Aalener Nachrichten

Rock-Rebell mit verletzlic­her Seele

Heute wäre Nirvana-Sänger Kurt Cobain 50 Jahre alt geworden

- Von Daniel Drescher und Agenturen

Kaum ein anderer Musiker hat die moderne Rockmusik derartig geprägt wie Kurt Cobain. Mit Hits wie „Smells Like Teen Spirit“mischte seine Band Nirvana Anfang der 1990er-Jahre alles auf. Durch seinen Selbstmord 1994 wurde der verletzlic­he Poet zum Mythos. Heute hätte er seinen 50. Geburtstag gefeiert.

Wie Kurt Cobain wohl aussähe mit 50? Ergraut? Mit Bauch? Würde er Anzug tragen oder Karo-Hemd? Hätte die exzessive Drogensuch­t ihn weiter gezeichnet? Oder hätte er die Kurve nochmal gekriegt? Sein Nirvana-Bandkolleg­e Krist Novoselic hat inzwischen Halbglatze, der Dritte im Bunde, Dave Grohl, zählt mit seiner Band Foo Fighters zu den weltweit erfolgreic­hsten Rockmusike­rn.

Welches Schicksal das Leben für Cobain bereitgeha­lten hätte, wird nach diesem 5. April 1994 unbeantwor­tet bleiben. An jenem Tag erschoss er sich in seinem Anwesen in Seattle – wohl im Heroinraus­ch – mit einer Schrotflin­te. „It’s better to burn out than to fade away“(etwa: Es ist besser, auszubrenn­en, als zu verblassen) schrieb er in seinem Abschiedsb­rief. Die Zeile stammt aus dem Song „Hey Hey, My My (Into the Black)“des kanadische­n Musikers Neil Young, der zu Beginn seiner Karriere in den 60er- und 70er-Jahren mit Bands wie Crosby, Stills Nash & Young und Buffalo Springfiel­d Folkrock machte, später mit sperrigem Gitarrenso­und aber zum „Godfather of Grunge“avancierte. Cobain verehrte ihn. In seiner Autobiogra­fie „Waging Heavy Peace“(deutscher Titel: „Ein Hippie-Traum“) schrieb Young, dass er vor Cobains Selbstmord versucht habe, mit ihm Kontakt aufzunehme­n und dem innerlich zerrissene­n Musiker zu helfen.

Star wider Willen

Was Cobain mit Nirvana macht, ist damals neu. Der junge Mann räumt auf mit Glamour und betont männlichem Macho-Gehabe, zwei der wesentlich­en Merkmale des amerikanis­chen Rock-Zirkus’ zu der Zeit. Mit Nirvana kommen Ecken und Kanten zurück in die Rockmusik, die vorher behäbig und vorhersehb­ar geworden ist. Cobains Erfolgsrez­ept ist es, die brachiale ungeschlif­fene Musik des späten Punk und Garagen-Rocks der Seattle-Szene mit eingängige­n PopMelodie­n zu kreuzen. Das Album „Nevermind“hat sich weltweit bis heute rund 30 Millionen mal verkauft. Bands wie Soundgarde­n, Alice in Chains und Pearl Jam halten bis heute die Grunge-Fackel hoch.

Zentrale Themen von Kurt Cobains Musik sind Depression­en und die Angst vor dem Verlassenw­erden. Seine Songs sprechen zu den Fans, doch er will nie das Sprachrohr einer Generation sein. Der plötzliche Ruhm verstärkt die Depression­en Cobains. Er fühlt sich vom Management, der Werbeindus­trie und den Medien bedrängt. Auch die Hochzeit mit der Punk-Musikerin Courtney Love und die Geburt seiner Tochter Frances Bean im Jahr 1992 lindern seine Schwermut nur vorübergeh­end. Die jüngste Film-Dokumentat­ion „Cobain – Montage of Heck“(2015) wurde von seiner Tochter mitproduzi­ert und legt nahe, dass Traumata aus seiner Kindheit Cobains Dämonen antrieben, so etwa die Scheidung der Eltern. „Wenn er weitergele­bt hätte“, sagte Frances Bean Cobain einmal, „dann hätte ich einen Vater gehabt. Und das wäre eine unglaublic­he Erfahrung gewesen.“

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FOTO: IMAGO Verzweiflu­ng im Blick: Kurt Cobain während der MTV Music Video Awards im Jahr 1993.

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