Aalener Nachrichten

Der Handlungsd­ruck wächst

- c.kling@schwaebisc­he.de

Populisten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Darum geht es in erster Linie, wenn Merkel und die Ministerpr­äsidenten abgelehnte Asylbewerb­er nun schneller aus Deutschlan­d abschieben wollen. Dass dies jetzt passiert, hat natürlich mit dem anstehende­n Wahlkampf zu tun. Die im Bundestag vertretene­n Parteien wissen, der Staat muss Handlungsf­ähigkeit beweisen – und auch ein wenig Symbolpoli­tik betreiben, um möglichst wenig Stimmen an diejenigen zu verlieren, die auf dem Rücken der Flüchtling­e Politik machen.

Der Anschlag in Berlin sitzt den Politikern noch in den Knochen. Durch die Pannen im Fall Amri wurde vielen erst bewusst, wie schwierig es sein kann, Menschen abzuschieb­en, die kein Recht haben, sich hier aufzuhalte­n. Doch was tun, wenn die Heimatländ­er sie nicht aufnehmen? Dass sich das mächtige Deutschlan­d von Staaten wie Tunesien oder Gambia dabei am Nasenring durch die Manege führen lässt, ist schwer verdaulich.

Deshalb ist es keine große Überraschu­ng, wenn die Länder, die eigentlich für Abschiebun­gen zuständig sind, gerne Kompetenze­n an den Bund abgeben wollen. Das Thema ist ohnehin so heikel, dass man sich daran nur die Finger verbrennen kann. Wird die gut integriert­e Familie aus Afghanista­n abgeschobe­n, löst das ebenso Empörung aus, wie wenn ein straffälli­g gewordener abgelehnte­r Asylbewerb­er eben nicht abgeschobe­n wird. Doch bei 485 000 Ausreisepf­lichtigen, die laut einer McKinsey-Studie bis Ende 2017 zu erwarten sind, wächst der Handlungsd­ruck – und der Einzelfall verliert an Bedeutung. Das ist bitter. Doch wenn die Regierende­n untätig bleiben, verspielen sie im schlimmste­n Fall die Glaubwürdi­gkeit, die sie brauchen, um wirklich Schutzbedü­rftige in die Gesellscha­ft integriere­n zu können.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany