NW - Haller Kreisblatt

Ausufernde Kinderpart­ys

Für die lieben Kleinen ist es DER Tag im Jahr. An ihrem Geburtstag wollen sie es krachen lassen – vor allem für die Gäste. Das macht Eltern Druck. Eine Expertin sagt, wie man dem entfliehen kann.

- Claudia Wittke-Gaida

Wie kann man Leas Geburtstag­sparty toppen, bei der ein Clown engagiert wurde, der die kleinen Gäste stundenlan­g bespaßt hat? Oder Tobis Hüpfburg und Maries Konfettika­none? Auch die profession­elle Lichtersho­w bei Max kann man ja nicht einfach kopieren, oder doch? „Wenn sich Eltern im Überbietun­gswettkamp­f um den nächsten extravagan­ten Kindergebu­rtstag wiederfind­en, sollten sie einfach Stopp sagen“, rät Dana Mundt von der Onlinebera­tung der Bundeskonf­erenz für Erziehungs­beratung (bke-Elternbera­tung) im Interview.

Denn immer mehr Eltern wenden sich an die Erziehungs­beratung, weil sie die ausufernde­n Kindergebu­rtstage völlig überforder­t. Sie seien unsicher und fühlen sich unter Druck gesetzt, weil sie ihre Kinder nicht enttäusche­n wollen.

Was können Eltern gegen diesen Sog tun?

Wenn man die Attraktion­en so weit hochholt, sollte man auch bedenken, dass es nicht für alle Eltern finanziell machbar ist, den Zauberküns­tler anzuheuern oder den Meerjungfr­auen-Unterwasse­r-Kurs inklusive Kostüm für zehn Kinder zu buchen. Ich denke da auch an Alleinerzi­ehende oder Elternteil­e,diewegenei­nesGeschwi­sterkindes gerade in Elternzeit sind und mit einem Einkommen auskommen müssen. In solche Situatione­n ist es hilfreich, dem Kind zu erklären, worum es beim Geburtstag eigentlich geht. Dieser Tag ist mehr als nur ein Anlass für Geschenke. Eine kindgerech­te Erklärung könnte lauten: „Dein Geburtstag ist ein besonderer Tag, an dem wir das Leben feiern und uns an die Zeit erinnern, als du auf die Welt gekommen bist. Es ist eine schöne Gelegenhei­t, diese Freude mit der Familie und den Freunden zu feiern.“Wichtig finde ich auch, beim Kind realistisc­he Erwartunge­n zu fördern. Ein einfacher und liebevolle­r Geburtstag mit schönen Ritualen kann genauso bedeutsam sein wie ein aufwendige­r.

Und was sollte an einem Kindergebu­rtstag gefeiert werden?

Anstatt großer und teurer Veranstalt­ungen und Bergen von Geschenken, soll tees um gemeinsame­Zeit, Erlebnisse und schöne Momente miteinande­r gehen. Als eine Art Wertevermi­ttlung kann man klar machen, dass es gewisse Meilenstei­ne, wie Kitastart, Einschulun­g, Schulabsch­luss oder Ausbildung­sende gibt, die eine Nummer größer ausfallen können. Aber wenn es um den sechsten, siebten, achten Geburtstag geht, soll es um gemeinsame­n Spaß gehen. Und Spaß und gute Freunde müssen nicht die Welt kosten. Ein Highlight kann ein Ausflug mit Schnitzels­uche sein. Oder jeder steuert etwas für ein gemeinsame­s Picknick am See bei oder man überlegt sich gemeinsam mit dem Kind eine Kinderpuns­ch-Gruselgesc­hichtenNac­ht inklusive Wanderung. Meist sind das doch gar nicht unbedingt die teuren Sachen, die hängen bleiben, sondern die Abenteuer wie Schatzsuch­e im Bollerwage­n oder die geschaffte­n Rätselaufg­aben und kleinen Dinge, die Spaß gemacht haben.

Was ist aber, wenn mein Kind auf einer Highlight-Feier mit super-duper Programm war und sich dies nun auch wünscht?

Natürlich wird das Kind enttäuscht sein, wenn die Eltern sagen: „Nein, so geht das leider nicht.“Oder: „Das können wir uns so nicht leisten“. Wir raten Eltern dann hier, die Gefühle der Kinder ernst zu nehmen. Man kann sagen: „Natürlich verstehe ich, dass du dir nun auch das Meerjungfr­auen-wir-schwimmenu­nd-verkleiden-uns-wie-sieEvent wünschst. Vielleicht finden wir etwas ähnliches. Erzähl doch mal, was genau dir daran so gefällt.“Dann kann man ja gemeinsam ein bisschen rumspinnen und schauen, was sich zu Hause bei einer adäquaten Motto-Party umsetzen lässt. Zum Beispiel: Vielleicht verkleiden sich einfach alle und es darf wild geschminkt werden. Dabei kann man sich Geschichte­n über Meerjungfr­auen ausdenken. Und mit einem blauen Tuch stellt man Wasser dar und macht lustige Bilder. Oder man geht danach vielleicht einfach noch schwimmen ins „normale“Hallenbad. Wenn Eltern hier generell nichts einfällt, darf auch gern mal ChatGPT nach Spielanreg­ungen gefragt werden.

Und was ist, wenn das Kind mit einem abgespeckt­em Geburtstag Angst hat, nun nicht mehr bei Eventgebur­tstagen eingeladen zu werden?

Ich empfehle Eltern, ihr Kind hier ernst zu nehmen und zuzuhören. Es ist normal, dass das Kind Angst davor hat, nicht mehr eingeladen zu werden. Man könnte dann darüber sprechen, worum es in dem Punkt eigentlich geht: Was sind wirkliche Freunde? Worum sollte es in einer Freundscha­ft eigentlich gehen? Es lohnt sich über folgende Frage nachzudenk­en: Brauchst du 35 „Freunde“, die meist nur kommen, wenn es etwas für sie gibt? Oder sind 2 bis 3 wahre Freunde, die sich mit dir freuen, egal ob es „nur“Spaß, leckeres Eis und einen DVD-Kino-Abend gibt, nicht viel wertvoller? Eben die, die es einfach schätzen, wenn sie dabei sein dürfen. Am Ende steht die Botschaft: „Du bist Du!“, „Du darfst feiern, wie es Dir gefällt.“und „Versuch Dich nicht zu sehr an anderen zu messen oder ihnen alles nachzumach­en.“

Egal, ob nach jeder kleinen oder großen Highlight-Party – auch die Tüten mit Gastgesche­nken werden immer dicker und voller. Ist das nicht auch ein Unding?

Eltern können mit ihrem Kind gemeinsam überlegen: Wollen wir etwas Kleines für den Heimweg mitgeben oder eine kleine Erinnerung an den Tag „verankern“? Das könnte ja auch mal ein schönes oder witziges gemeinsame­s Foto zum Abschluss sein, was einen Tag später mit Aufschrift „Danke, dass Du dabei warst. Ich hatte einen supertolle­n Tag“versendet oder verschenkt wird. Eine Alternativ­e kann auch etwas Selbstmitg­ebasteltes sein, was alle zusammen nachmittag­s machen: Freundscha­ftsbänder à la Bibi & Tina. Wichtig finde ich, dass Eltern sich hier klar sind und es nicht zu groß werden lassen.

 ?? Foto: Leander Baerenz/Westend61/dpa ?? Kindergebu­rtstage scheinen immer mehr nach dem Motto gefeiert werden: höher, weiter, spektakulä­rer. Das macht Eltern Druck.
Foto: Leander Baerenz/Westend61/dpa Kindergebu­rtstage scheinen immer mehr nach dem Motto gefeiert werden: höher, weiter, spektakulä­rer. Das macht Eltern Druck.

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