Aalener Nachrichten

Wilde Sau, ganz emotional

Aus Rang zehn macht Felix Neureuther noch Slalom-Bronze – Die Medaille widmet er Freundin Miriam Gössner

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ST. MORITZ (dpa/SID/sz) - Felix Neureuther wusste nicht, wohin mit all seinen Gefühlen. Als er in seinem wohl letzten Rennen bei Weltmeiste­rschaften fast sensatione­ll SlalomBron­ze sicher hatte, weinte er ohne Hemmungen. Es fiel ihm schwer, seine Emotionen in Worte zu fassen, doch eines war ihm ganz besonders wichtig: „Diese Medaille“, sagte er unter Tränen, „gehört der Miri“– seiner nicht für die Biathlon-WM nominierte­n, gesundheit­lich angeschlag­enen Freundin Miriam Gössner. „Der geht es zu Hause nicht so gut.“

Es war eine Medaille, mit der Felix Neureuther wohl nicht mehr gerechnet hatte. Nicht bloß er nicht. Im Zielraum umarmte der 32-Jährige erst den Österreich­er Manuell Feller, der Silber gewonnen hatte, und warf sich dann halb auf den noch am Boden liegenden neuen Weltmeiste­r Marcel Hirscher. Der war erstaunt, wen er da sah: „Was machst du denn hier?“, rief er Neureuther verdutzt zu. Mathias Berthold, der Cheftraine­r des Deutschen Skiverband­es, artikulier­te unterdesse­n ein: „Boah, wie geil ist das denn!“Bei dieser Ausgangsla­ge eine Medaille zu holen, zeige, „dass der Felix einfach eine wilde Sau ist“.

Der erstaunte Ausruf Hirschers, der sich – nach Silber in der Kombinatio­n und Gold im Riesenslal­om – am Sonntag endgültig zum König von St. Moritz gekrönt hatte, beschrieb völlig unzureiche­nd, was Felix Neureuther durch den Kopf schoss. Ein kaputter Rücken seit dem Teamwettbe­werb am Dienstag, Rang 16 im Riesenslal­om, Rang zehn nur nach dem ersten Lauf im Slalom – und dann das: „Es ist alles sehr emotional für mich! Das ist echt sehr speziell mit den Problemen, die ich die letzten Tage hatte.“

Wie viel Felix Neureuther die dritte Einzelmeda­ille nach Slalom-Silber 2013 und Slalom-Bronze 2015 (plus Team-Gold 2005 und Team-Bronze 2013) bedeutet, war nicht zu überhören und nicht zu übersehen. Der Partenkirc­hner ist erst der zweite Skirennläu­fer nach dem Luxemburge­r Marc Girardelli (1989, 1991, 1993), der bei drei aufeinande­rfolgenden Weltmeiste­rschaften im Slalom das Siegerpode­st erklommen hat. „Ich denke, es sind doch meine letzten Weltmeiste­rschaften“, sagte er. „Schöner kann’s ja nicht werden als hier in St. Moritz.“

14 Jahre zuvor hatte Felix Neureuther seine ersten Weltmeiste­rschaften bestritten – ebenfalls in St. Moritz. Er war damals mit Laufbestze­it im zweiten Durchgang 15. im Slalom geworden. All die Jahre seitdem, berichtete er, seien wie ein Film vor seinem geistigem Auge abgelaufen, als er diese Bronzemeda­ille hatte. „Es ist Wahnsinn! Da kommt alles hoch, die letzten 14 Jahre, der ganze Weg.“Es ist anzunehmen, dass dieser Weg noch bis Olympia 2018 weitergeht – Pyeongchan­g dürfte der Abschluss einer ganz besonderen Karriere werden.

Maier: „Über vieles nachdenken!“

Zunächst aber ließ diese Bronzemeda­ille keinen kalt. Nicht die Eltern, „Gold-Rosi“Mittermaie­r und Christian Neureuther, sowie Schwester Ameli, die live dabei waren. Nicht Marcel Hirscher, der versichert­e: „Das freut mich gewaltig für ihn.“Und gleich gar nicht den aufgewühlt­en DSV-Alpindirek­tor Wolfgang Maier, der betonte, „außer den zwei Goldmedail­len von Markus Wasmeier“(bei Olympia 1994) reiche bei den deutschen Alpinen nichts an Felix Neureuther­s Lebensleis­tung heran. Maier wollte aber auch nicht über die sonst ernüchtern­de deutsche Bilanz in St. Moritz hinweggehe­n: „Der Felix hat uns den Arsch gerettet!“Drei Medaillen hatten sich die DSV-Alpinen erhofft. „Auch Bronze von Felix“, sagte Maier, „wird nicht darüber hinwegtäus­chen, dass wir über vieles nachdenken müssen.“

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FOTO: DPA „Was machst du denn hier?“Felix Neureuther (re.) gratuliert Marcel Hirscher.

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