Parteiausschluss spaltet Südwest-AfD
Stuttgarter Fraktionschef Meuthen verteidigt Höcke – Landeschef befürwortet Verfahren
STUTTGART - Das Parteiausschlussverfahren gegen den Thüringer AfDChef Björn Höcke entzweit die Partei in Baden-Württemberg und im Bund. „Als Landessprecher begrüße ich die Entscheidung uneingeschränkt“, sagte der Südwest-Chef der Partei, Lothar Maier, der „Schwäbischen Zeitung“. Jörg Meuthen, der die Partei auf Bundesebene gemeinsam mit Frauke Petry führt und zugleich der Fraktion im Stuttgarter Landtag vorsitzt, ist dagegen. Als einer von vier Bundesvorständen votierte Meuthen am Montag gegen das Verfahren. Da neun der 13 Mitglieder – darunter Petry – aber dafür stimmten, wurde der Südwest-Politiker überstimmt und die benötigte Zweidrittelmehrheit dennoch erreicht.
Hintergrund für den angestrebten Rauswurf Höckes ist eine Rede, die der Thüringer vor der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative in Dresden gehalten hat. Darin sprach er unter anderem von einer „dämlichen Bewältigungspolitik“und plädierte für eine 180-Grad-Wende in der deutschen Erinnerungskultur.
„Ich bin inhaltlich nicht der Meinung, dass das, was Höcke vorgeworfen wird, für einen Parteiausschluss reicht“, sagte Meuthen der „Schwäbischen Zeitung“. Das Parteienrecht setze hohe Hürden für einen Ausschluss. Ihm gefielen viele Äußerungen Höckes auch nicht. Aber: „Was Höcke unterstellt wird, ist Nähe zum Nationalsozialismus, und die sehe ich als nicht gegeben, sonst würde ich natürlich anders votieren.“
Nicht nur politische Gegner in Baden-Württemberg reagierten empört auf Meuthens Haltung. „Sofern es noch Zweifel gegeben haben sollte, ob Meuthen demokratische Grundpositionen vertritt, sind die seit heute endgültig zerstreut“, sagte FDPFraktionschef Hans-Ulrich Rülke. Auch parteiintern stößt Meuthen auf Unverständnis. Höcke „hat uns ohne Ende geschadet und bringt uns ins Zwielicht. Das muss ein Ende haben“, sagte Südwest-Chef Maier.
Höcke selbst erklärte am Montag, er sehe dem Verfahren „gelassen entgegen“. Er habe den Vorgang mit „tiefer Sorge um die Einheit der Partei“zur Kenntnis genommen. „Der Beschluss besitzt zweifellos Potenzial zur Spaltung“, sagte er.
STUTTGART - Nun also doch: Der Bundesvorstand der AfD hat am Montag ein Parteiausschlussverfahren gegen den umstrittenen Thüringer Landeschef Björn Höcke auf den Weg gebracht. Nach seiner Dresdner Rede Mitte Januar hatte sich das Gremium lediglich auf Ordnungsmaßnahmen verständigen können. Doch die Mehrheit der Bundesspitze scheint nun zur Erkenntnis gekommen zu sein, dass Höcke der Partei mehr schadet als nützt.
In einer Rede Mitte Januar in Dresden, die den Ausschlag für das Verfahren gegeben hat, hatte Höcke eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“gefordert und über das Holocaust-Mahnmal in Berlin gesagt: „Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat.“
Neun der 13 Mitglieder im Parteivorstand stimmten nun am Montag für den Rauswurf Höckes – darunter auch die Vorsitzende Frauke Petry. Ihr Co-Vorsitzender Jörg Meuthen, zugleich Fraktionschef im badenwürttembergischen Landtag, votierte indes dagegen – ebenso wie der brandenburgische Landeschef Alexander Gauland. Auch die Landeschefs André Poggenburg aus Sachsen-Anhalt und Armin Paul Hampel aus Niedersachsen sollen dagegen gestimmt haben. Verhindern konnten sie das Ausschlussverfahren allerdings nicht, da die nötige Zweidrittelmehrheit erreicht wurde.
Der Fall landet nun vor dem Schiedsgericht des thüringischen AfD-Landesverbandes. In zweiter Instanz wäre das Bundesschiedsgericht zuständig, das zuletzt mehrere Entscheidungen des Bundesvorstandes gekippt hatte. Dazu zählte die geforderte Auflösung des Saar-Landesverbandes wegen Kontakten zu rechtsradikalen Kreisen.
Der „Schwäbischen Zeitung“nannte Meuthen zwei Gründe für sein Votum gegen das Verfahren: „Das Parteienrecht setzt sehr hohe Hürden und ich glaube nicht, dass die genommen werden.“Zudem sehe er keine Nähe Höckes zum Nationalsozialismus. Das Verfahren und Meuthens Haltung spaltet die Fraktion im Landtag wie auch die Landespartei.
Wie Meuthen sagte auch sein Fraktionsvize im Landtag, Emil Sänze, über Höcke: „Ich halte seine Äußerungen in der Dresdner Rede für nicht justiziabel. Er hat das alles sehr offen formuliert, alles andere ist Interpretation und Spekulation.“Deshalb halte er das Verfahren für nicht klug. Und, so Sänze: „Ein Drittel der Parteimitglieder steht hinter Herrn Höcke, und er hat auch Rückhalt in der Bevölkerung.“Auch der Landtagsabgeordnete Heinrich Fiechnter glaubt zwar nicht an einen Erfolg des Auschlussverfahrens. Dennoch sagte er: „Ich halte es für längst überfällig, dass die AfD eine Positionierung gegen Extremismen vornimmt.“Eine Abgrenzung nach rechts habe vielleicht einen Mitgliederverlust von einigen Tausenden zur Folge, „aber dafür stehen wir dann so da, dass uns ein normaler Bürger wählen kann“.
Austritte wegen Höcke
Zu Austritten sei es bereits gekommen, wie der Landesvorsitzende Lothar Maier erklärte – gerade wegen Höcke. „Und es hat unzählige kritische Zuschriften gegeben, auch an unseren Landesverband“, sagte er. „Die Mitglieder revoltieren zunehmend gegen Höcke.“Daher begrüße er das Verfahren uneingeschränkt. Ein Mitglied der AfD-Landtagsfraktion sieht darin ein „wichtiges Zeichen für die gemäßigte Mehrheit der Kräfte in unserer baden-württembergischen Fraktion und im Landesverband“.
FDP, SPD und Grüne im Landtag reagierten empört auf Meuthens Abstimmverhalten. SPD-Fraktionschef Andreas Stoch sagte: „Meuthen zeigt einmal mehr, dass seine angebliche Ablehnung von Antisemitismus und Rassismus nur ein immer wiederkehrendes taktisches Manöver ist.“Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Uli Sckerl, betonte: „Mit seiner Rückendeckung für Höcke hat Meuthen nochmals klar gemacht, dass er eine AfD mit Rechtsradikalen will.“