Aalener Nachrichten

Gemeinsam raus aus dem Bildungsti­ef

Kultusmini­sterin Eisenmann kündigt Änderungen bei der Lehrerfort­bildung an

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Die Lehrerfort­bildung im Land wird sich ändern. Das kündigte Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) am Samstag in Stuttgart an. „Eine Veränderun­g in der Struktur der Schulverwa­ltung liegt auf der Hand“, sagte sie in Bezug auf die an diesem Tag mehrfach kritisiert­en Fortbildun­gsangebote für Lehrer. Die Ministerin hatte die mit Bildungspo­litik befassten Beiräte, Verbände, Gewerkscha­ften, Behörden und sonstige Gruppen zum Austausch eingeladen, um gemeinsam das schlechte Abschneide­n baden-württember­gischer Schüler bei der jüngsten Studie des Instituts für Qualitätse­ntwicklung im Bildungswe­sen (IQB) unter die Lupe zu nehmen.

Auf den unteren Rängen

Bei der im Herbst vergangene­s Jahr veröffentl­ichten Studie waren die sprachlich­en Kompetenze­n der Neuntkläss­ler im Land abgesackt. Ehemals gemeinsam mit Bayern Spitzenrei­ter im Länderverg­leich, rangiert der Südwesten nun auf den unteren Rängen in Deutsch und Englisch. Entscheide­nder ist laut Petra Stanat, Direktorin des Berliner IQB, dass die Ergebnisse im Vergleich zur gleichen Studie von 2009 im Land gesunken seien. In vielen Gesprächen seit Veröffentl­ichung der Studie habe sie gelernt: „Durchschni­tt geht in Baden-Württember­g gar nicht“, so Stanat.

Als mögliche Ansatzpunk­te verwies Stanat darauf, dass Lehrer im Südwesten seltener an Fortbildun­gen teilnähmen – doch gerade beim individual­isierten Unterricht und bei spezieller Förderung der Schüler wünschten sich die Lehrer mehr Weiterbild­ung. Joachim Straub vom Landesschü­lerbeirat erklärte hierzu: „Binnendiff­erenzierun­g findet an vielen Schulen nicht statt.“Alle wissenscha­ftlichen Erkenntnis­se belegen laut Stanat zudem, dass fachfremde­r Unterricht von Lehrern die Qualität mindere. „Da haben wir Defizite“, bestätigte Eisenmann. Der Anteil fachfremde­n Unterricht­s liege im Land bei 23 Prozent, im deutlich leistungss­tärkeren SchleswigH­olstein hingegen bei null Prozent.

Der Anteil fachfremde­n Unterricht­s sei an Grundschul­en besonders hoch, ergänzte Doro Moritz von der Gewerkscha­ft für Erziehung und Wissenscha­ft und forderte, stärker wissenscha­ftliche Erkenntnis­se zu nutzen. Und sie sagte: „Wir brauchen dringend mehr Kompetenz im Umgang mit Heterogeni­tät.“Auch Stanat betonte die Bedeutung von wissenscha­ftlicher Begleitung in der Bildung. „Wir müssen mehr zwischenev­aluieren“, so die IQB-Direktorin. Eine „deutliche Stärkung der Fachlichke­it“forderte Ingeborg Schöffel-Tschinke vom Landesschu­lbeirat. Gerade diejenigen Lehrer, die fachfremd unterricht­eten, bräuchten mehr schulnahe Weiterbild­ung. „Wir brauchen eine konzeption­elle Weiterentw­icklung der Fortbildun­g.“Auf ein Problem hierbei machte Carmen Haaf vom Landeselte­rnbeirat aufmerksam: „Eine erhöhte Fortbildun­gsquote hätten einen weiteren Unterricht­sausfall zur Folge“, und der sei bereits hoch, selbst im Pflichtunt­erricht.

Bernd Saur vom Philologen­verband regte an, das Referendar­iat für Lehrer wieder auf zwei Jahre zu verlängern zu Gunsten eines fundierter­en Unterricht­s. Praxisnahe Weiterbild­ung sei nicht nur für die Lehrer – und zwar in Teams – wichtig, sagte Matthias Wagner-Uhl vom Verein für Gemeinscha­ftsschulen. Gerade Schulleite­r bräuchten Fortbildun­gen und genügend Zeit, um ihre Schule weiterentw­ickeln zu können.

Schulstruk­tur kein Faktor

Die unterschie­dlichen Schulstruk­turen dienten hingegen nicht als Erklärung, sagte Stanat mit Verweis auf die guten Ergebnisse Bayerns mit seinem dreigliedr­igen System und Schleswig-Holsteins mit seinen zwei Schulforme­n. Doch sagte sie: „Stabilität könnte hilfreich sein.“Genau die habe es, unter anderem wegen der Einführung der Gemeinscha­ftsschule, in den vergangene­n fünf Jahren nicht gegeben, erklärte etwa Gerhard Brand vom Verband Erziehung und Wissenscha­ft. Auch Karin Broszat vom Realschull­ehrerverba­nd beklagte die „destabilis­ierenden Faktoren“der vergangene­n Jahre, die sich auch auf die Motivation der Lehrer ausgewirkt hätten. Herbert Huber vom Berufschul­lehrerverb­and ergänzte: „Ziel muss ein Schulfried­e unter den Schulen sein.“

„Wir haben das beste LehrerSchü­ler-Verhältnis aller Bundesländ­er, aber trotzdem magere Ergebnisse“, sagte Stefan Küpper vom Arbeitgebe­rverband. Drum sei eine Konzentrat­ion auf Effizienz und Effektivit­ät im Schulsyste­m nun überfällig. „Wir haben Ressourcen im System“, bestätigte auch Kultusmini­sterin Eisenmann, „aber nicht den Überblick, ob sie an den richtigen Stellen eingesetzt sind.“Unter anderem mit Hilfe des Landesrech­nungshofs werde dies nun durchleuch­tet.

Für Reformen zur Qualitätss­teigerung werde sich das Kultusmini­sterium Zeit nehmen, sagte Eisenmann. „Bildungspo­litik eignet sich nicht für Hopplahopp-Verfahren.“Doch sie kündigte bereits an: „Wir werden das Thema Aus- und Weiterbild­ung angehen“, wie auch die Fachlichke­it der Lehrer.

Gemeinsam mit den Bildungsex­perten wolle sie Zielverein­barungen für mehr Qualität an den Schulen im Land entwickeln.

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