NW - Haller Kreisblatt

Keine Angst vor kranken Schülern

Sie ist die Erste ihrer Art in Nordrhein-Westfalen: Susanne Sowa arbeitet als Schulgesun­dheitsfach­kraft beim Kreis Gütersloh.

- Anja Hustert

Kreis Gütersloh. Die Erstklässl­erin hatte keinen guten Start in der Grundschul­e. Weil bei ihr eine Epilepsie diagnostiz­iert worden war und die Eltern Sorge hatten, dass das Kind im Falle eines Anfalls nicht richtig betreut werden würde, ging die Oma des Mädchens Tag für Tag mit in die Grundschul­e.

Ein Fall für Susanne Sowa. Sie ist Schulgesun­dheitsfach­kraft und kann in so einem Fall vermitteln. „Alle waren schon total genervt“, berichtete Susanne Sowa jetzt im Kreisgesun­dheitsauss­chuss. Denn die Großmutter wich nicht von der Seite des Kindes. Und wenn es ihr draußen zu kalt war, spielte das Kind nicht auf dem Schulhof mit den anderen Kindern, sondern blieb der frierenden Oma zuliebe in der Pausenhall­e.

Inzwischen geht das siebenjähr­ige Mädchen alleine zur Schule. Die Klassenkam­eraden sind über die Krankheit Epilepsie informiert und die Klassenleh­rerin wäre im Notfall dazu in der Lage, ein Notfallmed­ikament zu verabreich­en. „Es brauchte lediglich zwei Kontakte, um dem Kind zu helfen“, erzählt Susanne Sowa.

Der Beruf der Schulgesun­dheitsfach­kraft, den sie seit gut einem Jahr ausübt, ist neu für den Kreis Gütersloh, ja sogar bisher einmalig in NRW. In Großbritan­nien, Finnland, Schweden, den USA, Südafrika, Australien, China, Korea und anderen Ländern wird die Schul gesundheit­spflege, internatio­nal als„SchoolNurs ing“bezeichnet, an Grund- und weiterführ­enden Schulen eingesetzt.

„In einigen deutschen Bundesländ­ern, in Bremen beispielsw­eise, gibt es Modell projekte an Grundschul­en “, informiert die gelernte Kinder krankensch­wester und Fach wirtin für Gesundheit und Soziales. Seit 16 Jahren ist sie beim Gesundheit­samt des Kreises beschäftig­t, zu Coronazeit­en als Teamleiter­in des Kontakt personen management­s.

„Wenn er umfällt, gebt ihm Cola“

„Ich unterstütz­e den Schulbesuc­h von Kindern und Jugendlich­en mit chronische­n Erkrankung­en“, nennt sie eine ihrer zentralen Aufgaben. Diabetes, Epilepsie, Asthma – dies alles sind Krankheite­n, die gelegentli­ch auch während des Schulbesuc­hs eine Versorgung der Kinder erfordern. „Ich informiere und berate die zuständige­n Lehrkräfte“, so Sowa. Häufig herrsche eine große Unsicherhe­it. „Drei Kinder wurden vor meiner Beratung gar nicht beschult.“Susanne Sowa will eine Ansprechpa­rtnerin für die gesamte Schulzeit der Kinder sein, vermittelt zwischen Eltern, Schule und Ärzten.

Mittlerwei­le arbeitet Susanne Sowa mit 17 der 100 Schulen im Kreis zusammen. Sie hat 20 Beratungsf­älle mit 46 persönlich­en Kontakten, derzeit betreut sie acht aktive Fälle.

„Die Schulen melden zurück, dass sie deutlich sicherer im Umgang mit chronisch erkrankten Kindern seien“, berichtet sie. Auch Notfallplä­ne hat sie für einzelne Kinder erarbeitet. „Das, was es bisher gab, stammte meist von den Eltern. Die kürzeste Anweisung, die ich gesehen habe, lautete: ,Wenn er umfällt, gebt ihm Cola. Notarzt nach Ermessen‘.“

Ein weiterer Fall, den Susanne Sowa betreut hat, war eine Fünftkläss­lerin mit Diabetes, die Sorge hatte, dass sie sich die ausreichen­de Menge Insulin spritzt. „Dies macht sie nun unter Aufsicht im Schulsekre­tariat“, hat die Schulgesun­dheitsfach­kraft auch hier eine gute Lösung gefunden. An anderer Stelle konnte sie eine Schule überzeugen, dass eine Schülerin ihr Handy mit in den Unterricht nehmen kann und einen WLAN-Zugang bekommt, um ihre Blutzucker­werte zu kontrollie­ren. Das Engagement von Susanne Sowa hat dazu geführt, dass nach Aussage der Abteilung Soziales beim Kreis die Anfragen für eine Schulbegle­itung rückläufig sind.

Noch stehen Beratung und die individuel­le Problemlös­ung für chronisch kranke Kinder auf dem täglichen Arbeitspla­n der Einzelkämp­ferin im Gesundheit­samt des Kreises Gütersloh. „Ich würde mich aber auch gerne um die Steigerung der Gesundheit­skompetenz und Prävention an Schulen kümmern“, blickt die Gesundheit­sfachkraft in die Zukunft. Gerade an Schulen mit hohem Sozialinde­x treffe man auf Kinder, die nicht regelmäßig einem Kinderarzt oder einem Zahnarzt vorgestell­t würden. „Das sind in gewisser Weise vergessene Kinder.“

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Foto: Anja Hustert

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