In Boomtown boomen auch die Mietpreise
Leerstände in der City: Verhandlungen scheitern an überzogenen Forderungen – Händler suchen günstigere Flächen
AALEN - Als Boomtown wird Aalen seit geraumer Zeit gelobt. Aber der Bauboom hat auch seinen Preis. Viele nutzen diesen, um auf der Erfolgswelle mitzusurfen, sagt Citymanager Reinhard Skusa. Denn im Zuge der Investitionen in der City steigen auch die Mieten. Unter anderem deshalb können Leerstände nicht an den Mann gebracht werden. Wegen zu hoher Mieten gibt so mancher Einzelhändler auch sein Geschäft auf oder zieht an einen anderen Standort.
Als dramatisch kann man die Zahl an Leerständen in der Aalener Innenstadt nicht bezeichnen. Elf Stück zählt Citymanager Reinhard Skusa. Zwei davon gibt es seit einiger Zeit an der Stadtkirche. Hier hatten einst der Modeladen Louise und die Gastronomie Have a seat ihren Standort. Seit dem Umzug des Textilgeschäfts in die Helferstraße und der Schließung des Lokals hat sich hier bislang nichts getan. Wie bei den meisten anderen Leerständen in der Innenstadt (siehe „Second-Hand-Shop...“) sei es aber nicht so, dass es für die Flächen keine Interessenten gibt, sagt Skusa. Vielmehr scheiterten die Mietverhandlungen an dem geforderten Quadratmeterpreis. Laut einem Insider musste die Inhaberin des ehemaligen Geschäfts Louise 1400 Euro im Monat bezahlen. Und das für 35 Quadratmeter.
Diese zum Teil überzogenen Vorstellungen seien, so Skusa, auch ein Grund dafür, dass sich Einzelhändler eine neue, günstigere Fläche suchen. Als nicht mehr gerechtfertigt bezeichnet eine Aalener Geschäftsfrau, die aus Angst vor Repressalien ihres Vermieters namentlich nicht genannt werden möchte, den Mietpreis, der von ihr mittlerweile abverlangt werde. Jahrzehntelang habe sie immer pünktlich ihre Miete bezahlt, doch die Erhöhung um 25 Prozent, die ihr der Besitzer jetzt auferlegt habe, könne sie nicht mehr stemmen. Insofern ziehe sie jetzt die Reißleine.
Von hohen Mietforderungen kann auch Werner Steiner, Inhaber des Ladens s.Oliver, ein Lied singen. Mitte des Jahres wird er sein Geschäft am oberen Marktplatz schließen. Hier einziehen wird dann das Geschäft Malibu, das seinen Standort noch in der Radgasse hat. Die vergangenen sechs Jahre habe Steiner eine Top-Miete für einen Standort bezahlt, der diesen Spitzenpreis mit Blick auf die KubusBaustelle oder die Sanierung der Rathaus-Tiefgarage und den damit verbundenen Umsatzeinbußen nicht mehr verdient habe, sagt der 56-Jährige. Als er seinem Vermieter schließlich eine Mietkürzung angekündigt habe, habe er von ihm die Kündigung bekommen. Steiner habe sich in der vergangenen Zeit auch alternative Standorte angeschaut. Unter anderem sei er an einer Fläche im Kubus interessiert gewesen. Als er allerdings den Mietpreis erfahren hat, der mittlerweile bei 35 Euro pro Quadratmeter liege, habe er einen Rückzieher gemacht.
Restaurantkette Nordsee macht einen Rückzieher
Unterirdisch seien auch die Forderungen im schräg gegenüberliegenden Gebäude, in dem Rossmann das Erdgeschoss belegt. Da die Drogerie-Filiale nach der Fertigstellung des Kubus’ in den Neubau einzieht, laufen seit einiger Zeit Gespräche über eine Nachfolgenutzung. Diese gestalten sich allerdings zäh. Für Steiner ist das kein Wunder. Zahlt Rossmann für den Quadratmeter hier noch 16 Euro, soll der neue Mieter, so Steiner, 40 Euro berappen. „Anfangs waren es sogar 51 Euro.“Die hohe Mietforderung ist nach Informationen der „Aalener Nachrichten“auch ein Grund gewesen, warum die Restaurantkette Nordsee das Interesse an der Fläche verloren habe.
Die Miete zu erhöhen, sei das eine – dann müsse der Vermieter jedoch Geld für die Renovierung in die Hand nehmen, sagt eine Geschäftsfrau, die anonym bleiben möchte. Aus ihrem ehemaligen Laden sei sie ausgezogen, weil hier eine deutliche Mieterhöhung angestanden habe, sich der Eigentümer aber um nichts kümmerte. Monatelang habe bei ihr die Heizung nicht funktioniert. Als sie daraufhin eine Mietminderung beansprucht habe, sei ihr mit der Kündigung gedroht worden. Daraufhin habe sie die Notbremse gezogen und sich etwas anderes gesucht.
Wer kassiert, muss auch investieren. Diese Devise gilt auch bei OptikBinder. Seit 17 Jahren ist die Filiale in dem Gebäude in der Reichsstädter Straße. Neben hohen Mietkosten sei der Zustand des Gebäudes und des Ladens ein Grund, warum der Optik-Filialist, dessen Vertrag 2019 ausläuft, auf der Suche nach einem anderen Standort sei, sagt ein Mitarbeiter.
AWG sucht neuen Standort, Ulla Popken schließt Geschäft
Aus dem jetzigen Gebäude in der Mittelbachstraße möchte auch die AWGFiliale ausziehen, deren Mietvertrag nach Informationen der „Aalener Nachrichten“Anfang 2018 endet. Miete und Umsatz stünden, so die Mitarbeiter, nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis. Dass AWG mit einem neuen Standort außerhalb der City liebäugelt, wollte das Unternehmen nicht kommentieren. Zu einer Stellungnahme nicht bereit war auch die Pressestelle von Ulla Popken. Der Laden in der Reichsstädter Straße hatte am Freitag zum letzten Mal geöffnet. Grund für die Geschäftsaufgabe soll auch hier gewesen sein, dass sich Ausgaben und Einnahmen nicht mehr die Waage hielten.
Das sind die groben Mietpreise pro Quadratmeter nach Standort in der City: A-Lage, dazu gehört unter anderem der Marktplatz: 30 bis 35 Euro, in der Spitze bis zu 70 Euro,
B-Lage (unter anderem Radgasse, Mittelbachstraße, Reichsstädter Straße): 20 bis 25 Euro, C-Lage (unter anderem Beinstraße und Spitalstraße): 15 bis 20 Euro. Je besser jedoch die Anbindung, der Zuschnitt des Ladens und die Größe der Schaufenster, desto höher steigt die Miete.