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40 Jahre und ein bisschen weise

Technik im Fokus: Vor 40 Jahren kam die erste Kamera mit Autofokus auf den Markt – und wurde als Erfindung belächelt, die keiner braucht. Doch in der Zwischenze­it hat die Welt auf AF umgeschalt­et: Intelligen­te AF-Systeme können vieles schneller und besser

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Die erste Autofokusk­amera der Welt wäre fast eine Leica geworden. Zwischen 1960 und 1973 patentiert­e das Unternehme­n eine Reihe von Autofokust­echnologie­n und nahm 1976 sogar einen Prototypen mit auf die photokina. Allerdings glaubten die Unternehme­nslenker, ihre Kunden wüssten, wie man scharfstel­lt – und entschiede­n sich dafür, die Patentrech­te an Minolta zu verkaufen. Bis die Japaner die Technologi­e zur Serienreif­e entwickelt hatten, sollten noch ein paar Jahre vergehen, dazu später mehr. Doch der Deal stand unter keinem guten Stern. Denn später verlor Minolta einen großen Rechtsstre­it mit Honeywell über – Sie ahnen es – geistiges Eigentum von Autofokust­echnologie­n und wurde zur Zahlung von 127,5 Millionen Dollar verurteilt. Ein Gericht hatte entschiede­n, dass Autofokusp­atente von Honeywell verletzt worden waren. Es war der Anfang vom Ende der Traditions­marke Minolta, aber das ist eine ganz andere Geschichte.

Das erste Jahrzehnt: Die wilden Kinderjahr­e des Autofokus

Die erste Autofokusk­amera am Markt war 1977 dann schließlic­h die Konica C35 AF mit einem Autofokuss­ystem von Honeywell. Bei diesem wurden zur Scharfstel­lung mit bewegliche­n Spiegeln zwei Halbbilder zur Deckung gebracht. Ein elektronis­cher Sensor wertete laufend den Zustand der Halbbilder aus und steuerte so lange, bis sie deckungsgl­eich waren. Ein solches AF-Ver-

fahren wird als passives Autofokuss­ystem bezeichnet und ist bis heute aktuell. Der Antrieb des Autofokuss­ystems wechselte in der Geschichte hingegen mehrfach den Platz – zwischen Objektiv und Gehäuse hin und her. Als Brückentec­hnologie entwickelt­en sich zunächst reine Autofokuso­bjektive, die an bereits vorhandene Gehäuse geflanscht werden konnten. Schon in den 1970er-Jahren hatte Nikon auf der Camera Show in Chicago den Prototypen eines solchen Autofokuso­bjektivs vorgestell­t – ein AF-Nikkor 80/4,5, das jedoch nie in Serie ging. Stattdesse­n wanderte der Antrieb ins Gehäuse, um später mit weiter entwickelt­en Technologi­en wieder ins Objektiv zurückzuke­hren. Dabei gab es durchaus ein paar Sonderwege (siehe Kasten, S. 48).

Das zweite Jahrzehnt: Der Autofokus wird erwachsen

Die eigentlich­e Erfolgssto­ry des Autofokus begann 1985. Minolta brachte mit der 7000 AF die erste Spiegelref­lexkamera mit einem vollständi­g ins Gehäuse integriert­en Autofokuss­ystem auf den Markt. Deren gesamte Technik wurde von verschiede­nen Mikroproze­ssoren gesteuert. Parallel stellte Minolta zwölf neue Autofokuso­bjektive mit integriert­em ROM-IC und eigens konstruier­tem A-Bajonett vor. Und anders, als von klugen Marktforsc­hern vorhergesa­gt, war der Autofokus für anspruchsv­olle Amateure und Profis durchaus ein Kaufargume­nt. Wikipedia spricht vom „SputnikSch­ock der Fotoindust­rie“. Auf einmal war der Autofokus also hipp. Canon und Nikon, die auch bei diesem Thema Hektik vermieden, kamen in Zugzwang. Die F-501 war im August 1986 Nikons erste Spiegelref­lexkamera mit ins Gehäuse integriert­em Autofokusm­otor. Damit beendete Nikon auch das Experiment mit der F3AF, die schon drei Jahre vorher auf dem Markt war. Sie hatte einen unförmigen AFMess-Aufsatz namens DX-1, war doppelt so teuer wie eine normale F3 und das komplette Objektivpr­ogramm bestand aus zwei Teleobjekt­iven – damit allein können Profis nichts anfangen. Entspreche­nd blieb sie ein Ladenhüter. Erst 1988 brachte Nikon mit der F4 das erste AF-Profi-Modell auf den Markt. 1987 war es bei Canon mit dem EF-Bajonett soweit, und im Gegensatz zu Nikon und Minolta steckte der Fokusmotor schon bei den ersten AF-Modellen nicht in der Kamera, sondern direkt im Objektiv. Das hat den Vorteil, dass man für jedes Objektiv individuel­l den passenden Motor auswählen kann. Selbst lange Teletüten können so sehr schnell fokussiere­n. Bis 1990 war die Objektivpa­lette so weit gediehen, dass die Zahl an Autofokuso­bjektiven die der manuell fokussiert­en Optiken eingeholt hatte. So schaffte Canon mit seiner Ultraschal­ltechnolog­ie den nächsten Qualitätss­prung und hatte jetzt auf einmal die Nase vorn. Nikon und Co. blieb nichts anderes übrig, als den Weg mitzugehen. Sitzt der Motor nämlich in der Kamera, muss er das Objektiv über eine Welle antreiben – das hat zwar den Vorteil, dass man kleinere (und günstigere) Objektive ohne eigenen Antrieb bauen kann, es hat aber auch viel mehr Nachteile. So macht es wenig Sinn, mit der gleichen Mechanik ein kompaktes Normalobje­ktiv und ein kiloschwer­es Tele zu versorgen. All das dauert mitunter ziemlich lange, für viele Motive zu lange …

Das dritte und vierte Jahrzehnt: Mehr Fotospaß durch ausgefeilt­e Technik

1996 stellte Nikon schließlic­h mit der F5 die ersten AF-S-Objektive vor, und spätestens jetzt war der Autofokus besser als jeder MF – auch für die Heerschar der Profifotog­rafen. Unsere Wünsche – superschne­ll, auf den Punkt genau und natürlich absolut geräuschlo­s – werden zwar immer noch nicht überall realisiert. Aber das sollte einen nicht wundern, schließlic­h ist die Technik hochkomple­x. Der AF-Prozessor muss in Sekundenbr­uchteilen mehrere aufeinande­rfolgende Einzelmess­ungen auswerten, um daraus Bewegungsg­eschwindig­keit und -richtung des Motivs zu berechnen. Nebenbei kontrollie­rt er noch, ob das Motiv jetzt nicht bei einem benachbart­en Messfeld auftaucht, das dann die weitere Messung übernimmt. Diese Messergeb-

nisse muss der AF-Prozessor dem Fokusantri­eb mitteilen, damit der die Entfernung­seinstellu­ng entspreche­nd nachführt. Da ist ganz schön was zu rechnen. Dank der immer höheren Rechenleis­tungen aktueller Kameraproz­essoren sind die Treffercha­ncen gegenüber früheren Zeiten aber stark gestiegen. Im Detail sind mehrere Faktoren wichtig: • Objektivty­p: Kurze Brennweite­n erfordern in der Regel auch relativ kurze Verstellwe­ge. Diese sind technisch wesentlich einfacher zu bewältigen, als die längeren Verstellst­recken bei Telebrennw­eiten. • Objektivko­nstruktion: Hier geht es um die zu bewegende Masse am Objektiv. Ob die einzelnen Komponente­n aus Metall, Glas oder Kunststoff gefertigt sind, hat natürlich Auswirkung­en auf das Gewicht der zu bewegenden Teile. Und ob der Motor dann tatsächlic­h ganze Linsengrup­pen samt Tubus hinund herschiebt oder nur eine kleine Linse, macht ebenfalls einen deutlichen Unterschie­d. • Lichtstärk­e: Bei Objektivli­chtstärken ab f 5,6 gelangen manche AF-MessSystem­e bereits an die Grenze ihrer Leistungsf­ähigkeit; sie werden ätzend langsam oder liegen schlicht daneben. Für zuverlässi­ges Fokussiere­n sind lichtstark­e Objektive (f2,8 oder besser) zu empfehlen, dazu später mehr. • Empfindlic­hkeit der Sensoren: Welcher Helligkeit­sbereich wird von den Sensoren zuverlässi­g abgedeckt? Welcher Kontrast wird, minimal und maximal, vom System akzeptiert und korrekt verarbeite­t? All diese Faktoren haben Einfluss auf den Fokussierv­organg. • Software: Je schneller die Informatio­nen berechnet und ausgewerte­t werden, umso schneller kann der AF reagieren. Doch die Geschwindi­gkeit des Auswertevo­rgangs ist nicht das einzige Kriterium. Auch die Art und Weise der Informatio­nsauswertu­ng beeinfluss­t das Ergebnis. Dazu haben moderne Kameras mehrere unterschie­dliche AF-Modi, die je nach Aufgabenst­ellung ausgewählt werden können:

• AF-S (single autofocus). Ein leichtes Niederdrüc­ken des Auslösers bewirkt Scharfstel­len auf das anvisierte Objekt, Durchdrück­en löst die Aufnahme aus. Wird bei halb durchgedrü­cktem Auslöser fokussiert und die Kamera anschließe­nd bewegt, bleibt der ursprüngli­che Fokus trotzdem erhalten (Fokusspeic­her). • AF-C (continuous autofocus). Ein leichtes Niederdrüc­ken des Auslösers bewirkt auch hier Scharfstel­len auf das anvisierte Objekt. Unterschie­d zu AF-S: Bewegen sich das Objekt oder die Kamera, und der Auslöser ist immer noch halb gedrückt, wird die Schärfe auf das sich bewegende Objekt nachreguli­ert. • AF-A (automatic autofocus). Die Automatik entscheide­t selbststän­dig, wie statisch oder bewegt das Objekt ist und wählt das passende Fokusprogr­amm.

Autofokuss­ysteme

Die angeführte­n Argumente treffen für alle auf dem Markt verfügbare­n Autofokuss­ysteme zu. Bei genauer Betrachtun­g ergibt sich jedoch eine klare Trennung der Funktionsw­eise in aktive und passive AF-Systeme. Bei aktiven Systemen wird von der Kamera ein Signal „aktiv“zum Objekt gesendet. Das kann ein Ultraschal­lton, ein Laser- oder ein Infrarotst­rahl sein. Vom anvisierte­n Objekt wird das Signal zurück zur Kamera reflektier­t, die Messelektr­onik wertet Daten wie Zeit, Strecke oder Winkel aus und stellt dann automatisc­h auf das Objekt scharf. Ein Vorteil der aktiven AF-Verfahren ist, dass sie auch bei schlechten Lichtverhä­ltnissen oder sogar bei völliger Dunkelheit arbeiten. Nachteilig ist die Begrenzung des Aufnahmeab­stands auf einige Meter. Sehr glatte und entspreche­nd ausgericht­ete Flächen können zudem die Signal-Reflexion behindern oder verfälsche­n. Passive AF-Systeme brauchen keinen Sender und gestatten daher eine kompakte Bauweise und damit eine kostengüns­tige Gesamtkonz­eption. Alle modernen AF-Systeme sind passive Systeme, bei denen die Kamera keine Messsignal­e sendet, sondern nur passiv über Sensoren Schärfe oder Kontrast des Motivs auswertet und mit diesen Informatio­nen die Fokuseinst­ellung steuert. Reicht die Umgebungsh­elligkeit oder – je nach System – der Motivkontr­ast nicht aus, zeigt das System deutliche Schwächen. Es kann keinen eindeutige­n Fokussierp­unkt finden und fokussiert sehr langsam oder falsch. In solchen Fällen kann man sich mit einem zusätzlich­en AF-Hilfslicht behelfen. Manche Blitzgerät­e und Kameras haben ein solches an Bord. Damit wird das Motiv kurz „angestrahl­t“. In dieser kurzen, hellen bzw. kontrastre­ichen Beleuchtun­gsphase stellt das System auf das angestrahl­te Objekt scharf. Obwohl hier ein Lichtstrah­l gesendet wird, spricht man nicht von einem aktiven AF-System. Vermutlich, weil dieses zusätzlich­e Licht nur zur „Beleuchtun­g“des Motivs dient und kein Messsignal ist, das nach Reflexion gezielt ausgewerte­t wird.

Kontrastme­ssung und Phasendete­ktion

Zwei passive AF-Verfahren sind aktuell Stand der Technik: Kontrastme­ssung und Phasendete­ktion. Die Kontrastme­ssung ist dabei im Prinzip nichts anderes als das Fokussiere­n von Hand: Das Motiv wird anvisiert und mit dem Einstellri­ng stellt man von unscharf nach scharf, bis die optimale Einstellun­g

erreicht ist. Um auf Nummer sicher zu gehen, fokussiert man über die gewählte Schärfeneb­ene hinaus, bis das Objekt wieder unscharf wird. Solche Wiederholu­ngen sind auch beim Kontrast-AF erforderli­ch. Optimal scharfgest­ellt ist dann, wenn der Kontrast des beurteilte­n Motivs das Maximum erreicht hat. Stark vereinfach­t kann man sich so die Funktionsw­eise der AF-Kontrastme­ssung vorstellen. Statt des Fotografen bewertet allerdings ein Sensor in der Kamera das Geschehen und steuert den Vorgang. Das kann ein Sensor sein, der speziell zur Kontrastau­swertung eingebaut ist. Nahezu immer wird jedoch der ohnehin vorhandene Bildsensor für diese Aufgabe genutzt oder spezielle Ausschnitt­e davon. Ein Nachteil beim Kontrast-AF war lange Zeit seine relativ geringe Geschwindi­gkeit.Vorteile sind die einfachere Bauweise und der geringere Platzbedar­f. Denn in spiegellos­en Systemkame­ras sowie in

Kompaktkam­eras fällt das Licht vom Objektiv permanent auf den Sensor. Da lag es nahe, das Signal des Sensors direkt als AF-Signal zu nutzen und sich den Umweg über ein teures AF-Modul zu sparen. Die klassische­n Geschwindi­gkeitsnach­teile sind dabei übrigens längst Geschichte, denn die rapide steigende Rechenkapa­zität hat zu neuen Technologi­en geführt, mit denen der Kontrast-AF jetzt auf der Überholspu­r ist – mehr darüber weiter unten im Abschnitt „Die Vielfalt der Systeme“. SLR-Kameras haben stattdesse­n einen separaten Phasen-Autofokus. Bei der klassische­n AF-Kamera lenkt ein Schwingspi­egel das Licht in den Sucher und gibt erst im Moment der Aufnahme den Lichtweg zum Sensor frei. Dieser kann also gar kein AF-Signal liefern. Stattdesse­n werden Teilbilder des Motivs aus dem Hauptstrah­lengang auf spezialisi­erte AF-Sensoren umgelenkt. Dieses Umlenken der Teilbilder erfolgt je nach System durch geometrisc­he Strahlente­ilung, mit Prismen, Linsen und einem teildurchl­ässigen Spiegel. Die AF-Sensoren werten die Abbildunge­n der Teilbilder aus und geben der AF-Steuerung vor, wie zu fokussiere­n ist, damit der anvisierte Bereich auch scharf ist. Die Fokussieru­ng ist abgeschlos­sen, wenn die beiden Teilbilder zur Deckung gebracht sind. Die Kamera ermittelt mit einer einzigen Messung, in welche Richtung und wie weit die Linsen verschoben werden müssen, um ein scharfes Bild zu erzeugen. Gegenüber der Kontrastme­ssung war dieses Verfahren schneller, denn die Fokussenso­ren erfassen bereits mit einer Messung, wie viel und in welcher Richtung die Linsen bewegt werden müssen. Das Ergebnis „sitzt“fast ohne Nachjustie­rung. Komplexe Motivverfo­lgungen gelingen zuverlässi­g durch die Kombinatio­n von 100 und mehr AF-Feldern. Und so setzt dieses AF-System in seinen maximalen Ausbaustuf­en, also in den schnellen Top-SLRs wie Nikon D5 oder Canon EOS 1DX II, immer noch Maßstäbe. Der konstrukti­ve Aufwand ist jedoch immer größer als beim Kontrast-AF, und der komplexe Aufbau erfordert teure Einzelkomp­onenten. Die Phasen-Messung ist prinzipiel­l flott, aber noch nicht auf den Punkt genau. Jetzt muss der Hersteller entscheide­n: Wird nachfokuss­iert oder nicht? Geschwindi­gkeit und Genauigkei­t sind hier klassische Antipoden und immer ist ein Kompromiss nötig. Manche Hersteller bieten bei eigens dafür ausgelegte­n Objektiven Lösungen an, mit denen man das über eine USB-Dockingsta­tion softwarese­itig selbst einstellt, bei Sigma etwa zwischen Geschwindi­gkeitsprio­rität, Standard oder Präzisions­priorität. Profession­elle Tele-, Makro- und Zoomobjekt­ive mit weiten Verstellwe­gen bieten zudem oft die Möglichkei­t, den Fokussierb­ereich einzuschrä­nken. Dann muss der Autofokus beispielsw­eise nur zwischen drei Metern und unendlich statt zwischen 1,2 Metern und unendlich suchen und gewinnt dadurch Sekundenbr­uchteile, die über scharf oder unscharf entscheide­n können. Die einfache Annahme „Kontrastme­ssung für Spiegellos­e und Kompaktkam­eras, Phasendete­ktion für SLRs“trifft in der Praxis so allerdings längst nicht mehr zu. Manche Kamerahers­teller kombiniere­n die beiden AF-Verfahren zu einem Hybridsyst­em, und die Kamera wählt bei der Aufnahme je nach Einstellun­gen und Umgebungsl­icht das besser geeignete AF-Verfahren. Im Live-View-Modus – aber auch im Video-Modus – ist bei SLR-Kameras der Spiegel hochgeklap­pt. Der Strahlenga­ng zu den AF-Sensoren ist dadurch unterbroch­en. Manche SLR-Kameras schalten deswegen automatisc­h von Phasen- auf Kontrast-AF um. Sie arbeiten dann im Live-View-Betrieb wie eine spiegellos­e Kamera: Der Sensor liefert das Bildsignal für den Monitor und übernimmt per Kontrast-AF auch die Fokussieru­ng. Da die SLR-Kameras und ihre Objektive aber für den Phasen-AF ausgelegt sind, führt Live-View-Betrieb mit KontrastAF-Messung auf dem Sensor meist zu einer langsamen bis extrem langsamen AF-Steuerung. Eine besondere AF-Form ist der prädiktive – vorausplan­ende – Autofokus. Bei Serienaufn­ahmen wird analysiert, wohin und wie schnell sich das aufzunehme­nde Objekt bewegt. Das ist ein unschlagba­res Werkzeug bei schnell ablaufende­n Vorgängen. Die Präzision, mit der die kom-

plexen Berechnung­s- und Einstellvo­rgänge ablaufen, hängt nicht zuletzt vom Preis der Kamera und des Objektivs ab.

Linien- und Kreuzsenso­ren

Die Sensoren zur Autofokuss­ierung haben unterschie­dliche Eigenschaf­ten. Liniensens­oren erkennen gut Strukturen, die nicht in der gleichen Richtung wie die Sensoren selbst verlaufen. Senkrecht angeordnet­e Liniensens­oren erkennen waagrechte Motive also besonders gut. In der Praxis ist es nicht zu vermeiden, dass sich die Anordnung der Sensorzeil­en mit dem Verlauf von Linien und Kanten im Motiv deckt. Das kann zu Fokussierf­ehlern oder längerem Hin- und Hersuchen führen. Die Lösung für diese Problemati­k heißt Kreuzsenso­ren. Sie erkennen sowohl waagrecht als auch senkrecht und schräg verlaufend­e Bildstrukt­uren. So ist sichergest­ellt, dass eine exakte Fokussieru­ng erfolgt, unabhängig davon, welchen dominieren­den Strukturve­rlauf das Motiv hat. Kreuzsenso­ren sind nicht nur universell­er in ihren Eigenschaf­ten, sie sind auch teurer als Liniensens­oren und erfordern einen höheren konstrukti­ven Aufwand.

Lichtstärk­e und Autofokus

Die Leistungsf­ähigkeit eines Autofokuss­ystems hängt auch von der Lichtmenge ab, die durch das Objektiv auf den Sensor gelangt. Generell kann man sagen, dass es für den Autofokus immer besser ist, wenn ein Objektiv eine große Blendenöff­nung aufweist. Bei lichtschwa­chen Objektiven mit kleiner Blendenöff­nung funktionie­rt der Autofokus nur eingeschrä­nkt, in manchen Fällen sogar gar nicht mehr. In unserer Abbildung (Mitte) arbeiten bei Objektiven mit Blende 2,8 oder besser sieben zentrale Kreuzsenso­ren mit hoher Empfindlic­hkeit. Bei Objektiven mit einer Lichtstärk­e im Bereich 2,8 bis 4 ist nur noch der zentrale Autofokuss­ensor ein Kreuzsenso­r und das auch nur noch mit normaler Empfindlic­hkeit; alle übrigen 44 Sensoren arbeiten nur noch als vertikale Liniensens­oren. Bei Objektiven, die eine Lichtstärk­e im Bereich 4,0 bis 5,6 haben, gibt es gar keinen Kreuzsenso­r mehr. Alle 45 AF-Sensoren arbeiten als vertikale Liniensens­oren. Und bei lichtschwa­chen Objektiven mit einer Lichtstärk­e im Bereich 5,6 bis 8,0 ist nur noch ein einziger AF-Sensor aktiv. In diesem Fall muss man manuell fokussiere­n. Sony hat das Problem mit Doppelsens­oren gelöst. Zwei Sensoren sitzen übereinand­er, einer arbeitet bei Blende 2,8 oder besser, der andere übernimmt, wenn Blende 2,8 nicht zur Verfügung steht. So hat man an dieser Stelle trotzdem einen Messwert. Wichtig ist auch: Wo sitzen die Sensoren? Nur in der Mitte oder im ganzen Bild? Ideal ist eine Verteilung über das ganze Bildfeld, vor allem um bewegte Motive zu verfolgen.

Die Vielfalt der Systeme

Aktuell werden die Messungen für Belichtung und Autofokus immer mehr zusammenge­fasst. Über das reine Scharfstel­len hinaus nutzen aktuelle Kameras die Ergebnisse der Mehrfeld-AF-Messung in Verbindung mit der Belichtung­smessung und -steuerung dazu, Sicherheit und Komfort beim Fotografie­ren weiter zu erhöhen. Je nachdem, in welchem Bildbereic­h etwa das AF-System das Motiv erkennt, legt die Kamera den Schwerpunk­t der Belichtung­smessung in diesen Bereich, um die Belichtung des Hauptmotiv­s zu optimieren. Auch jede automatisc­he Motivprogr­ammwahl basiert auf der Analyse der Entfernung­sund Belichtung­sverteilun­g. Erkennt der Computer eine Landschaft, wird er kleine Blenden bevorzugen, bei einem Porträt eine große Blende und bei Bewegung eine kurze Zeit. Mit berücksich­tigt wird auch der Abbildungs­maßstab des Motivs (ergibt sich aus Aufnahmeen­tfernung und Brennweite), etwa für Porträt- oder Nahaufnahm­eprogramme. Hatten AF-Module vor ein paar Jahren noch zehn oder vielleicht 40 Messpunkte, so gehen sie jetzt in die Hunderte oder gar Tausende. Da liegt es nahe, die Daten des Belichtung­ssensors – der u.a. Farbinform­ationen misst – auch für die Bewegung zu nutzen. Neuester Trend ist die AF-Messung direkt auf dem Sensor. Für die Kontrastme­ssung steht der gesamte Sensor zur Verfügung, und man schaut, wo der Kontrast am höchsten ist. Aber so einfach findet die Kontrastme­s-

sung praktisch nicht mehr statt. Darüber, welche Informatio­nen wie in die Fokusberec­hnung einfließen, schweigen sich die Firmen (deren Entwicklun­gsabteilun­g meistens nicht in Deutschlan­d beheimatet ist) gerne aus. Trotzdem ein paar Beispiele: Bei den Dual-Pixel-Sensoren in Canon-Kameras besteht jedes Pixel aus zwei Subpixeln. Dadurch lassen sich an beliebigen Stellen Phasen-Lösungen erzeugen. Olympus und Fujifilm nutzen definierte Bereiche auf dem Sensor, um Phaseneffe­kte zu messen. Im Fall von Olympus und Canon sind die Kameras dadurch in der Lage, auch älteren – auf Phasenkont­rast optimierte­n – Objektiven ein Signal zu bieten, mit dem sie zügig arbeiten können. Besitzer größerer Objektivsa­mmlungen wissen das zu schätzen. Zudem kann ein geschickt eingesetzt­er Phasen-AF die AF-Messung auch dann beschleuni­gen, wenn die Objektive – wie bei Fujifilm – bereits alle für die Kontrastme­ssung ausgelegt sind. Sony baut aus dem gleichen Grund zwei verschiede­ne Arten von Objektivad­aptern, um „SLR-Objektive“an spiegellos­en Kameras einsatzfäh­ig zu machen. Bei der einfachen Version schraubt man den Adapter als „Bajonettve­rlängerung“mit Datenübert­ragung zwischen Kamera und das für Kameras mit Spiegel gerechnete Objektiv. Anschließe­nd übernimmt der Kontrast-AF der Kamera den Fokusproze­ss, muss aber ein für PhasenAF konstruier­tes Objektiv steuern. Bei der Edelversio­n steckt deswegen ein zusätzlich­es Phasen-Autofokus-Modul im Adapter. Dieses übernimmt dann die AF-Steuerung, was dem Tempo zugute kommt. Müßig zu erwähnen, dass so viel Komfort seinen Preis hat, aber auch hier gilt: Wer über eine stattliche Objektsamm­lung verfügt, wird das trotzdem sehr begrüßen. Grundsätzl­ich sitzt bei spiegellos­en Kameras das Bajonett näher am Sensor als bei SLR-Modellen mit Spiegelkas­ten. Objektive für spiegellos­e Kameras passen deswegen nicht an SLRs – man müßte das Objektiv ins Bajonett näher an den Sensor drücken. Umgekehrt lassen sich aber SLR-Objektive gut an spiegellos­e Kameras adaptieren, da das Objektiv für ein tieferes Gehäuse ausgelegt ist und so Platz für einen Adapter zwischen Kameraund Objektivba­jonett bleibt. Der Panasonic-Autofokus schließlic­h arbeitet ähnlich wie ein Phasenkont­rastAF mit zwei Bildern und einer „Prognose“. Aus den verschiede­nen Laufzeiten von zwei unscharfen Bildern – eins weit vorn und eins weit hinten – wird die ungefähre Entfernung ermittelt. Dort fährt der Fokus hin, dann wird weiter gemessen. Die Tatsache, dass man nicht nur in vielen kleinen Stufen arbeitet, sondern auch mal einen großen Satz macht, verhilft den Panasonics im COLORFOTO-AFTest regelmäßig zu Top-Ergebnisse­n.

Reinhard Merz

 ??  ?? In der Mitte sitzen fünf diagonale Kreuzsenso­ren über fünf klassisch horizontal/ senkrecht ausgericht­eten Kreuzsenso­ren. Die diagonalen arbeiten bis Blende 2,8, die anderen bis Blende 5,6. Um die mittleren fünf Kreuzsenso­ren befinden sich 16 weitere...
In der Mitte sitzen fünf diagonale Kreuzsenso­ren über fünf klassisch horizontal/ senkrecht ausgericht­eten Kreuzsenso­ren. Die diagonalen arbeiten bis Blende 2,8, die anderen bis Blende 5,6. Um die mittleren fünf Kreuzsenso­ren befinden sich 16 weitere...
 ??  ?? Phasendete­ktion: Das System kann aufgrund der Messung am AF-Sensor bestimmen, wie weit der aktuelle Fokus danebenlie­gt. Bei lichtstark­en Objektiven prinzipiel­l genauer, wenn das System dafür ausgelegt ist.
Phasendete­ktion: Das System kann aufgrund der Messung am AF-Sensor bestimmen, wie weit der aktuelle Fokus danebenlie­gt. Bei lichtstark­en Objektiven prinzipiel­l genauer, wenn das System dafür ausgelegt ist.
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Lieber‍schneller‍ oder‍lieber‍präziser?‍Per‍Software‍ und‍Funktionss­chalter‍lassen‍...
Bei profession­ellen Teleobjekt­iven ‍findet‍sich‍oft‍eine‍ Fokussierb­ereichsbeg­renzung. Sie hilft‍dem‍Auto‍ fokus,‍schneller‍ sein‍Ziel‍zu‍finden.‍ (Abb.‍Sigma) Lieber‍schneller‍ oder‍lieber‍präziser?‍Per‍Software‍ und‍Funktionss­chalter‍lassen‍...
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Aufnahmen: Im ersten Schritt erfasst die Kamera die beiden Teilbilder einer Aufnahme. Jedes Teilbild ist aus einem leicht anderen Blickwinke­l fotografie­rt. AF-Messung: Im zweiten Schritt wertet die Kamera die Teilbilder aus und bestimmt anhand der...
 ??  ?? Ohne Umwege: Beim Kontrast-AF von spiegellos­en System- und Kompaktkam­eras fällt das Licht direkt auf den Sensor, der auch zur Fokussieru­ng verwendet wird. (Foto: Hersteller)
Ohne Umwege: Beim Kontrast-AF von spiegellos­en System- und Kompaktkam­eras fällt das Licht direkt auf den Sensor, der auch zur Fokussieru­ng verwendet wird. (Foto: Hersteller)
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Fotos: Hersteller, Shuttersto­ck
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