Aalener Nachrichten

Europa braucht eine Stimme

- Von Christoph Plate c.plate@schwaebisc­he.de

Europa wollte an der Münchner Sicherheit­skonferenz hören, was die USA unter ihrem neuen Präsidente­n Donald Trump zu sagen haben. Die Antworten waren inhaltsarm und konnten wenig beruhigen. Wie ist es aber, die Frage einmal umgekehrt zu stellen: was haben ein Amerikaner, ein Chinese oder ein Ruander erfahren, die nach München kamen, um zu verstehen was Europa zu sagen hat?

Sie haben eine Kakophonie gehört, ein schräg klingendes Konzert unterschie­dlichster Meinungen und nebensächl­icher Befindlich­keiten. Ungarns Ministerpr­äsident Victor Orbán reiste gar nicht erst an, der polnische Außenminis­ter war beleidigt, weil die EU-Kommission sich ungebührli­ch in die Angelegenh­eiten seines Landes einmische. Als eine der wenigen behielt die deutsche Bundeskanz­lerin einen kühlen Kopf.

Es ist eine Stärke Europas, dass debattiert und nicht dekretiert wird. Dass der Kompromiss zur Folge hat, dass niemand wirklich zufrieden ist, liegt in der Natur der Sache, wenn 27 Staaten gleich viel zu sagen haben. Aber jetzt ist die Lage sehr ernst, so ernst, dass das Projekt Europa, das allen Beteiligte­n Vorteile verschafft hat, feststeckt. Gerade einige osteuropäi­sche Staaten müssten sich am Riemen reißen und ihre Befindlich­keiten hintanstel­len. In diesem Jahr dominierte­n die Sorge über die Folgen des Brexit und die Ängste vor einem unkontroll­ierten US-Präsidente­n die Sicherheit­skonferenz. Aber schon bei der nächsten Sicherheit­skonferenz kann es für Europa existenzie­ll werden. Wenn Marine Le Pen die Präsidents­chaftswahl­en in Frankreich im Mai gewinnt, dann war es das mit der EU. Mit einem Austritt Frankreich­s würde Europa zerfallen, die osteuropäi­schen Staaten würden wieder unter stärkeren Einfluss des russischen Nachbarn gelangen.

Europa ist im Moment sehr mit sich selbst beschäftig­t. Es muss lernen, gelassen und mit einer Stimme aufzutrete­n. Jenseits des Atlantik herrschen in der Machtzentr­ale bereits Egomanie und Uneinigkei­t. Dieses amerikanis­che Phänomen sollte Europa nicht übernehmen.

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