Aalener Nachrichten

Tatort Zug

Sexuelle Übergriffe: Polizei warnt vor Hysterie und appelliert gleichzeit­ig an Frauen, jeden Vorfall anzuzeigen

- Von Alexandra Rimkus

ELLWANGEN - In den vergangene­n Wochen ist es in der Region mehrfach zu sexuellen Übergriffe­n und Belästigun­gen von Frauen in Zügen und auf Bahnsteige­n gekommen. Der jüngste Zwischenfa­ll ereignete sich erst am Mittwoch dieser Woche, als ein Mann im Zug vor einer 17-Jährigen in der Regionalba­hn von Aalen nach Nördlingen masturbier­te. Unsere Redaktion fragte bei der Polizei und bei der Bahn nach, wie sich Frauen in solchen Situatione­n verhalten sollen und ob das Bahnfahren für Frauen grundsätzl­ich gefährlich­er geworden ist.

Anzügliche Bemerkunge­n, masturbier­ende und grapschend­e Männer – all das scheint mittlerwei­le trauriger Alltag in deutschen Zügen zu sein. Zumindest kann man den Eindruck gewinnen, wenn man sich die Einträge unter dem TwitterHas­htag #imzugpassi­ert durchliest. Frauen berichten hier von verbalen Attacken, körperlich­en Übergriffe­n und Verfolgung­en in Zügen und auf Bahnsteige­n.

Auch in unserer Region ist es laut Polizei in den vergangene­n Wochen mehrfach zu derartigen Zwischenfä­llen gekommen: Mitte Januar soll eine 17-Jährige am frühen Nachmittag auf dem Bahnsteig in Crailsheim massiv sexuell belästigt worden sein. Ein Mann bedrängte das Mädchen und fasste es trotz Gegenwehr unsittlich an. Die 17-Jährige konnte sich losreißen und wegrennen.

Ende Januar der nächste polizeilic­h bekannte Zwischenfa­ll: Ein Unbekannte­r bedrängt im Zug von Ellwangen nach Aalen ein 16-jähriges Mädchen. Der Täter hatte die Jugendlich­e schon in der Bahnhofsha­lle in Ellwangen angesproch­en, sich dann im Zug neben sie gesetzt, sie mehrfach umarmt und geküsst, obgleich sich das Mädchen wegzudrehe­n versuchte.

Am Montagnach­mittag dieser Woche traf es eine 23-Jährige. Sie wurde – ebenfalls im Regionalex­press von Ellwangen nach Aalen – angegangen und begrapscht. Und das gleich von vier Männern. Ein Paar, das den Vorfall beobachtet hatte, eilte der jungen Frau schließlic­h zur Hilfe und hat so sehr wahrschein­lich Schlimmere­s verhindert.

Am Mittwoch dieser Woche meldet die Polizei bereits die nächste Belästigun­g. Ein Mann masturbier­t vor einer 17-Jährigen in der Regionalba­hn von Aalen nach Nördlingen. Die junge Frau greift zum Handy, filmt die Szene. Der Mann sucht das Weite (mehr zu dem Fall in unserer heutigen Ausgabe auf Seite 21).

Polizei: Es gibt keinen Grund zur Angst

Bei der Polizei warnt man trotz derartiger Zwischenfä­lle vor „Hysterie“. Wie Polizeispr­echer Bernhard Kohn verdeutlic­ht, handele es sich hierbei immer noch um Einzelfäll­e und kein generelles Problem. Niemand, auch nicht Frauen, bräuchten in unserer Region mit Angst in einen Zug steigen. „Dafür gibt es derzeit überhaupt keinen Grund“, betont Kohn mit Nachdruck. Gleichwohl sei ihm selbstvers­tändlich klar, dass jede dieser Polizeimel­dungen die Angst bei Frauen wachsen lässt. Eine Entwicklun­g, die den Polizeispr­echer aufrichtig besorgt. Den Frauen in Deutschlan­d dürfe nicht das Sicherheit­sgefühl verloren gehen. „Das dürfen wir als Gesellscha­ft einfach nicht zulassen“, postuliert Kohn. Eine gewisse Vorsicht sei zwar immer geboten. Aber eben keine Angst, sagt Kohn. Er rät den Frauen dazu, in brenzligen Situatione­n selbstsich­er aufzutrete­n und andere Menschen gegebenenf­alls gezielt um Hilfe zu bitten.

Außerdem appelliert Kohn eindringli­ch, sexuelle Belästigun­gen und Übergriffe grundsätzl­ich anzuzeigen. Egal, ob es sich dabei um verbale oder körperlich­e Attacken handelt. Kohn weist in diesem Zusammenha­ng darauf hin, dass das deutsche Sexualstra­frecht im vergangene­n Jahr deutlich verschärft worden sei. Eine sexuelle Nötigung könne jetzt auch eine Freiheitss­trafe nach sich ziehen.

Darüber hinaus sei es für die Polizeiarb­eit extrem wichtig, dass solche Vorfälle möglichst zeitnah angezeigt werden. Frauen sollten sich nicht scheuen und die Notrufnumm­er 110 wählen. Im Idealfall könne die Polizei den Täter dann eventuell schon direkt am Bahnhof stellen.

Bahn: Zugabteile nur für Frauen sind keine Lösung

Ähnlich wie Kohn lässt sich auch die Bahn ein. Ein Sprecher des Unternehme­ns weist darauf hin, dass die Anzahl sexueller Übergriffe und Belästigun­gen in Zügen zuletzt in Deutschlan­d eher rückläufig, als steigend gewesen sei. Würden sich „Problemlag­en“auftun, würden Mitarbeite­r der DB Sicherheit und der Bundespoli­zei verstärkte Präsenz auf betroffene­n Streckenab­schnitten oder in Bahnhöfen zeigen. Wie Kohn betont auch der Bahnsprech­er, dass es dazu aber wichtig sei, Übergriffe konsequent anzuzeigen. Entweder bei der Polizei oder der Bahn.

Von reinen Frauenabte­ilen, wie sie im vergangene­n Jahr von einem privaten Betreiber einer Zuglinie in Sachsen eingeführt werden sollten, hält man bei der Bahn AG gar nichts. Das sei kein geeignetes Instrument, um das Sicherheit­sgefühl von Frauen zu verbessern. Außerdem sei so etwas in der Praxis kaum umsetzbar, da man solche Zugabteile in letzter Konsequenz bewachen müsste.

 ?? FOTO: ARCHIV ?? Ende Januar wurde eine 16-Jährige im Zug von Ellwangen nach Aalen von einem Unbekannte­n bedrängt. Der Täter hatte die Jugendlich­e schon in der Bahnhofsha­lle in Ellwangen angesproch­en, sich dann im Zug neben sie gesetzt, sie gegen ihren Willen mehrfach...
FOTO: ARCHIV Ende Januar wurde eine 16-Jährige im Zug von Ellwangen nach Aalen von einem Unbekannte­n bedrängt. Der Täter hatte die Jugendlich­e schon in der Bahnhofsha­lle in Ellwangen angesproch­en, sich dann im Zug neben sie gesetzt, sie gegen ihren Willen mehrfach...

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