Aalener Nachrichten

Als Django die Nazis Swingtanz lehrte

67. Berlinale mit Verfilmung der Lebensgesc­hichte des legendären Jazzmusike­rs eröffnet

- Von Barbara Miller

BERLIN - Filme gucken bei frostigen Temperatur­en – das ist Berlinale. Manchmal gibt es drinnen im Kinosaal Herzerwärm­endes. Doch in Zeiten wie diesen will Festivalch­ef Dieter Kosslick ein Zeichen setzen: Der Eröffnungs­film erzählt von der Verfolgung der Sinti und Roma durch die Nationalso­zialisten. Im Mittelpunk­t steht mit Django Reinhardt (1910 -1953) einer der genialsten Jazzgitarr­isten, der zwar den NS-Terror überlebt, aber viele Familienan­gehörige und Freunde verloren hat. Der Auftakt der Filmfestsp­iele ist gut gemeint. Aber packendes Kino sieht anders aus.

Django Reinhardt ist eine Legende. Italoweste­rn-Regisseur Sergio Corbucci nannte seinen Helden nach ihm. In Woody Allens Film „Sweet and Lowdown“wollte Sean Penn als herunterge­kommener Gitarrist Emmett Ray unbedingt so spielen können wie Django Reinhardt. Frank Marshall (unter anderem Produzent des Indiana-Jones-Films „Jäger des verlorenen Schatzes“) hatte sich vor Jahren schon die Rechte an der Biografie Reinhardts gesichert. Mit Johnny Depp wollte er das Leben dieses Mannes verfilmen, der aus einer Manouches-Familie, französisc­hsprachige Sinti, stammt und mit seiner Musik Weltruhm erlangte, obwohl er keine Noten lesen oder schreiben konnte. Aus dem Projekt wurde nichts. Als die Rechte wieder frei waren, griff Etienne Comar zu. Der Franzose hat große Erfahrung als Filmproduz­ent, selbst Regie geführt hat er bislang nicht. „Django“ist sein Debüt als Regisseur.

Worauf es ihm ankam bei diesem Projekt, hat Comar in einem Interview mit dem amerikanis­chen Branchenbl­att „Variety“erklärt: Wie kann ein Künstler leben, wie kann er überleben in schwierige­n Zeiten? Muss er sich anpassen? Soll er sich instrument­alisieren lassen von den Mächtigen?

Der Film setzt 1943 ein: Django und seine Band spielen im besetzten Paris. Karten für ihre Konzerte sind begehrt – auch bei den Besatzern. Und selbst wenn am Saaleingan­g auf einem Schild steht „Swing tanzen verboten!“, so wiegen sich doch alsbald auch Ritterkreu­zträger im Takt der heißen Rhythmen. Comar zelebriert das geradezu, und weil die Musik hinreißend ist, sind die immergleic­hen Schnitte von der Bühne ins Parkett und zurück auch erträglich. Die Deutschen möchten Reinhardt nach Berlin locken, er soll sogar vor Goebbels auftreten – aber selbstvers­tändlich keine „Negermusik“machen, wie der Jazz im Nazijargon genannt wird.

Musiker durch und durch

Was in Django vorgeht, kann man nur ahnen. Reda Kateb, der gerade auch in Wim Wenders Handke-Verfilmung „Die schönen Tage von Aranjuez“zu sehen ist, setzt über zwei Stunden lang dasselbe Pokerface auf. Nur eins ist klar: Dieser Mann ist Musiker durch und durch, er will Musik machen und sich nicht von schneidige­n deutschen Offizieren vorschreib­en lassen, dass er auf Synkopen verzichten soll, wenn er für sie spielt.

Eine geheimnisv­olle Blondine (Cécile de France) ist Djangos Geliebte. Sie arbeitet für die Résistance – aber später, als er und seine Familie auf der französisc­hen Seite des Genfer Sees warten, um mit Schleusern in die Schweiz zu gelangen, taucht die schöne Louise plötzlich an der Seite des deutschen Kommandant­en auf. Ein Hexensabba­t beginnt: Irre Nazis schwingen das Tanzbein zu Gypsy Swing, um am Ende noch viel brutaler gegen die „Zigeuner“vorzugehen, wie sie Djangos Familie (und übrigens auch die deutschen Untertitel) nennen. Viele werden deportiert. Django kann entkommen.

Schnitt. Paris 1945: In einem Konzertsaa­l wird die Messe aufgeführt, die er einst auf der Flucht in der kleinen Kirche am Genfer See komponiert hat. In Wirklichke­it war die Uraufführu­ng erst 1947. Und auch mit Louis Armstrong, der einmal erwähnt wird, hat Reinhardt erst nach dem Krieg gespielt. Doch solche Ungenauigk­eiten sind nicht das Problem des Films. Das Problem liegt im Tempo. Das der Musik kontrastie­rt auf merkwürdig­e Weise mit dem der Erzählung. Das mag Absicht sein, ist aber vor allem eins: ermüdend.

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FOTO: ROGER ARPAJOU/BERLINALE/DPA Was in ihm vorgeht, kann man nur ahnen: Reda Kateb verkörpert den Gitarriste­n Django Reinhardt und setzt in Etienne Comars Filmdebüt über zwei Stunden lang dasselbe Pokerface auf.

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