Sonys AF-Systeme im Praxistest
Alpha 9 versus Alpha 6500
In der Vergangenheit nutzten Spiegelreflexkameras ein externes Phasenmodul, um per Phasendetektion scharfzustellen. Spiegellose Systemkameras dagegen fokussierten direkt auf dem Sensor und werteten hierzu das Sensorbild per Kontrastmessung aus. Das sparte die zusätzliche Technik, war aber langsamer. Das ist schon lange kein Thema mehr. Heute realisieren Systemkameras eine Phasendetektions- und gleichzeitig eine Kontrastmessung auf dem Sensor. Moderne Sensoren und die deutlich gestiegene Rechenleistung aktueller spiegelloser Kameras machen es möglich. Auch Sony geht diesen Weg.
Zwei Autofokus-Welten
Die Kontrastmessung ist dem Fokussieren von Hand sehr ähnlich: Am Einstellring stellt man von unscharf nach scharf, bis das Optimum erreicht ist. Um sicher zu gehen, dreht man über die gewählte Schärfenebene hinaus, bis das Objekt wieder unscharf wird, und dann wieder zurück. Optimal scharfgestellt ist, wenn der Kontrast des beurteilten Motivdetails das Maximum erreicht hat. Beim Phasenkontrast-AF gibt es unterschiedliche Varianten. Während SLRs im Sucherbetrieb mit einem eigenen Phasen-Modul arbeiten, wird bei spiegellosen Systemkameras wie unseren beiden Sony-Modellen ein Teil der Pixel auf dem Bildsensor so ausgelesen, dass sie wie ein Phasen-AF-Modul genutzt werden können. Die AF-Sensoren werten Teilbilder aus und geben der AFSteuerung vor, wie zu fokussieren ist, damit der anvisierte Bereich scharf ist. Die Fokussierung ist abgeschlossen, wenn die beiden Teilbilder in Deckung gebracht sind. Die Kamera ermittelt mit einer einzigen Messung, in welche Richtung und wie weit die Linsen verschoben werden müssen, um ein scharfes Bild zu erzeugen. Hybrid-AF-Systeme kombinieren beide Verfahren, um schnell und präzise zu arbeiten. Moderne CMOS-Sensoren und leistungsfähige Prozessoren werten die Informationen extrem schnell aus. Darauf abgestimmte Objektive nutzen für viele kleine Schritte optimierte Linearoder Schritt-Motoren und fahren so die berechneten Positionen blitzschnell an. Hinzu kommen aus der Videotechnik gerade Verstellwege statt der gekrümmten Bahnen des MF-Zeitalters. Es ist wichtig, die Unterschiede zu verstehen, da nicht alle Funktionen mit beiden Systemen gleichwertig funktionieren. Der reine Kontrast-AF ist prima, wenn Sie eine Brennweite im Normal- oder Weitwinkelbereich verwenden und die Verstellwege kurz sind. Bei Telebrennweite und langen Wegen kommt er aber schnell an seine Grenzen. Hier haben kombinierte Systeme deutliche Vorteile. Die Phasenpunkte sind nicht als Kreuzsensoren ausgelegt, sondern erkennen nur vertikale Kontrastunterschiede – das sollte man im Kopf behalten. Bei beweg-
ten Motiven spielt die abgedeckte Fläche eine große Rolle, auch dies ist eine Stärke von Sensor-Lösungen. Die einfachen, älteren E-Mount-Objektive (v.a. Pancake- und Kit-Objektive) sind auf reine Kontrastmessung ausgelegt. Die neueren E-Mount-Objektive sowie die FE-Objektive für das Vollformat sind für beide Systeme geeignet.
93% Bildfeldabdeckung
Mit der A9 hat Sony einen 24-MP-Vollformatsensor im mehrschichtigen Design eingeführt, der im integrierten Speicher große Datenmengen zwischenspeichern und schnell an den BIONZ-X-Prozessor weiterreichen kann. Der Sensor-Hybrid-AF der A9 stellt einen neuen Rekord auf: 693 Phasen-AF-Punkte decken laut Sony 93% des Bildfelds ab, dazu kommt ein Kontrast-AF mit 25 Feldern. Dem Hybrid-AF der Alpha 6500 stehen zur Kontrastmessung 169 Felder zur Verfügung, zur Phasenerkennung 425. Die Phasenerkennung der A9 ist aus zwei Gründen herausragend: Erstens hat sie mehr Phasendetektions-AF- Punkte als jede andere Kamera, und zweitens hat man nie Probleme mit dem Frontfokus oder dem Backfokus, da das AF-Array in der Sensorebene liegt. Maximale Empfindlichkeit der Messung wäre bei offener Blende zu erwarten – Sony misst stattdessen aber bei einer festgelegten „Messblende“. Warum, wissen wir – noch – nicht. Sony-Deutschland konnte die Frage bis jetzt nicht beantworten. Beim nächsten Treffen mit japanischen Sony-Ingenieuren werden wir erneut nachfragen. Der Autofokus der A9 ist spür- und messbar schneller als in den A7-Modellen: 0,25/0,27 s bei 300/30 Lux ermittelte das Labor für die Auslöseverzögerung inklusive AF-Zeit. Die A6500 ist mit 0,29/0,3 s (300/30 Lux) etwas langsamer, aber trotzdem flott.
Einstellungen für AF-Funktionen
Mit dem AF-Modusknopf wird die Fokussiermethode ausgewählt, die für die Bewegung des Motivs geeignet ist: • AF-S (Einzelbild-AF): Die Kamera speichert den Fokus, sobald die Fokussierung abgeschlossen ist. Für statische Motive die richtige Wahl. • AF-C (Nachführ-AF): Die Kamera führt den Fokus nach, während der Auslöser halb niedergedrückt gehalten wird. Benutzen Sie diese Option, wenn sich das Motiv bewegt. • DMF (Direkte manuelle Fokussierung): ermöglicht eine manuelle Feinjustage nach der automatischen Fokussierung. Praktisch bei Makroaufnahmen. • MF (Manueller Fokus): Der Fokus wird komplett manuell eingestellt. Professionelle Tele-, Makro- und Zoomobjektive mit weiten Verstellwegen bieten die Möglichkeit, den Fokussierbereich einzuschränken. Dann muss der AF etwa nur zwischen 3 m und unendlich statt zwischen 1,2m und unendlich suchen und gewinnt Sekundenbruchteile, die entscheidend sein können – vor allem in der Sport- und Actionfotografie. Die Alpha 6500 lässt sich ähnlich bedienen wie die Alpha 9, die Details liegen in den Menüs. Hier werden die Fokusmodi über die Funktionstaste aufgerufen, zweite Schaltfläche in der oberen
Zeile. Damit legen Sie fest, wie die Fokussierung erfolgen soll. Die Einstellungen lassen sich mit der SET-Taste anpassen. Neben den bereits besprochenen AF-Modi AF-S, AF-C, DMF und MF bringt die A6500 auch AF-A – automatischer Autofokus. In diesem Modus analysiert die Kamera das Motiv und entscheidet selbst, ob sie AF-C oder AFS verwendet. Es ist eine praktische Einstellung, wenn während eines Shootings schwer vorauszusehen ist, wann die Motive sich bewegen und wann still stehen. Oder dann, wenn man nicht über die Wahl des Modus nachdenken möchte. Die Möglichkeit, die Empfindlichkeit und die Geschwindigkeit des Autofokus im AF-C-Betrieb anzupassen, bietet die A6500 nur für Video – selbst hier in nur wenigen, 2-3, Stufen. In diesem Punkt ist die professionelle A9 klar vorne. Im AF-Praxistest konnten beide Kameras voll überzeugen. Die A9 erfordert eine gewisse Einarbeitungszeit, um in Sachen AF den Überblick zu bekommen. Dann liefert sie auch bei bewegten Motiven tolle Serien mit hoher Präzision. Die A6500 kann da erwartungsgemäß nicht ganz mithalten, punktet aber mit ultrakompakter Form und verliert die deutlich größere und teurere A9 nicht aus den Augen. Reinhard Merz