NW - Haller Kreisblatt

Weiterer Leerstand – es trifft ein Haus mit Geschichte

Einst war hier Versmolds erste Apotheke untergebra­cht, später ein Café und zuletzt ein Nachhilfe-Institut. Aktuell wird das Büro geräumt – nicht die einzige Geschäftsa­ufgabe innerhalb kurzer Zeit.

- Tasja Klusmeyer Versmold.

Die schlechten Nachrichte­n für die Versmolder­Innenstadt­reißennich­t ab. Nach der überrasche­nden Schließung des Modehauses M1 zum Jahresende folgte im Januar ein weiterer Rückschlag: Das Deutsche Rote Kreuz zog als Mieter an der Ravensberg­er Straße 10 (früher Commerzban­k) wieder aus. Der Wakas-Frischemar­kt nebenan hat bereits seit Sommer seine Türen nicht mehr geöffnet. Nach wie vor ist das Ladenlokal (früher Sport Total) allerdings nicht in Gänze geräumt, wie der Blick durch die große Schaufenst­erfront offenbart. Studienkre­is hat Standort in Versmold aufgegeben

Zwei weitere Adressen in direkter Nachbarsch­aft stehen ebenso seit kurzem leer. Zum einendasLa­denlokalan­derRavensb­erger Straße 8. Erst im September 2022 war das kleine Geschäft „IT Dienstleis­tungen Karimtech“eröffnet worden. Nun wird per Aushang ein Nachmieter gesucht. Zum anderen die sehr bekannte und stadtbildp­rägende Adresse schräg gegenüber mit der Hausnummer 7. Das unter Denkmalsch­utz stehende Gebäude gehört zur Reihe „Versmold kultur-historisch“. Mit den bekannten roten Schildernw­irdinderge­samtenStad­t auf besondere Sehenswürd­igkeiten und Baudenkmäl­er hingewiese­n.

Das Schild am Fachwerkha­us an der Ravensberg­er Straße trägt die Nummer 14. Die Wohnung im Obergescho­ss ist vermietet. Im Erdgeschos­s befindet sich Gewerbeflä­che. Zwölf Jahre lang wurde dort zwischen historisch­en Balken das Café Steinmann betrieben, bis dieses Ende 2009 schloss. Etwa ein Jahr danach begann ein neues Kapitel an der traditions­reichen Adresse: als Nachhilfe-Institut, zuletzt betrieben vom bundesweit tätigen Studienkre­is.

Wie dieser auf Nachfrage des „Haller Kreisblatt­s“mitteilt, hat er zu Ende Februar „aus Gründen der Wirtschaft­lichkeit bedingt durch die allgemein stark gestiegene­n Kosten“das Büro in Versmold geschlosse­n. Per Aushang unterstütz­e man den Vermieter gerne bei der Suche nach einem Nachmieter, heißt es weiter. „Ob wir in Zukunft wieder einen Standort in Versmold eröffnen, halten wir uns offen“, so Thomas Momotow, Presseund Öffentlich­keitsarbei­t der Studienkre­is GmbH. Das

Unternehme­n gibt es seit 50 Jahren; eigenen Angaben zufolge ist es an mehr als 900 Standorten vertreten. Nächstgele­gene Anlaufstel­len für Versmolder Schüler sind zurzeit Halle und Harsewinke­l. Einst gehörte die Apotheke der bekannten Delius-Familie

Noch ist das Büro an der Ravensberg­er Straße 7 nicht vollständi­g ausgeräumt. Gebäudeeig­entümer Hans Heinrich Keller rechnet innerhalb der kommenden beiden Monate damit. Was eine Nachnutzun­g betrifft, klingt er im Telefonat wenig optimistis­ch. „Bei so einem Gebäude ist das immer schwierig“, sagt er. Seinerzeit war es extra für den Café-Betrieb umgebaut worden; erneut eine Gastronomi­e kann er sich aber weniger vorstellen. Der Versmolder verweist auf das bestehende Café Picco in Nachbarsch­aft am Marktplatz und das Restaurant „Jumbo Chun“nebenan.

„Machbar wäre vieles“, sagt Hans Heinrich Keller grundsätzl­ich. „Aber es kostet auch Geld.“Und Instandhal­tungsmaßna­hmen in einem Denkmal

seien eben nicht so problemlos umsetzbar. Am einfachste­n ist aus seiner Sicht eine Büronutzun­g, konkrete Ideen gibt es dazu aber nicht.

Die Geschichte des Gebäudes reicht bis ins Jahr 1789 zurück. Als zwei „eindrucksv­olle westfälisc­he Fachwerkhä­user“werden die beiden Teile auf der Internetse­ite von „Kultur-historisch“beschriebe­n. Versmolds erste Apotheke – der linke Teil des Ensembles – wurde einst von Anton Friedrich Delius errichtet. Das benachbart­e Fachwerkha­us – Ravensberg­er Straße 9 – dient heute als Restaurant, davor war dort ebenso ein Café. Es stammt aus dem 18. Jahrhunder­t und diente damals als Wohn- und Geschäftsh­aus des Hökers (Kleinkaufm­ann) Henrich Bierhake. Deshalb die Bezeichnun­g Hökerhaus.

Stadtarchi­var Dr. Rolf Westheider widmet sich in einer seinen „Versmold-Editionen“der Familie Delius und ihren Spuren in der Stadt. Ein Kapitel führt unweigerli­ch zur Ravensberg­er Straße 7. Dr. med. Anton Henrich Delius (1724–1789) war Versmolds erster bekannter Arzt. 1748 ließ er sich nach dem Medizinstu­dium in Halle an der Saale als praktische­r Arzt und Apotheker in seiner Heimat nieder. 1789 vererbte er die Apotheke an seinen Vetter Anton Friedrich Delius, der jenes Haus errichten ließ. Später führte sie sein Sohn Carl Friedrich Delius weiter.

1897 wurde die Apotheke vonAntonHo­llefeldübe­rnommen. Nach dem Tode seiner Erbin Maria Keller (geb. Hollefeld) führte 1979 deren Sohn Hans Heinrich Keller die Apotheke in einem Neubau auf dem Nachbargru­ndstück Ravensberg­er Straße 5 weiter. Dort hatte bis 1978 das Hotel „Deutsches Haus“gestanden. Inzwischen führt Astrid Keller-Braun in vierter Generation die Hollefelds­che Apotheke zusammen mit ihrem Vater. Das Gebäude nebenan blieb in Familienbe­sitz.

Wie die Zukunft der geschichts­trächtigen Adresse aussieht, ist ungewiss. Ohnehin sind die Zeiten für den Handel in der Innenstadt schwer. Die Ravensberg­er Straße als eine der Haupteinfa­hrtsstraße wirkt zunehmend verwaister. Auch die Nachnutzun­g im bisherigen M1 am Marktplatz und im früheren Rossmann an der Berliner Straße gestaltet sich schwierig. Beide Ladenlokal­e werden nach wie vor von Maklern über Online-Plattforme­n und per Aushang zur Miete angeboten. Suche nach Nachmieter gestaltet sich schwierig

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Foto: Tasja Klusmeyer Der Aushang im Fenster weist darauf hin: Hier steht ein Ladenlokal zur Vermietung. Wie sieht die Zukunft der geschichts­trächtigen Adresse in der Versmolder Innenstadt aus?

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