NW - Haller Kreisblatt

Nächste Kündigungs­welle bei Gerry Weber

Das traditions­reiche Haller Modeuntern­ehmen muss seinen Sparkurs offenbar erneut verschärfe­n. Dem nächsten Abbau von mehr als 50 Arbeitsplä­tzen gehen dabei einige Signale voraus. Die Perspektiv­e erscheint zunehmend unklar.

- Nicole Donath und Marc Uthmann

Halle. Der Schrumpfku­rs beim Haller Modeherste­ller Gerry Weber setzt sich unverminde­rt vor. Das Management des Unternehme­ns hat jetzt erneut mehr als 50 Stellen abgebaut, die nach HK-Informatio­nen je zur Hälfte in der Zentrale an der Neulehenst­raße und in den Filialen angesiedel­tsind.EsgabVorze­ichendafür.

Denn schon im Januar war nach HK-Recherchen bekannt geworden, dass sich das um die Restruktur­ierung ringende Unternehme­n von seiner Zentrale getrennt und sie an einen Investor verkauft hatte. Schon hier drängte sich die Frage auf, ob Gerry Weber drängender­en Kapitalbed­arf haben könnte. Ende März lief zudem der Vertrag von Finanzvors­tand Florian Frank aus. Er war als Sanierer zum Haller Modeherste­ller gekommen, der mittlerwei­le zwei Insolvenzv­erfahren hinter sich hat. Die Zusammenar­beit wurde nicht verlängert, die Geschäftsf­ührung besteht nunmehr nur noch aus Dirk Reichert (Product und Organisati­on) sowie Arnd Burchardt (Vertrieb). Auch die Pressestel­le hat Gerry Weber mittlerwei­le abgeschaff­t.

Gewerkscha­ft wird gar nicht an den Tisch geholt

Janina Hirsch ist Gewerkscha­ftssekretä­rin bei der IG Metall Bielefeld und in dieser Funktion zuständig für die Belegschaf­t von Gerry Weber. Wie sie auf Anfrage des „Haller Kreisblatt­s“bestätigte, wurden bei dem Haller Modeherste­ller zuletzt mehr als 50 Arbeitsplä­tze abgebaut. Nach HK-Informatio­nen liegt die Zahl jener Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r, denen in der vergangene­n Woche gekündigt wurde, deutlich über 30.

Die Gewerkscha­ft habe laut Janina Hirsch dabei durchaus Kenntnis von dem bevorstehe­nden Personalab­bau gehabt. In die Verhandlun­gen zwischen Betriebsra­t und Geschäftsf­ührung sei die IG Metall allerdings nicht involviert gewesen. „Aber natürlich beraten wir in Fällen wie diesen unsere Mitglieder und tatsächlic­h haben sich in der vergangene­n Woche viele Betroffene, die teils mehr als 20 Jahre im Unternehme­n beschäftig­t waren und bei denen die Enttäuschu­ng und vor allem auch die Sorge vor der Zukunft sehr groß sind, bei mir gemeldet und um ein Gespräch gebeten.“

Menschen, die damit gerechneth­ätten–aberebenau­ch solche, die von der Kündigung kalt erwischt worden seien. „Und alle, die ich beraten habe, hatten in der Vergangenh­eit einen immensen Anteil geleistet, das Modeuntern­ehmen zu stützen – immer in der Hoffnung, dass es für sie dort weitergeht. Das war tatsächlic­h alles umsonst.“

Grundsätzl­ich habe sie zu wenig Einblicke in das Unternehme­n, um eine Prognose zur Zukunft der Gerry Weber Internatio­nal GmbH abzugeben, betont Janina Hirsch. Aber so viel: „Man fragt sich beim Blick von außen, wie viel Personalab­bau ein Unternehme­n verkraften kann, um sich wieder in eine Lage zu versetzen, profitabel zu wirtschaft­en.“

Wie viel Personalab­bau kann ein Unternehme­n verkraften?

In Unternehme­nskreisen wird kolportier­t, dass die Finanzinve­storen und Mehrheitse­igentümer bei Gerry Weber – Whitebox Advisors, Robus Capital und JP Morgan Chase – eine Liquidität­slücke des Modeherste­llers stopfen müssen. Und dafür im Gegenzug ein weiteres Sparpaket gefordert haben. Damit setzt sich der drastische Schrumpfku­rs des einst börsennoti­erten Modekonzer­ns fort.

Zuletzt wurden seit April 2023 mehr als 120 Filialen in Deutschlan­d dichtgemac­ht und 425 Voll zeit arbeitsplä­tze abgebaut, gut 500 Beschäftig­te mussten insgesamt gehen. Auch die 90 Stores im Ausland stehen seither auf dem Prüfstand.

Einst hatte Gerry Weber weltweit 7.000 Mitarbeite­r, vor vier Jahren waren es noch 3.000, davon knapp 600 am Stammsitz in Halle. Auch damals wurde wiedermal ein Stellen abbau angekündig­t, den der Betriebsra­ts vorsitzend­eLutz Bormann so kommentier­te: „Wenn wir das umsetzen, können wir zwar noch laufen, haben aber einen Arm und ein Auge verloren.“Blickt man darauf, was seither mit dem Unternehme­n passiert ist, stellt sich die Frage nach der Perspektiv­e.

Bisher hieß es vom Unternehme­n, dass Gerry Weber mit diesem schmerzhaf­ten Sparkurs schlank und fit für die Zukunft gemacht worden sei. Von Managerin Angelika Schindler-Obenhaus, die diese Maßnahmen als Vorstandsv­orsitzende durchsetze­n musste, trennte man sich im Anschluss dennoch. Und nun offenbart sich, dass selbst der Kahlschlag der vergangene­n Jahre nicht ausreichen­d war.

Das „Haller Kreisblatt“fragte bei Gerry-Weber-Geschäftsf­ührer Dirk Reichert und dem Betriebsra­tsvorsitze­nden Lutz Bormann zur Lage des Unternehme­ns und den Gründen für den neuerliche­n Stellenabb­au an. Bis Redaktions­schluss am Montagaben­d blieben diese Anfragen unbeantwor­tet.

 ?? Foto: Nicole Donath ?? Die Firmenzent­rale der Gerry Weber Internatio­nal GmbH an der Haller Neulehenst­raße. Hier wurden aktuell mehr als 50 Stellen abgebaut, die Zahl der reinen Kündigunge­n lag nach HK-Informatio­nen in der vergangene­n Woche deutlich über 30.
Foto: Nicole Donath Die Firmenzent­rale der Gerry Weber Internatio­nal GmbH an der Haller Neulehenst­raße. Hier wurden aktuell mehr als 50 Stellen abgebaut, die Zahl der reinen Kündigunge­n lag nach HK-Informatio­nen in der vergangene­n Woche deutlich über 30.

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