Aalener Nachrichten

Zittern und Bangen bei Bausparkas­sen

Bundesgeri­chtshof entscheide­t über Zulässigke­it von Kündigunge­n

- Von Gerhard Bläske

KARLSRUHE - Mit Spannung blicken die deutschen Bausparkas­sen nach Karlsruhe. Voraussich­tlich Dienstag wird der dort beheimatet­e Bundesgeri­chtshof (BGH) eine für die Branche entscheide­nde Grundsatze­ntscheidun­g treffen. Es geht darum, ob die Kündigung von Altverträg­en, für die seit mehr als zehn Jahren ein Darlehensa­nspruch besteht, den die Kunden nicht wahrnehmen, zulässig ist. Für die angeschlag­enen Bausparkas­sen geht es um Milionenbe­träge, die sie angesichts ihrer dramatisch sinkenden Gewinne dringend bräuchten. Für die Sparer geht es um attraktive Zinsen. Selbst das Modell des Bausparens als solches ist gefährdet.

Viele Jahrzehnte ging es den Bausparkas­sen gut. Denn die Deutschen sind ein Volk von Bausparern. Das gilt besonders für Baden-Württember­g. Hier im Südwesten haben mit Schwäbisch Hall und Wüstenrot die beiden Marktführe­r ihren Sitz. Hier gibt es besonders viele Bausparer. Insgesamt zählen die Institute in Deutschlan­d 26 Millionen Kunden, die fast 30 Millionen Bausparver­träge haben.

Das Prinzip ist einfach. Kunden schließen einen Vertrag über eine bestimmte Summe ab und sparen eine vereinbart­e Summe an. Ist diese erreicht, ist der Vertrag „zuteilungs­reif“. Der Bausparer erhält dann einen Kredit zu einem bei Vertragsab­schluss zugesagten Zins und kann eine Wohnung oder ein Haus bauen oder umbauen.

Doch angesichts der Niedrigzin­sen ist das Modell ins Ungleichge­wicht geraten. Die Inanspruch­nahme des Kredits ist für die Kunden unattrakti­v geworden. Viele Banken gewähren heute Darlehen, die deutlich günstiger sind als die der Bausparkas­sen. Die Darlehen werden daher nicht mehr abgerufen. Stattdesse­n kassieren die Kunden lieber die meist relativ attraktive­n Zinsen aus ihren Altverträg­en, mit denen viele Institute sie einst gelockt hatten.

Die Institute stellt dies zunehmend vor Probleme: Sie müssen ihren Kunden hohe Zinsen zahlen, können das ihnen zufließend­e Bauspargel­d aber nur noch mit geringer Rendite anlegen. Gleichzeit­ig vergeben sie immer weniger Kredite. Das geht an die Substanz. Zinsmargen und Gewinne schmelzen dahin. Felix Hufeld, Chef der Finanzaufs­icht BaFin, ist höchst besorgt. „Der Druck wächst merklich“, sagte er kürzlich.

Zwar leiden alle Bausparkas­sen unter der Zinsentwic­klung, doch sitzen nicht alle auf großen Beständen hoch verzinster Altverträg­e. Bei Marktführe­r Schwäbisch Hall werden nur zwei Prozent der Verträge mit mehr als 3,5 Prozent verzinst. Bei Wüstenrot sind es deutlich mehr. Doch alle Bausparkas­sen müssen handeln. Sie straffen und digitalisi­eren ihren Vertrieb, bauen Personal ab, verzichten, wie Wüstenrot, auf Dividenden­zahlungen, und investiere­n in oft veraltete IT. Einige Bausparkas­sen wie Debeka, Signal Iduna, die LBS Bayern oder zuletzt die LBS Ost führen als „Servicegeb­ühren“deklariert­e Gebühren sogar für Altverträg­e ein. Das ist rechtlich sehr umstritten, weshalb Verbrauche­rverbände betroffene­n Kunden zu Widerspruc­h und Klagen raten – schlecht für das Image der Institute.

Auch bei der Kündigung von teuren Altverträg­en bewegen sich die Bausparkas­sen teilweise in einer rechtliche­n Grauzone. Das ist der Grund, weshalb die Entscheidu­ng des BGH so wichtig ist. Unstrittig ist nur die Kündigung von Verträgen, die voll bespart sind, bei denen also gar kein Darlehensa­nspruch mehr besteht. Am Dienstag in Karlsruhe geht es um die Frage, ob Verträge, die seit mehr als zehn Jahren zuteilungs­reif sind, gekündigt werden dürfen.

260 000 Verträge betroffen

Das BGH-Urteil soll endlich Klarheit bringen. Betroffen ist eine bedeutende Zahl von Verträgen, die bereits gekündigt sind. Die Rede ist von etwa 260 000 gekündigte­n Verträgen. Weitere würden wohl gekündigt, wenn das BGH im Sinne der Bausparkas­sen entscheide­n sollte.

Sollte der BGH die Kündigunge­n jedoch nicht für rechtens halten, dann könnte es für einige Institute eng werden. Das Urteil könnte einige Kassen ins Mark treffen“, glaubt ein nicht genannter Chef einer großen Bausparkas­se. In der Branche weiß man, dass Kündigunge­n „keine Freude machen und für die Reputation gewiss nicht förderlich sind“, wie Andreas Zehnder, Vorsitzend­er des Verbands der Privaten Bausparkas­sen, sagt. BaFin-Chef Hufeld hat schon darauf hingewiese­n, dass „grundsätzl­ich mit Genehmigun­g der Aufsicht auch in bestehende Verträge eingegriff­en werden kann, wenn eine grundsätzl­iche systemisch­e Gefahr bei den Bausparkas­sen entstünde“.

Es klingt fast schon dramatisch, wenn er hinzufügt: Käme es zu einer extremen Situation, dann wäre es auch im Interesse der Verbrauche­r, lieber eine kleine Einbuße hinzunehme­n, die aber das System stabilisie­rt. Die Alternativ­e wäre eine Situation, in der einige untergehen und sich andere mit ein bisschen Glück retten können.“Dass es Bereinigun­gen im Lager der zwölf privaten und acht Landesbaus­parkassen geben wird und muss, ist in der Branche unstrittig. Vor allem im Sparkassen­lager (LBS) ließen sich dadurch erhebliche Synergien heben.

Zwei Tage später verhandelt das landgerich­t Stuttgart eine Klage der baden-württember­gischen Verbrauche­rschützer. Sie klagen gegen mehrere Bausparkas­sen, die nachträgli­ch Kündigungs­klauseln eingeführt haben, für den Fall, dass ein Darlehen nicht spätestens 15 Jahre nach Vertragsab­schluss in Anspruch genommen wird.

 ?? FOTO: DPA ?? Der Bundesgeri­chtshof verhandelt am Dienstag darüber, ob Kündigunge­n der Bausparkas­se Wüstenrot von 2015 rechtmäßig waren. Das Stuttgarte­r Oberlandes­gericht hatte zwei Sparern aus Stuttgart in dieser Frage 2016 Recht gegeben. Wüstenrot ging dagegen vor.
FOTO: DPA Der Bundesgeri­chtshof verhandelt am Dienstag darüber, ob Kündigunge­n der Bausparkas­se Wüstenrot von 2015 rechtmäßig waren. Das Stuttgarte­r Oberlandes­gericht hatte zwei Sparern aus Stuttgart in dieser Frage 2016 Recht gegeben. Wüstenrot ging dagegen vor.

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