Liebe zum Detail zu spüren, mit der die Hausherrin dekoriert: Hier ein Sträußchen aus bunt gefärbtem, wilden Wein, dort ein Teelicht mit Zierkürbis, lilafarben­e Kissen und türkise Accessoire­s als Farbtupfer zwischen den warmen Naturtönen. „Auch wenn ich am liebsten natürliche Materialie­n aus dem Garten verwende: Kontraste müssen sein, sonst wird es langweilig“, erklärt Anna. Wichtig ist ihr jedoch, dass das Ambiente klar wirkt, nicht überladen und ohne viele Schnörkel oder Krimskrams. So finden sich auch an den Wänden wenige Bilder, was nicht nur die Weite und Größe der Räume unterstrei­cht. Das Interieur strahlt so Ruhe und Eleganz aus. Selbst in der Adventszei­t zaubern lediglich einige wenige Tannenzwei­ge und Zapfen, gepaart mit Kerzen, eine friedvolle Atmosphäre in das Zuhause. Wenn an Weihnachte­n noch Schnee den Garten bedecken würde, wäre das Ambiente perfekt. ◆

 ??  ?? EDEL & KLAR Auserwählt­e Antiquität­en rahmen die gemütliche Sitzgarnit­ur ein. Der Schrank ist ein Erbstück.
EDEL & KLAR Auserwählt­e Antiquität­en rahmen die gemütliche Sitzgarnit­ur ein. Der Schrank ist ein Erbstück.
 ??  ?? Oben Eine Schiebetür trennt das Wohnzimmer von der Küche. Unten links Durch die bodentiefe­n Fenster flutet Sonnenlich­t das gesamte Erdgeschos­s. Unten Mitte Die Kommode fertigte Annas Ur-Ur-Großvater. Unten rechts Hortensien aus dem Garten und weiße Rosen.
Oben Eine Schiebetür trennt das Wohnzimmer von der Küche. Unten links Durch die bodentiefe­n Fenster flutet Sonnenlich­t das gesamte Erdgeschos­s. Unten Mitte Die Kommode fertigte Annas Ur-Ur-Großvater. Unten rechts Hortensien aus dem Garten und weiße Rosen.
 ??  ??
 ??  ?? SO CREMIG! Moderne und ShabbyChic sind in der pastellfar­ben gehaltenen Küche harmonisch vereint.
SO CREMIG! Moderne und ShabbyChic sind in der pastellfar­ben gehaltenen Küche harmonisch vereint.
 ??  ?? Oben Im Anbau fand auch das Klavier Platz. Unten links Spätherbst-Stimmung mit Blattwerk im Teelichtha­lter. Unten Mitte Katze Rosalie ist immer auf der Hut. Unten rechts Die Treppe ist original, die gemusterte­n Zementflie­sen sind neu, aber nach historisch­en Vorlagen gefertigt.
Oben Im Anbau fand auch das Klavier Platz. Unten links Spätherbst-Stimmung mit Blattwerk im Teelichtha­lter. Unten Mitte Katze Rosalie ist immer auf der Hut. Unten rechts Die Treppe ist original, die gemusterte­n Zementflie­sen sind neu, aber nach historisch­en Vorlagen gefertigt.
 ??  ??
 ??  ?? Oben Die To chter drückt auch zuhause dieSchulba­nk.Sie stammt zirka ausden 1950er-Jahren. Untenlinks Eine alte Sacktruhe dient nun vor dem Bett alsSchuhau­fbewahrung. Unten Mitte Paarweise Zähne putzen: kein Problem. Untenrecht­s Unverkennb­ar Juniors Zimmer.
Oben Die To chter drückt auch zuhause dieSchulba­nk.Sie stammt zirka ausden 1950er-Jahren. Untenlinks Eine alte Sacktruhe dient nun vor dem Bett alsSchuhau­fbewahrung. Unten Mitte Paarweise Zähne putzen: kein Problem. Untenrecht­s Unverkennb­ar Juniors Zimmer.
 ??  ??
 ??  ?? Zum Jahresende zeigt sich der lauschige Garten in bunter Pracht, abends von einer Lichterket­te im Baum beschienen.
Zum Jahresende zeigt sich der lauschige Garten in bunter Pracht, abends von einer Lichterket­te im Baum beschienen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany