Aalener Nachrichten

In Ost-Mossul ist ein Stück Freiheit zurück

Jetzt will die irakische Armee die Terrormili­z „Islamische­r Staat“aus dem Westen der Stadt vertreiben

- Von Sahar Othman und Sarah Lena Grahn

MOSSUL (dpa) - Sie kann raus auf die Straße gehen, zur Arbeit fahren. Einfach so. Zweieinhal­b Jahre lang war Faten Gamal gezwungen, zu Hause zu bleiben. Doch seit die Terrormili­z „Islamische­r Staat“(IS) aus OstMossul im Irak vertrieben wurde, fühlt sie sich wie neugeboren. „Meine Kolleginne­n und ich haben unsere Freiheit wieder“, sagt die 33-Jährige. „Unsere Freiheit zu arbeiten, auszugehen, unsere normalen Sachen anzuziehen.“

Sie genießen eine lange nicht gekannte Zwanglosig­keit, die am Wochenende auch für die Frauen auf der anderen Seite des Flusses Tigris näher rückte. Die irakischen Streitkräf­te begannen am Sonntagmor­gen mit dem Sturm auf West-Mossul. Die Gefechte in der ehemaligen Millionens­tadt werden voraussich­tlich aber noch Wochen bis Monate dauern.

Die Freude, ihr altes Leben wiedergewo­nnen zu haben, ist vielen Frauen im befreiten Ostteil der früheren Terroriste­n-Hochburg deutlich anzumerken. „Ich kann meine Freundinne­n jetzt jeden Tag sehen, wir können durch die Straßen laufen und unsere Freiheit genießen“, sagt etwa Zahraa Nodeir. Die 20-Jährige trägt ein pinkes Shirt. Sie freue sich, wieder bunte Röcke und auch Hosen anziehen zu können, sagt sie.

Unter IS-Herrschaft mussten Frauen und junge Mädchen von Kopf bis Fuß einen Ganzkörper­schleier tragen – den sogenannte­n Nikab. Sie durften das Haus nicht ohne männliche Begleitung verlassen und mussten die familiäre Beziehung zu ihrem Aufpasser nachweisen können. Ehepaare etwa wurden an Kontrollpo­sten regelmäßig aufgeforde­rt, ihre Heiratsurk­unde zu zeigen.

Ein paar Hundert IS-Kämpfer hatten die zweitgrößt­e Stadt des Irak im Sommer 2014 überrannt und seitdem unter ihrer Kontrolle gehalten. Die irakische Armee begann im vergangene­n Oktober mit Hilfe von Verbündete­n und Luftangrif­fen der US-geführten Koalition ihre Offensive zur Rückerober­ung. Die Befreiung Ost-Mossuls gelang ihnen im Januar. Im Westteil der Stadt verschanzt sich der IS bis heute – doch mit einer Offensive der irakischen Armee ist die Rückerober­ung seit Sonntag wieder näher gerückt. Nach Angaben der Hilfsorgan­isation „Save The Children“sitzen noch etwa 350 000 Kinder im Westteil der Stadt fest.

Regierung will Leben zurückbrin­gen

Die Teilung der Stadt in einen besetzten und einen befreiten Teil stellt die irakische Regierung vor Herausford­erungen. Der Arbeitspla­tz von Faten Gamal etwa liegt eigentlich in West-Mossul. Sie ist in der Gesundheit­sbehörde der Provinz Ninawa angestellt. Wegen der Besetzung sind sämtliche Verwaltung­seinheiten nun aber im Ostteil der Stadt untergebra­cht worden.

Die Regierung ist bemüht, wieder Leben in die Straßen zu bringen. Minen und Sprengfall­en werden beseitigt. Behörden und Schulen öffnen wieder. Das Anknüpfen an frühere Zeiten ist aber schwierig. „Die Dschihadis­ten haben alle Lehrer umgebracht, die sich ihren Vorstellun­gen von Unterricht widersetzt­en“, sagt Abdel-Rahman Ahmed, selbst Lehrer. In den zweieinhal­b Jahren seien 65 seiner Kollegen getötet worden.

 ?? FOTO: DPA ?? Für die irakischen Streitkräf­te und Polizisten geht die Schlacht um die IS-Hochburg Mossul in eine entscheide­nde Phase.
FOTO: DPA Für die irakischen Streitkräf­te und Polizisten geht die Schlacht um die IS-Hochburg Mossul in eine entscheide­nde Phase.

Newspapers in German

Newspapers from Germany