Schachzug oder Affront?
Donald Trumps Supreme-Court-Kandidat kanzelt US-Präsidenten ab
WASHINGTON - Für die einen ist es der geschickte Schachzug eines Richters, der auch Stimmen aus dem Lager seiner Kritiker braucht, um seine Karriere zu krönen. Für andere ist es ein überraschend deutlicher Affront gegen Donald Trump. Neil Gorsuch, vom US-Präsidenten für einen Sitz am Obersten Gerichtshof nominiert, hat als „entmutigend“und „demoralisierend“charakterisiert, wie Trump im Streit um seine Einreisesperre gegen die amerikanische Justiz vom Leder zieht.
Die Worte fielen während eines Gesprächs mit einem Senator der Demokratischen Partei, den der Jurist aus Colorado davon zu überzeugen suchte, dass er ein durchaus geeigneter Kandidat für den Supreme Court ist. Konservativ, aber im Kopf unabhängig, jedenfalls kein Schoßhund zu Diensten Trumps. Prompt machte der Senator, Richard Blumenthal aus dem Neuengland-Staat Connecticut, die Äußerungen publik, womit er einen Paukenschlag dröhnen ließ. „Ich sagte ihm, für wie widerlich ich Donald Trumps Beschimpfungen der Justiz halte. Und er sagte mir, dass er sie entmutigend und demoralisierend findet“, gab Blumenthal wieder, was ihm Gorsuch anvertraut hatte.
Es dauerte nur eine Nacht, da reagierte der Präsident, wie er fast immer reagiert, wenn ihm etwas nicht passt: mit einer angriffslustigen Zeile bei Twitter. Den Richter, den er bei der Vorstellung als den „allerbesten“im Land gerühmt hatte, konnte er schlecht kritisieren. Also versuchte er den Überbringer der Botschaft madig zu machen, indem er dessen Glaubwürdigkeit in Zweifel zog: Blumenthal, der nie in Vietnam gekämpft habe, obwohl er es jahrelang behauptet habe, stelle falsch dar, was ihm der Richter gesagt habe. Worauf Gorsuch völlig unbeeindruckt bestätigte, dass es sich um ein korrektes Zitat handle. Nicht nur das. Gorsuch, schob Blumenthal hinterher, habe ihm ausdrücklich gestattet, es zu veröffentlichen. Hinzu kommt ein kleines Nebengefecht, das den dünnhäutigen Staatschef ebenfalls schlecht aussehen lässt. Zwar hatte sich Blumenthal der Einberufung zur Armee einst, in der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre, tatsächlich mithilfe ärztlicher Atteste entzogen. Aber auch Trump machte medizinische Gründe geltend, in seinem Fall waren es kranke Füße, um nicht nach Vietnam beordert zu werden.
Mag sein, dass Gorsuch, seit 2006 an einem Berufungsgericht in Denver tätig, mit einem opportunistischen Manöver versucht, seine Gegner im Kongress gnädig zu stimmen. Aber zumindest stellt der 49-Jährige unter Beweis, dass er nicht gewillt ist, die Rolle des loyalen Fußsoldaten zu spielen, der dem Mann, der ihn nominierte, grundsätzlich nicht widerspricht.
Stimmen der Demokraten nötig
Im Senat braucht er mindestens 60 Stimmen, um bestätigt zu werden. Die 52 Republikaner der Kammer weiß er zwar ausnahmslos hinter sich, die 48 Demokraten dagegen schienen anfangs fest entschlossen, ihn scheitern zu lassen. Schon aus Prinzip, um vorausgegangener republikanischer Totalopposition eine Retourkutsche folgen zu lassen. Merrick Garland, der Favorit Barack Obamas für den seit zwölf Monaten vakanten Stuhl in der Neunerrunde der Verfassungsrichter, wurde von den Konservativen nicht einmal angehört. Ob Gorsuchs Schelte gegen Trump ausreicht, um nun die Phalanx der Demokraten aufzuweichen, wird sich zeigen. Garantiert ist es nicht. Viele fürchten, dass der Harvard-Absolvent, an dessen fachlicher Qualifikation kein Zweifel besteht, bei Themen wie Abtreibung oder Waffenkontrolle für einen stramm konservativen Kurs steht.