Huawei Mate 9 vs. Kodak Ektra
Der neue COLORFOTO-Test prüft die Fotoqualitäten der beiden Mobilen
Dass sich die Smartphone-Kamera heutzutage einer solch hohen Akzeptanz erfreut, verdankt sie nicht zuletzt den riesigen Fortschritten, die in den letzten Jahren insbesondere bei Bildqualität und Performance zu verzeichnen waren. Und die Erfolgsstory wird weitergehen. Noch gibt es Spielraum nach oben und vieles, was sich verbessern, ausbauen, optimieren oder einfach nur schlauer gestalten lässt. Nach einer umfangreichen Entwicklungsphase führt ColorFoto in diesem Heft unseren neuen Smartphone-Fototest ein. Damit Sie, liebe ColorFotoLeser, ab sofort stets auf dem aktuellen Stand sind und wissen, was sich in Sachen Smartphone-Fotografie gerade tut, welche Neuerungen kommen, welche wieder gehen, welche etwas taugen und welche keinesfalls halten, was sie versprechen.
Der neue Smartphone-Test
ColorFoto konzentriert sich beim Test von Mobilgeräten auf die Fotofunktion. Alles andere zum Thema Smartphones finden Sie in unserer Schwesterzeitschrift connect. Außerdem testen wir ausschließlich Topmodelle, die neben JPEG- auch RAW-Bilder aufnehmen können. Die Messwerte beziehen sich auf Rohdaten, denn die Erfahrung hat gezeigt: Der Wechsel vom JPEG- zum RAW-Format führt zu deutlich detailreicheren Ergebnissen und einer besseren Dynamik. iOS sieht die RAWFunktion ab Version 10 vor, Android ab Version 5.1. In einigen Fällen unterstützt bereits die Foto-App des Herstellers den RAW-Modus, in anderen kann man eine Fremd-App nutzen. Noch sperren aber viele Hersteller den RAW-Modus ganz. Bis auf wenige Ausnahmen entspricht das Testverfahren dem für Kameras. Die Messwerte sind somit vergleichbar. Allerdings verzichten wir bei den Smartphones auf die sonst üblichen ISOReihen. Stattdessen müssen die Testkandidaten mit ihrer Automatik auf
drei Lichtsituationen reagieren. Ein Grund für den Verzicht auf ISO-Reihen: Wir zweifeln die ISO-Angaben der Exif-Daten an; sie passen modellübergreifend zu schlecht zusammen. Neu ist die Messung der Chrominanz als Maß für die bei höheren Empfindlichkeiten häufig verblassende Farbigkeit – ohne Farben verschwindet auch das Farbrauschen. Ein weiteres Smartphone-Thema ist das Color Shading mit Farbverläufen über das Bildfeld. Als zusätzliche Werte bestimmen wir zudem die Randauflösung, die Verzeichnung und die Randabdunklung (Shading), um auch das Objektiv bewerten zu können. Natürlich sehen wir uns neben der Qualität der RAW- auch die der JPEG-Aufnahmen sehr genau an. Oft treten hier eigentümliche Phänomene auf, weil die interne JPEG-Signalverarbeitung von Smartphones oft recht brachial vorgeht und mit massiven Eingriffen die Nachteile der kleinen Aufnahmesensoren und Objektive auszugleichen versucht. Aber Bildqualität ist nicht alles. Darum prüfen wir auch die Benutzerfreundlichkeit. Wann bringt die Automatik gute Ergebnisse? In welchen Situationen stößt sie an Grenzen? Stimmen Belichtung und Weißabgleich? Welche Einstellmöglichkeiten bietet die herstellereigene Kamera-App, und welche davon erweisen sich in der Praxis tatsächlich als sinnvoll? Wie schnell und zuverlässig arbeitet der Autofokus?
Die beiden Testkandidaten
Die ersten Smartphones, die COLORFOTO nach dem neuen Verfahren testet, gelten als ausgemachte Fotospezialisten. Das Phablet Huawei Mate 9 wartet mit einer von Leica entwickelten DualKamera nach Vorbild des P9 auf. Ganz nach dem Motto „zwei Augen sehen mehr als eins“agieren hier zwei Kameras gleichzeitig; die eine fängt Farb-, die andere Monochrom-Informationen ein. Alle Daten miteinander kombiniert ergeben schließlich Bilder mit beson-
ders hoher Dynamik, guter Auflösung und überdurchschnittlicher Feinzeichnung – das hat das P9 schon im COLORFOTO-Praxistest bewiesen. Vom Mate 9 darf man sich sogar noch mehr erhoffen: Zum einen kommen im Vergleich zum P9 eine 4K-Videofunktion und ein optischer Bildstabilisator hinzu; zum anderen erhöht sich die Pixelzahl des Monochromsensors von 12 (P9) auf 20 Megapixel (Mate 9). Die Nennauflösung des Farbsensors und die Eckdaten der Optik bleiben dagegen unverändert bei 12 Megapixeln, f2,2 und 4,5 mm, was in etwa 28-mm-KB-Äquivalent entspricht. Bei JPEG-Aufnahmen rechnet das Huawei die Farbinformationen des Farbsensors in das höher aufgelöste Schwarz-Weiß-Bild hinein. Der Schwarz-Weiß-Sensor arbeitet zudem nicht nur mit mehr Pixeln, sondern kann typbedingt auch eine bessere Feinzeichnung und Dynamik liefern, da er ohne lichtschluckende Farbfilter arbeiten darf. Bei RAW-Bildern nutzt Huawei in erster Linie den Farbsensor und optimiert dessen Ergebnis lediglich mit Informationen des SchwarzWeiß-Sensors. Damit hat das JPEGBild 20 und das RAW 12 Megapixel. Der Kontrahent Kodak Ektra will eine vollwertige Kompaktkamera und ein Smartphone in einem Gerät vereinen. Ihr Herzstück ist Sonys 1/2,4-Zoll-Sensor mit 21 Megapixeln. Obwohl die dominant hervorgehobene Gestaltung des Objektivs Erwartungen weckt, handelt es sich hier nicht um ein Zoom, sondern um eine Smartphone-typische 3,5-mm-Festbrennweite mit 26,5-mmKB-Äquivalent, fester Blende f2,0 und Bildstabilisator. Hinter dem Kodak steckt die Bullitt-Group, die auf spezielle Zielgruppen ausgerichtete Smartphones entwickelt: für Fotografen das Kodak Ektra, für den harten Einsatz die Cat-Phones (Caterpillar).
Das Display unterscheidet
Passend zum Konzept greift das Ektra Designkomponenten klassischer Kompaktkameras auf: etwa die strukturierte Kunstlederbeschichtung und die angedeutete Griffauswölbung. Stabiler in der Hand liegt es dadurch nicht. Außerdem wirkt das Kunststoffgehäuse an der Front nicht ganz so elegant wie das schlanke Mate 9. Dessen Rückseite besteht aus mattiertem Metall, seine Vorderseite fast vollständig aus einem 5,9 Zoll großen Full-HD-Display. Der 5-Zoll-Touchscreen des Ektra ist kleiner, vor allem aber auch schlechter: Auf einer Skitour konnten wir auf dem Mate 9 trotz der Sonne und des reflektierenden Schnees noch gut den Bildausschnitt beurteilen und Einstellungen tätigen; mit dem Ektra wurde das Fotografieren zum Blindflug – selbst bei maximal hochgeregelter Displayhelligkeit. Ebenfalls von Vorteil: Das Mate 9 kann beim Befüllen des Akkus eine Art Turbo zuschalten und ihn dadurch schneller wieder von 0 auf einen Ladestand von 50 Prozent bringen. Beide Kandidaten verfügen über einen microSD-Steckplatz, zudem über einen Dual-LED-Blitz auf der Rückseite, der sich allerdings nur für nahegelegene Motive eignet und die Ecken weniger
gut ausleuchtet als die Bildmitte. Die Frontkamera arbeitet im Huawei mit 8 Megapixeln, Blende f1,8, der Displaybeleuchtung als Blitzersatz und recht ordentlicher Schärfenachführung. Im Kodak hat die Frontkamera 13 Megapixel, f2,2 und einen etwas weniger verlässlichen Autofokus.
Autofokus und Performance
Das Mate 9 nutzt zum Scharfstellen eine Kombination aus Hybrid- und Laser-AF, die treffsicher und extrem schnell agiert (Auslöseverzögerung: 0,1/0,15 s). Der Phasen-AF des Ektra arbeitete im Test wiederholt nicht korrekt und verzögerte die Aufnahme teils um über 0,7s. Bei Videos zieht das Huawei die Schärfe einigermaßen dezent, das Ektra ruckartig und pumpend nach. Auch im Serienmodus liegt das Mate 9 weit vorne: Es brauchte im Labor 0,4 statt 2,8 s (Ektra), um 10 Bilder in Folge zu schießen. Die herstellereigene Kamera-App Obwohl die Kamera-App von Huawei mehr Funktionen und Einstellmöglichkeiten bietet als das Kodak-Pendant, wirkt sie mindestens ebenso aufgeräumt und macht effizientes Arbeiten leicht. Sie startet im Automatikmodus, in dem sich etwa der Tiefenschärfeeffekt, Blitz und Bildstile per TouchIcons direkt (de)aktivieren lassen. Je nachdem, in welche Richtung man wischt, erscheint entweder die Modusübersicht mit Funktionen wie Monochrom und HDR oder das Menü mit Aufnahmeparametern wie Auflösung, Timer und AF-Tracking. Zieht man den Pfeil oberhalb des Auslösebuttons nach oben, wechselt die Kamera zum ProModus. In diesem kann man ISO-Zahl, Verschlusszeit (bis 30 s), Belichtungskorrektur und -messmethode, Weißabgleich und Fokus manuell einstellen, vor allem aber zum JPEG+RAW-Be- trieb wechseln. Diesen Luxus gibt es bei der Kodak-App nicht – für unsere Tests mit RAW-Bildern mussten wir deshalb die Adobe-Lightroom-App nutzen. Doch Vorsicht: Die LR-App fotografiert im Ektra nur die RAW-Bilder mit 20 Megapixeln. Bei JPEG reduziert LR die Auflösung auf 8 Megapixel. Das gleiche haben wir auch an zwei anderen Fremd-Apps beobachtet. Zentrales Bedienelement der Kodak-App ist die Touch-Variante eines Moduswahlrads. Neben der Automatik finden sich hier Video, HDR, Bokeh und „M“. Letzteres steht für einen „manuellen“Modus, in dem der Fotograf wie im Pro-Modus des Huawei auf ISO-Zahl, Zeit (nur bis 1 s), Belichtungskorrektur, Fokus und Weißabgleich Einfluss nehmen kann. Dazu gibt es Icons für Blitz, Timer, AFTracking und ein Zahnrad zum Abruf des überraschend schlanken Menüs, das nur wenig Mehrwert bringt. Im-
merhin kann man an dieser Stelle den Verschlusston zuschalten und Gitterlinien einblenden.
Eigenheiten der Automatik
Im Test führte die Automatik sowohl beim Mate 9 als auch beim Ektra recht zuverlässig zu brauchbar belichteten Bildern. Dabei entschied sich das Ektra tendenziell für höhere ISO-Zahlen und kürzere Belichtungszeiten. So kommt seltener Bewegungsunschärfe ins Bild – ein Problem, mit dem das Huawei und viele andere Smartphones vor allem bei Innenaufnahmen zu kämpfen haben. Andererseits führen die höheren Empfindlichkeiten zu verstärkten Texturverlusten. In bestimmten Situationen ist es sinnvoll, manuell einzugreifen, insbesondere bei Nachtaufnahmen: Die Kameraautomatik muss im schwachen Licht die ISO-Zahl so weit erhöhen, dass die Verschlusszeit einigermaßen verwacklungsfreie Freihandaufnahmen ermöglicht. Die Bildqualität leidet. Besser: Man sucht einen stabilen Stand für das Smartphone und legt eine möglichst niedrige ISO-Zahl fest. Um Bewegung zu visualisieren, zum Beispiel fließendes Wasser oder die Lichtspuren fahrender Autos, empfehlen sich ebenfalls ein Stativ oder ein adäquater Ersatz sowie die manuelle Wahl einer langen Belichtungszeit. Und wenn die Automatik bei schwierigen Motiven ins Straucheln gerät, etwa bei einem hellen Objekt vor dunklem Hintergrund, kann man zumindest beim Mate 9 im Pro-Modus eine Spot-Belichtungsmessung hinzuschalten. Die Weißabgleichautomatik zeigt sowohl beim Mate 9 als auch beim Ektra Schwächen, und das keineswegs nur in kniffligen Fällen wie bei Kunst- oder Mischlicht. Die Huawei-App ermöglicht eine Korrektur unter anderem per Kelvinzahl, die Kodak-App bietet lediglich WB-Presets, die uns ebenfalls nicht immer überzeugen konnten. Die sicherste Lösung: mit dem RAW-Format fotografieren und den Weißabgleich nachträglich am Computer vornehmen.
Bildqualität RAW
Weil das Ektra mit 21, das Mate 9 im RAW-Modus nur mit 12 Megapixeln arbeitet, punktet Ersteres erwartungsgemäß mit einer höheren Auflösung: Bei guten Lichtverhältnissen liegt das Kodak um mehr als 400 Linienpaare vor dem Mate 9 mit maximal 1925 statt 1484 LP/BH. Bei schwachem Licht stellt das Ektra noch immer fast 200 Linienpaare mehr dar. Allerdings fällt beim Kodak die Auflösung zum Rand stärker ab. Außerdem erreicht es bei der DL-Messung an hochkontrastigen Strukturen rund 200 Linienpaare weniger als das Huawei, was für eine schwächere Feinzeichnung spricht. An niederkontrastigen Bildausschnitten kommt es auf das Licht an: Bei wenig Licht schneidet wiederum das Huawei besser ab, bei guten Lichtverhältnissen liegen beide Kandidaten gleichauf. Ähnlich stellt sich die Situation bei Artefakten dar: Hier hat das Huawei – nun mit niedrigeren Werten, also mit weniger Artefakten – die Nase vorn. Wegen der winzigen Aufnahmesensoren haben es Smartphone-Kameras in der Regel schon bei moderat erhöhten ISO-Werten mit einem ausgeprägten Visual Noise zu tun. Beim Mate 9 klettert derVN-Wert von 2,5 (bei 1000 Lux, ISO 50) auf 4,5 (bei 250 Lux, ISO 246), dann auf 7,0 VN (bei 63 Lux, ISO 542). Das Kodak rauscht bei hellem Licht deutlich stärker (4,1 VN bei 1000 Lux, ISO 190), in abgedunkelter Umgebung dagegen etwas schwächer (3,0/6,8 VN bei ISO 110/470). Hier spielt die Automatik dem Kodak aber auch einen Streich, denn bei 1000 Lux sind ISO 190 nicht nötig – wenn der Wert stimmt. Die Verzeichnung des Objektivs korrigieren Huawei und Kodak sowohl in ihren JPEGs als auch in den RAWs sehr ordentlich. Das Color Shading bekommen sie dagegen nicht vollständig in den Griff, was sich an teils skurrilen Farbverläufen zeigt. Eine signifikante Abschattung der Bildecken (Shading) wird lediglich in den unbearbeiteten Rohdaten des Mate 9 erkennbar.