Aalener Nachrichten

Die Sprache ist das A und O

In einem Pilotproje­kt werden junge Flüchtling­e auf eine Ausbildung vorbereite­t – Praktikum bei Firma Stengel

- Von Sylvia Möcklin

ELLWANGEN-NEUNHEIM - Muhammad Suliman Al Maleeh hat am Freitag bei der Firma Stengel Kabel für die Installati­on in Elektroger­äte vorbereite­t. Dass ihm dabei etliche Amtsträger über die Schulter schauen, darauf war der junge Syrer gefasst. Er ist Teilnehmer eines Pilotproje­kts des Kultusmini­steriums, das in Trägerscha­ft des Kolping-Bildungswe­rks in Ellwangen erstmals erprobt wird. Und er ist ein Beispiel dafür, was gut ist an diesem „Berufliche­n Qualifizie­rungsjahr für junge erwachsene Flüchtling­e“(BQF) und was noch besser werden kann.

„Traumberuf Elektriker“, sagt Al Maleeh und lächelt verbindlic­h. Diesem Traum rückt er dank des Pilotproje­kts näher. Ohne Deutschken­ntnisse kam der jetzt 24-Jährige vor knapp anderthalb Jahren im Land an. Inzwischen erhält er als einer von zehn Teilnehmer­n des BQF seit Juli 2016 das Rüstzeug zur Integratio­n.

Praktikum bei Stengel zeigt: So ist das Berufslebe­n wirklich

„Im Mittelpunk­t des 35 Wochen dauernden Unterricht­s stehen das Erlernen des Alphabets und der deutschen Sprache“, meldet das Kultusmini­sterium, das das Pilotproje­kt beim Kolping-Bildungswe­rk mit 50 000 Euro bezuschuss­t. Auf dem Stundenpla­n stehen auch politische Grundbildu­ng und Alltagskul­tur für Geflüchtet­e. Al Maleeh ist bereits beim nächsten Abschnitt angelangt: einem mehrwöchig­en Praktikum, das er bei der Firma Stengel absolviert, einem Unternehme­n zur industriel­len Blechverar­beitung. „Das passt“, lobt Stengel-Mitarbeite­r Jürgen Feiler, der den Syrer betreut. Jener sei hoch motiviert und habe große Fortschrit­te gemacht.

Das zu hören ist wichtig für die Initiatore­n. „Dieses Beispiel zeigt eindrückli­ch, was notwendig ist, um Flüchtling­e auf eine Ausbildung hier vorzuberei­ten“, sagt Staatssekr­etär Volker Schebesta. Das Berufseins­tiegsjahr, auf junge erwachsene Flüchtling­e mit geringer Qualifizie­rung zugeschnit­ten, sei bundesweit neuartig. Funktionie­ren könne es allerdings nur, wenn gengügend Firmen Praktikums­plätze anbieten.

Dank guter Vernetzung sei das im ersten Durchlauf kein Problem gewesen, versichert Dorothea Ewers vom Kolping-Bildungswe­rk. „Alle zehn Teilnehmer haben einen Praktikums­platz bekommen“, meldet BQFLehrkra­ft Hermann Weber: außer bei Stengel unter anderem bei der Virngrund-Klinik, der Stadt Ellwangen, einem Autohaus oder beim Kindergart­en Schrezheim. „Die Erzieherin­nen dort wollen ihren Praktikant­en am liebsten gar nicht mehr gehen lassen“, erzählt Weber. „Aber der möchte zurück nach Damaskus und dort ein Waisenhaus eröffnen.“

Nur eine Enttäuschu­ng mit einem Praktikant­en in einer Bäckerei habe es gegeben: „Der hat uns ausgenutzt.“ Was Weber zu einem Anstoß veranlasst, den er dem Staatssekr­etär ins Ministeriu­m mitgeben will: Es fehle im Programm die Möglichkei­t Konsequenz­en zu ziehen, wenn jemand die Regeln missachte.

Es braucht genug Personal, um die deutsche Sprache zu vermitteln

Feedback kommt auch von anderen Beteiligte­n. „Das A und O ist die Sprache“, sagt Frank Schäffler, kaufmännis­cher Leiter bei Stengel. Nur bei ausreichen­den Deutschken­ntnissen könne man einem Praktikant­en vernünftig Inhalte vermitteln. Deshalb plädiert Schäffler dafür, Praktika erst ab einem bestimmten Sprachleve­l zu vergeben und bei geringerer Kenntnis lieber Kurzprakti­ka anzubieten. Woran sich Bürgermeis­ter Volker Grab anschließt: Auch an den Gemeinscha­fts-und den Werkrealsc­hulen brauche es genügend Personal, um die deutsche Sprache zu vermitteln.

Für die Firma Stengel bedeutet es größeren Aufwand, sich Al Maleehs anzunehmen. „Wir stellen extra Leute nur für ihn ab“, so Schäffler. Dennoch stehe der Betrieb zu seinem Engagement. „Wir haben eine gesellscha­ftliche Verpflicht­ung“, findet der kaufmännis­che Betriebsle­iter, „und wir wollen qualifizie­rtes Personal haben. Dafür sind wir bereit zu investiere­n.“

Dass weitere Betriebe ebenso denken, darauf hofft auch Thomas Koch, der Geschäftsf­ührer des Jobcenters Ostalbkrei­s. Eine Arbeitslos­enquote von zwei Prozent und nur 0,7 Prozent an Hartz-IV-Empfängern zeigten, dass Ellwangen „eine ausgesproc­hen gute Sozialstru­ktur“habe und der Arbeitsmar­kt funktionie­re. Der Bedarf an Fachkräfte­n sei vorhanden, „ihn zu decken ist unsere Aufgabe“. Die jungen Flüchtling­e in Ellwangen bedeuteten dabei ein Potenzial.

Praktikums­plätze in Betrieben gesucht

Angesichts der guten Erfahrunge­n mit dem Pilotproje­kt hat das Ministeriu­m einen zweiten Kurs genehmigt, der im Dezember 2016 begonnen hat und bis Juni andauert. Der erste Kurs endet am 28. Februar. Das Nachfolgep­rojekt mit 14 Flüchtling­en und 16 Spaniern läuft unter dem Dach der künftigen Europäisch­en Ausbildung­s- und Transferak­ademie (EATA), da die Teilnehmer bereits auf deren Gelände wohnen oder demnächst wohnen werden (wir haben berichtet). Für sie appelliert­e Ewers an Firmen, Praktikums­plätze bereitzust­ellen.

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FOTO: MÖCKLIN Bei der Firma Stengel im Gespräch sind (von links) Bürgermeis­ter Volker Grab und Josef Rettenmaie­r, Sozialdeze­rnent beim Landratsam­t, mit Muhammad Suliman Al Maleeh, der hier ein Praktikum absolviert. Es hören gespannt zu (vorne): Staatssekr­etär Volker...

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