Unverfälscht
Urs Scheidegger Taufrische Wiesen, bunte Blütenpracht und glitzernde Bergseen vor imposanter Bergkulisse: Urs Scheideggers Naturfotografien wirken wie Bilderbuchlandschaften. Mit diffiziler Vorbereitung und den perfekten Kameraeinstellungen gelingt es dem fc-Fotografen, die Schönheit der schweizerischen Naturlandschaft authentisch und unverfälscht auf den Kamerachip zu bringen. Die Nachbearbeitung am PC beschränkt sich auf ein Minimum.
Wer der Landschaftsfotografie verfallen ist, kann seine Bilder nicht dem Glück überlassen“, erklärt der Schweizer fc-Fotograf Urs Scheidegger. Was in seinen Bildern so natürlich, farbenprächtig und spontan wirkt, entstand nach exakter Vorbereitung in durchdachten Shootings mit expliziten Einstellungen. Dabei hat der Fotograf seine Aufnahmen nur dezent am Rechner nachbearbeitet. „Leider ist nicht allen Betrachtern bewusst, wie wunderbar und farbenfroh unser Land zum richtigen Zeitpunkt und am richtigen Ort ist.“
Bildideen
Als größte Herausforderung betrachtet Urs, ein Bild so aufzunehmen und zu entwickeln, dass es exakt jenen Farben und Stimmungen entspricht, die vor Ort herrschen. „Dies ist eine äußerst schwierige Herausforderung, die niemandem richtig und nur den wenigsten annähernd gelingt.“Nur in Ausnahmen entstehen seine Bilder spontan bei einem Spaziergang, einer Motorrad- oder Mountainbike-Tour. Meistens stelle er sich ein Sujet vor seinem geistigen Auge vor und gestaltete dann seine Fototouren entsprechend. Oft aber braucht es mehrere Versuche, bis das Bild exakt so auf dem Sensor liegt, wie er es sich vorgestellt hat. „Da muss alles stimmen. Das Wetter, die Jahreszeit und auch die Gegebenheit vor Ort müssen passen.“Wenn der Himmel bei
Sonnenaufgang nicht rot leuchtet, dann sucht er diesen Ort ebenso lange auf, bis er das tut.
Kameraeinstellung
Mit festen Einstellungen und passendem Zubehör steht die Kamera dann auf dem Stativ: Blende 11 bis 16 (bei Vollformatsensor-Kameras), Blende 5,6 bis 8 bei Crop-Kameras von Olympus und Blende 4 bis 5,6 bei den 1-Zoll-Sensoren der Sony-Modelle. ISO 50 bis 200 sind seine Vorgaben für einen Sonnenaufgang. Der Filterhalter ist aufgeschraubt, Grau-/Verlaufs- und Polfilter liegen bereit zur Anwendung. Die Spiegelvorauslösung der Kamera ist aktiviert, der Timer steht auf 2 s, der Bildstabilisator auf Off, und das gewählte Dateiformat ist stets RAW.
Aufnahmetechnik
Um „ausgefressene Lichter“zu vermeiden, favorisiert Urs eine „Highlightorientierte“Belichtung, was heißt, die Aufnahmen sind tendenziell unterbelichtet. Daher wählt er zumeist den manuellen oder Blendenmodus und verwendet ein Grau- oder Verlaufsfilter. Auch ein stabiles Stativ und ein Fernauslöser gehören dazu, um Verwackelungen zu vermeiden und das Optimum an Schärfe zu erhalten. Auch bei Langzeitbelichtungen ist ein gutes ND-3.0-Filter-System Pflicht, das die Farben natürlich wiedergibt. HDR-Technik lehnt Urs indessen strikt
ab. „HDR-Bilder wirken je nach Bearbeitungsart unrealistisch und farblich unecht. Wer im rechten Moment am rechten Ort ist und mit analogen Filtern umgehen kann, braucht kein HDR.“Mit modernen Kameras und ihrer hohen Sensordynamik ertappe er sich immer öfter dabei, dass er ohne Verlaufsfilter fotografiere und im Nachhinein die Tiefen in Lightroom nach oben korrigiere. „Vielleicht klingt das jetzt etwas unprofessionell, aber es funktioniert“, sagt er.
Nachbearbeitung
Fester Bestandteil seines Workflows ist der Feinschliff der RAW-Dateien am PC in Photoshop Lightroom. Ausgenommen davon sind die „HiRes-Aufnahmen“der Olympus-Kameras. „Um damit dieAuflösung von 80 Megapixeln voll auszureizen, ist die Originalsoftware des Herstellers notwendig.“In Lightroom bevorzugt er die Grundeinstellungen Tiefen, Lichter, Kontrast und Nachschärfen. Dazu kommen die Werkzeuge Objektivkorrektur, Verlaufsfilter und manchmal ein Pinsel, aber nie die Regler für Klarheit und Dynamik. „Diese wirken auf mich immer zu unnatürlich.“Auch Manipulationen wie das Austauschen von Bildelementen vermeidet er. „Vielleicht liegt es auch daran, dass ich lieber draußen bin und fotografiere und dieser Technik der Bearbeitung nicht mächtig bin. Das überlasse ich lieber Fotokünstlern, die das im Griff haben.“Redaktion Sabine Schneider